Kaiserslautern Die Tiefe der Empfindungen

Die Steigerung der künstlerischen Qualität des Pfalztheaters in allen Sparten lässt sich auch an Kammerkonzerten und Liederabenden ablesen. Dabei bestehen auch kleinste Besetzungen und Solisten kritischer Analyse. So avancierte der Liederabend mit dem Bassbariton Wieland Satter am Sonntag im Theodor-Zink-Museum zu einer Sensation auf internationalem Niveau.

Der in der dritten Spielzeit im Opernensemble des Pfalztheaters fest unter Vertrag stehende Bassbariton bringt alle entscheidenden Vorzüge und Qualitäten mit, um auch als international wirkender Solist (wir berichteten an dieser Stelle am vergangenen Freitag) bestehen zu können. So sind auch die Interpretationen der „Ausgewählten Lieder“ und „Vier ernsten Gesänge“ von Johannes Brahms ergreifender, beseelter, ausdrucksvoller und entrückter kaum denkbar. Dabei konnte Satter sowohl liedhafte schlichte Wendungen, lyrische Kantilenen, aber auch dramatische Aufschwünge in gestalterischer Intensität bis ins kleinste motivische Detail gestalten. Stimmlich profitiert er von einer absolut sicheren, immer ausgeglichen klingenden und intonatorisch lupenreinen Stimmgebung. Dabei klingt alles frei schwingend, niemals forciert oder angespannt, entspringt einer ungezwungenen Natürlichkeit, die für Echtheit der dargestellten Empfindungen steht. Interpretatorisch gestaltet Satter zwar übergreifend hin zum großen Spannungsbogen, erhebt aber auch jeden Ton, jede Wortsilbe zur Keimzelle des Werdens. Satter bemüht sich also um jedes Detail. Er gibt sich nicht mit oberflächlichen, plakativen Klangwirkungen zufrieden, sondern dringt in die Tiefe menschlicher Empfindungen zwischen Liebeslyrik und Naturstimmung (Ausgewählte Lieder) sowie Todesahnung (Ernste Gesänge) vor. In russischer Sprache und gepackt von der Dramatik des metaphorisch geschilderten Geschehens um den in vier Episoden geschilderten Todeskampf, gelang ihm nach der Pause nochmals eine künstlerische Steigerung: Modest Mussorgskis „Lieder und Tänze des Todes“ waren so etwas wie die Inkarnation des gestalterischen Ideals. Trotz der russischen Sprache waren Abgründe, Verzweiflung und düstere Nacht-Todesstimmungen greifbar, steigerten sich zur erdrückenden Beklemmung. Dabei fand Satter die Balance zwischen theatralischer Inspiration und liedhafter Verinnerlichung. Seine Ehefrau aus Moskau, Ekaterina Tarnopolskaja, sprengte ebenfalls den Rahmen des selbst im hochprofessionellen Bereich Alltäglichen und Routinehaften – vor allem durch die absolut synchrone und allen seelischen Regungen des Soloparts folgende Klavierbegleitung. Diese schwankte je nach Lied zwischen orchestraler Klangfülle und kammermusikalischer Transparenz in zartestem Klanggewebe. Sie folgte dabei stets mit wachem Ohr dem Pulsschlag der Gesangsstimme und ihrer Entwicklung. Ist die russische Klavierschule wegen ihrer fulminanten Spieltechnik und kraftbetonten Anschlagstechnik bekannt, so hat die nach einer Station in Moskau in Weimar studiert habende Konzertpianistin auch die französische Inspiration, die Grazie und Eleganz kennengelernt und setzt sie um. Intermezzi und Capriccio von Brahms sowie zwei Preludes von Rachmaninow wirkten wie eine Synthese aus verschiedenen Interpretationsansätzen: in jedem Fall detailliert ausgearbeitet, alles im organischen Spielfluss und in bestechender spielerischer Präzision.

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