Kaiserslautern Der Schlawiner

„Good Morning Little Schoolgirl“: So hieß eine Single, die ein junger Sänger aus London vor etwas mehr als 50 Jahren veröffentlichte. Erfolg war seiner Version eines amerikanischen Bluesklassikers nicht vergönnt – ganz im Gegensatz zu den meisten Aufnahmen, die er ihr folgen ließ. Heute wird Rod Stewart, der junge Mann von damals, 70 Jahre alt.

Noch eine halbe Stunde bis zum Konzertbeginn, unten in den Katakomben der Münchner Olympiahalle. Aufgeräumt spaziert Rod Stewart – Hemd bis knapp über den Bauchnabel aufgeknöpft, Goldkettchen um den Hals – in seine Garderobe und mustert die Handvoll wartender Journalisten. Denen hat sein Pressemann zuvor eingeschärft: „Nichts Privates fragen, da ist er sensibel.“ Der Musiker nestelt an seiner Brille herum, steckt sie schnell weg – und schaltet in den kumpelhaften Roddy-Modus. „Hallo, meine Freunde, was kann ich für euch tun?“, gibt er sich leutselig – um kurz darauf mit diebischem Grinsen ein Fernsehteam auflaufen zu lassen, dessen Scheinwerferlicht ihm „zu hart“ erscheint. Rund sieben Jahre liegt diese Episode zurück, und es ist stark anzunehmen, dass Roderick David Stewart heute noch sorgfältiger darauf achtet, sich schön weich und dezent ausleuchten zu lassen. Schließlich sind inzwischen noch ein paar Falten hinzu gekommen, und die Sensibilität des Künstlers gilt eben nicht nur Fragen nach seinem Privatleben. Einschlägigen Gesprächsstoff hat der gebürtige Londoner – Sohn eines schottischen Vaters und einer englischen Mutter – durchaus geliefert: Acht Kinder hat er von fünf verschiedenen Frauen. Dass seine älteste Tochter 51 ist und er eine dreijährige Enkelin hat, verschweigt er zwar nicht, bindet es aber auch nicht allen direkt auf die Nase. Das würde nicht zum Image passen. Rod Stewarts Bild in der Öffentlichkeit ist das des ewigen Hallodris: ein sympathischer Schlawiner, der so viel arbeitet, wie er muss, sich ansonsten mit Freunden zu Bier und Fußball trifft und sich selbst nicht allzu ernst nimmt. Dieses Bild kultiviert er in seinen Konzerten, zuletzt im vergangenen Juni auch in der Mannheimer SAP-Arena, unverdrossen mit Strubbelfrisur, knallbunter Kleidung und seinem Markenzeichen, der Reibeisenstimme. Als Musiker hatte und hat Stewart keinerlei stilistische Berührungsängste. Mehr als einmal in seiner Karriere setzte er sich über vermeintliche Genregrenzen hinweg, sang Soul, Rock, Folk und lupenreinen Pop ebenso wie traditionellen Jazz und Blues. Nach eigener Einschätzung als Komponist nicht übermäßig begabt, machte er sich oft das Songmaterial anderer durch erfolgreiche Neuinterpretationen zu eigen. In den Anfangsjahren, aus denen der Spitzname „Rod the Mod“ stammt, sowohl Solokünstler wie auch Mitglied in Bands, brachte die Zeit als Sänger der Jeff Beck Group und vor allem der Faces Stewarts Laufbahn richtig ins Rollen. „Maggie May“, „Sailing“, „Hot Legs“ und „Da Ya Think I’m Sexy?“ in den 1970er Jahren, „Baby Jane“ in den 80ern und „Rhythm Of My Heart“ sowie „All For Love“ mit den Kollegen Bryan Adams und Sting in den 90ern: In drei Jahrzehnten bewährte sich der Sänger als zuverlässiger Hitlieferant. Als seine Popularität in Europa zur Jahrtausendwende nachließ und er das Singen nach einer überstandenen Krebserkrankung neu lernen musste, traf Stewart eine zwar künstlerisch nicht innovative, dafür aber ökonomisch kluge Entscheidung: Er veröffentlichte fünf „Songbook“-Alben mit traditionellen US-amerikanischen Liedern, die seine Beliebtheit in den USA festigten und ihn im Geschäft hielten. Rod Stewart, der Rockmusiker, so schien es, fand nur noch auf Tourneen und in lukrativen Las-Vegas-Shows statt, in denen er sein Publikum in Nostalgie schwelgen ließ. Erst die Arbeit an seiner Autobiografie „Rod“ (erschienen 2012 im Heyne Verlag) weckte Stewarts Lust, auch wieder selbst Musik zu schreiben. Erste Ergebnisse präsentierte er – durchaus mit Erfolg – 2013 auf dem Album „Time“. Da kann also noch was kommen.

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