Kaiserslautern Das Lob der Torheit

Nein, keine Operette, sondern eine Opéra-comique, eine komische Oper, von Jacques Offenbach wurde im Badischen Staatstheater neu belebt: „Fantasio“, 1872 uraufgeführt und damals mäßig erfolgreich. Die Karlsruher Produktion war musikalisch reizvoll, szenisch dagegen wahrlich keine Ehrenrettung für das bis dato eher unbekannte Stück.

Nicht nur bei seinem unvollendeten Spätwerk, der Oper „Hoffmanns Erzählungen“, ist Textkritik bei Offenbach ein großes Problem. Die Erben, die die Quellen entweder verschlossen hielten oder verscherbelten, sind daran nicht ganz unschuldig. Deshalb liegt eine Rekonstruktion der Pariser Uraufführungsfassung des „Fantasio“ erst seit Kurzem in Jean-Christophe Kecks Kritischer Ausgabe vor. Auf ihr basiert die Einstudierung in Karlsruhe, die erste szenische Version dieser Fassung. Andreas Schüller, Gast von der Staatsoperette Dresden, wusste am Pult der locker spielenden Badischen Staatskapelle mit klarem, trockenem Ton, rhythmischer Spannkraft und Detailtreue die Reize der Partitur wirkungsvoll zu vermitteln. Die Musik des „Fantasio“ ist vielfältig. Sie verweist auf den Ton von „Hoffmanns Erzählungen“ voraus, ist gefühlvoller als in den kessen Operetten wie „Orpheus“ oder „Schöne Helena“, aber nicht minder witzig. Sängerisch ist das Stück durchaus anspruchsvoll – unter anderem mit virtuosen Koloraturaufgaben für die Prinzessin Theres. Diese wurde von Ina Schlingensiepen mit komödiantischem Pfiff, aber auch Anmut und gewohnt großer technischer Sicherheit gegeben. Die Titelpartie ist eine Hosenrolle und verlangt ebenfalls neben Komik auch lyrische Empfindung. Die junge Mezzosopranistin Dilara Bastar sang mit biegsamer, klangschöner Stimme und agierte mit sympathischer Spielfreude. Gabriel Urrutia Benet als Prinz von Mantua und Klaus Schneider als sein Adjutant Marinoni waren mit aufgedrehter Aktion eher für den Klamauk zuständig, während Renatus Meszar als „Kini“ effektvoll eine der für Offenbach typischen Herrscherkarikaturen ablieferte. Versiert agierten die Darsteller in den vielen kleineren Rollen. Gute Offenbach-Inszenierungen sind schwierig und deshalb rar. Meist geben die Regisseure mit mehr oder minder geschmackvollen Gags dem sprichwörtlichen Affen Zucker oder suchen ihr Heil in gnadenloser Aktualisierung. Bernd Mottl tat Ersteres wenig, Letzteres ein bisschen. Vor allem setzte er auf Drolligkeit und die vermeintlich lustige Beschwörung der bajuwarischen Lebenswelt. Doch das geriet eher bieder als satirisch. Was der gesellschaftskritische Sinn des für Paris komponierten Stücks angesichts des für Frankreich verlorenen Kriegs von 1870/71 mit Deutschland war, wurde überhaupt nicht deutlich. Und das im „Fantasio“ besungene Lob der Torheit hatte in dieser matten szenischen Produktion gleichfalls keine hintergründige Dimension. Dafür durfte sich das fast drei Stunden lang mäßig unterhaltene Publikum die Fragen stellen, warum der zuvor ja ganz offensichtlich als Mann vorgestellte Fantasio in der Kerkerszene plötzlich mit weiblichen Reizen aufwartet – und ob es sich lohnt, die QR-Codes auf den Postpaketen zu scannen, die wesentliches Requisit der von Friedrich Eggert verantworteten Ausstattung sind. Ob so der Schlüssel zum Sinn dieser Offenbach-Inszenierung zu finden ist? Im nicht voll besetzten Staatstheater gab es bei der Premiere freundlichen Beifall für alle Beteiligten.

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