Eisenberg So lief die RHEINPFALZ-Sommertour bei Gienanth
Die Tour
Das hat man selten: Die RHEINPFALZ-Leser wurden vom Gienanth-Geschäftsführer Hans-Jürgen Brenninger höchstpersönlich durchs Werk geführt. Brenninger leitet die Geschicke der Gießerei-Gruppe mit ihren mittlerweile rund 1300 Mitarbeitern seit 2016. Eigentlich kommt er aus dem Bankwesen, hat mehr als 14 Jahre bei der Hypovereinsbank gearbeitet. Dass er nun aber ein echter Experte in Sachen Gießerei ist, davon konnten sich die elf RHEINPFALZ-Leser am Mittwochmittag überzeugen. Fachkundig führte Brenninger die Sommertour-Gruppe von Station zu Station und konnte dabei auch mit viel Detailwissen – auch auf spontane Fragen hin – glänzen. „Dem macht hier so schnell keiner was vor“, murmelte ein Leser.
Seit Brenninger das Heft in der Hand hält, hat Gienanth mehrere Übernahmen getätigt. Dadurch ist der Gesamtumsatz deutlich gestiegen: 2022 lag er bei 324 Millionen Euro (2015: 116 Millionen Euro), für 2023 wird er voraussichtlich zwischen 330 und 340 Millionen Euro liegen. Am Standort Eisenberg (670 Mitarbeiter) selbst werden dabei 157 Millionen Euro Umsatz gemacht (2022). Komponenten für die Autoindustrie machen dabei 41 Prozent der Produktpalette aus. „Das versuchen wir noch weiter nach unten zu bringen“, sagt Brenninger. Schon seit Jahren versuche sich Gienanth, in der Produktpalette breiter aufzustellen. Das sei durch die Übernahmen auch gelungen. Man kann jetzt sowohl im filigranen als auch im mittlerem zweistelligen Tonnen-Bereich Bauteile produzieren. Das hatte eine Vervielfachung des Kundenstammes zur Folge. Brenninger: „Darauf bin ich stolz.“
In Eisenberg sind die Hauptprodukte im Maschinenformguss übrigens Kurbelwellenlagerdeckel (Stückzahl: 10,5 Millionen/Jahr) für Pkw Motoren, Bremsbelagträger für Lkw-Bremsen (9,6 Millionen) und Schwungscheiben für Pkw-Kupplungen (9 Millionen). Eine Erfolgsgeschichte jüngeren Datums: die Herstellung von Gusspfannen.
Die größte Sorge
Die Energiepreise. Im Oktober und November hätte Gienanth schwer mit den Preisen zu kämpfen gehabt, sagt Brenninger. Es sei schwierig, Kunden vermitteln zu müssen, dass man Preise um knapp 20 Prozent erhöhen müsse. Aber: „Früher machte Energie etwa drei bis sechs Prozent unserer Gesamtkosten aus, jetzt sind es 16 Prozent“, sagt Brenninger. Die Politik sei da gefordert, Brenninger sprach sich für einen Industriestrompreis aus.
Der größte Stolz
Bei der Tour hatten die RHEINPFALZ-Leser Gelegenheit, das ganze Eisenberger Werk kennenzulernen. So ging es also nicht nur ins schmucke Verwaltungsgebäude, sondern auch dahin, wo es warm und laut ist: in die Produktion. So konnten sich Leser beispielsweise einen Eindruck vom Schmelzbetrieb, dem Maschinen- und Handformguss, der Putzerei und der Qualitätskontrolle machen. Spektakulär: der Abguss eines Motorblocks mit 1400 Grad heißem Gusseisen. „Da muss man dann Glück haben und zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein“, sagt Brenninger verschmitzt. Auch in die moderne, aber in historischen Gemäuern untergebrachte Lehrwerkstatt von Gienanth ging es. „Hier werden jedes Jahr 35 Lehrlinge ausgebildet“, sagt Brenninger. Sein Appell: „Sagt’s dem Nachwuchs, den Kindern und Enkeln: Es wird gesucht.“ Fachkräftemangel sei natürlich auch in der Gießerei-Branche ein Thema.
Die schickste Location
Der Empfang der RHEINPFALZ-Leser durch Gienanth-Chef Brenninger fand in einem schmucken Konferenzraum im klassizistischen Herrenhaus auf dem Werksgelände statt. Der heute als Verwaltungsgebäude genutzte, schlossähnliche Bau wurde zwischen 1826 und 1829 errichtet. An der Decke: Malereien im pompejanischen Stil, an den Wänden historische Ölgemälde, darunter ein von Karl Kuntz gemaltes Bild der Familie Ludwig von Gienanth. Schick. Hier können es wohl auch die größten Konferenzmuffel mal für die Dauer eines Meetings aushalten.
Spektakuläres Name-Dropping
Keine Frage: Gienanth ist ein Traditionsunternehmen. Am Standort in Eisenberg wird schließlich seit 1735 Eisen verarbeitet. Der Standort in Fronberg (Bayern) – seit 2005 Teil der Gienanth-Gruppe – lässt sich sogar bis auf das Jahr 1449 zurückverfolgen. „Knapp drei Jahre später kam Leonardo da Vinci zur Welt“, sagt Brenninger.
Das größte Fragezeichen
Die nächsten Projekte
Am Standort Eisenberg wird sich wohl demnächst was tun. Derzeit hat man die Idee, die Bearbeitung von Bremsbelagträgern in Eisenberg möglich zu machen. Bislang übernahmen diese Aufgabe Chemnitz und andere Lohndienstleister. „Es wäre der Einstieg von Eisenberg in die mechanische Bearbeitung“, so Brenninger. Da man sich in Eisenberg platztechnisch aber nicht mehr ausweiten kann, könne man nicht neu bauen, sondern müsste Gebäudeteile umnutzen.
Auch die Internationalisierung will man weiter forcieren. Pläne, etwas in Indien aufzuziehen, gab es schon länger. Es gab dort auch schon einen Partner, mit dem man etwas auf die Beine stellen wollte. „Dann kam Corona, und dann hat sich das auf Eis gelegt“, so Brenninger. Jetzt will man die Idee wieder aufgreifen und nach möglichen Partnern auf dem Subkontinent suchen.