Kaiserslautern Der Romantiker auf dem Kaiserthron

Nach nur eineinhalbjähriger Vorbereitungszeit haben die Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museen die Ausstellung „Kaiser Maximilian I. – Der letzte Ritter und das höfische Turnier“ auf den Weg gebracht. Leihgaben und Kuratoren kommen aus dem Kunsthistorischen Museum Wien, zum größten Teil aus der Hofjagd- und Rüstkammer, der weltweit ersten Adresse für feinstes historisches „Eisenkleid“.

Er war einer der farbigsten Herrscher des Heiligen Römischen Reiches – Kaiser Maximilian I., den das 19. Jahrhundert romantisch verklärend „den letzten Ritter“ nannte, seiner Vorliebe für prunkvolle Turnierspiele wegen. Stimmt das auch so – oder waren die sportlichen Betätigungen des Kaisers nicht auch Teil einer ausgeklügelten Propaganda? Bei Maximilian (1459-1519) kamen wohl echte Neigung zur Bewegung in frischer Luft (wozu unverzichtbar auch die Jagd gehörte) und planvolle Arbeit an der eigenen Legende auf das Schönste zusammen. Die Liebe für ritterliches Schaugepränge hatte der junge Maximilian von seiner Mutter eingeimpft bekommen. Eleonore von Portugal fütterte den Knaben mit Rittergeschichten, hielt ihn zu Fechten und Tanzen an. Vater Friedrich III., der den Knaben lieber als guten Lateiner gesehen hätte (das wurde Maximilian nie) galt als menschenscheuer Geizhals. Seine Hofhaltung war bescheiden – was man seinem auf einen luxuriösen Lebensstil getunten Nachfolger nicht nachsagen konnte. In einem hatte Maximilian sicher Recht: Mit prunkvollen öffentlichen Auftritten konnte man (im besten Fall) den Adel an sich binden und das Gedächtnis der Nachwelt positiv beeinflussen. Nicht zuletzt der „Freydal“, Maximilians unvollendet hinterlassene, aufwendig illustrierte Beschreibung seiner Turniererfolge, lieferte genug Anschauungsmaterial, um ihren Auftraggeber als den besten Turnierkämpfer seiner Zeit zu etablieren. Die Zeit dieses auf burgundisches Vorbild zurückgehenden Adelssports – wir reden vom Ende des Hochmittelalters und der beginnenden Neuzeit – war damals eigentlich schon vorbei. Maximilian kultivierte einen aufwendigen Anachronismus, wenn man so will, aber der war immer noch gut genug, um vieles elegant zu übertünchen: Das ewige Schuldenmachen etwa, an dem der Augsburger Bankier Jakob Fugger prächtig verdiente. Selbst die gewaltige Mitgift seiner aus politischem Kalkül geehelichten nicht ebenbürtigen zweiten Frau Bianca Maria Sforza änderte wenig daran. Dann die allein schon aus Geldmangel nie richtig gewonnenen Kriege, der ewige Streit mit Frankreich und Venedig, das Maximilian den Durchzug zur Kaiserkrönung nach Rom verweigerte (die fand mit päpstlicher Billigung ausnahmsweise in Trient statt). Am Ende seines Lebens war der Kaiser praktisch pleite. Seinem Enkel Karl V. hinterließ er immerhin eine Universalmonarchie, in der angeblich die Sonne nie unterging. Bleiben die Förderung von Kunst und Wissenschaft. Da hat der in sieben Sprachen firme Habsburger echte Verdienste. Nicht zu Unrecht wird der Besucher der Ausstellung durch einen Vorhang entlassen, auf dem Maximilians „Ehrenpforte“ abgedruckt ist, jener monumentale Holzschnitt, an dem auch der vom Kaiser besonders geschätzte und mit einer gnädigst gewährten Rente von jährlich 100 Gulden ausgezeichnete Albrecht Dürer mitgearbeitet hat. Auch Dürers Triumphwagen Maximilians gehört in diesen Kontext. Lebenslustig war Maximilian durchaus. Mit 30 nachgewiesenen unehelichen Kindern bewegte er sich allerdings eher im Mittelfeld einschlägiger Standesgenossen. Seine zeitgenössischen Berichten zufolge wunderschöne erste Frau Maria, Tochter Karls des Kühnen und Erbin von Burgund, hat er abgöttisch geliebt. Sie kam standesgemäß bei einem Reitunfall ums Leben. Im eigenhändig diktierten „Theuerdank“ hat der Kaiser die Geschichte seiner burgundischen Brautfahrt und den Kampf um Marias Erbe beschrieben, im „Weißkunig“ die Geschichte des Vaters und seine eigene Jugend. Auch auf die eigenhändige Herstellung von Waffen soll Maximilian sich verstanden haben, weshalb man seinen Beinamen auf „der letzte Ritter und erste Kanonier“ erweiterte. Ausgewählte Illustrationen aus dem „Freydal“ (in einer pfiffigen Computeranimation bestens erklärt) zeigen, wie so ein maximilianisches Turnier vonstatten ging. Man muss es sich nicht als wilde Holzerei vorstellen. Der Kampf verlief nach festen Regeln. Auf das Gestech (Kampf mit stumpfen Lanzen) folgte ein Rennen (mit spitzen Lanzen und bei der adeligen Jugend besonders beliebt) und schließlich der Fußkampf (bei dem fast jede Art von Handwaffen verwendet wurde). Anschließend gab es einen Maskenball, bei dem die Männer meist Frauenkleider trugen. Verletzungen wurden zwar in Kauf genommen, die tödlichen waren eher unerwünscht. Streng reglementiert ebenso, welcher Turnierharnisch, sprich welche Spezialrüstung anzulegen war. Hier hatten die Plattner zu tun, und die von Maximilian reichlich beschäftigten gehörten zur absoluten Elite ihrer Zunft, neben den Meistern aus Innsbruck allen voran Lorenz Helmschmid aus Augsburg und Hans Grünewald aus Nürnberg. Ausführlich berichtet die Ausstellung von den Unterschieden zwischen den Garnituren, die jeweilig nach einem ausgeklügelten Baukastensystem zusammengestellt wurden. Reichste Verzierungen dokumentieren den Rang ihres Trägers. Ganz wichtig waren die Scharniere. Sie allein garantierten die wie auch immer reduzierte Beweglichkeit ihres Trägers. Vor allem männliche Ausstellungsbesucher dürften entzückt sein von der Parade der gespenstisch leeren Hüllen und ihrem museal geadelten Beitrag zum Thema der hohen Kunst der Plattnerei. Dass der historische Kontext im durch vorzügliche Textbeiträge auffallenden Begleitbuch nachzulesen ist, fällt dabei nicht sehr ins Gewicht.

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