Grünstadt „Let’s do the time-warp today“

Heute steigt auf dem Alten Sportplatz Obrigheim-Albsheim eine Open-Air-Kino-Veranstaltung im Rahmen des Musikfestivals „Rock im Hinterland“. Die Betreiber des Grünstadter Europa-Kinos zeigen ab 21.15 Uhr die schrille „Rocky Horror Picture Show“. Einlass ist ab 19 Uhr.

Das Gewitter: fürchterlich. Der Reifen: platt. Das ohnehin verschüchterte heterosexuelle Liebespaar: in völliger Panik. Wie rettet man sich aus dieser Situation? Ein schattenhaftes Gemäuer, dessen Fenster leuchten, verheißt Rettung. Doch der verwachsene Bedienstete, der Janet und Brad öffnet, ist so unheimlich wie Frankenstein, und die eigenartige außerirdische Gesellschaft aus „Transsexual Transsilvania“, die im Spukschloss ein schräges Fest feiert. Hausherr Dr. Frank N. Furter erscheint, nur in Mieder, Strapse und hochhackige Schuhe gekleidet, bühnenwirksam per Lift, singt „Sweet Transvestite“ und lädt ein zur Enthüllung des von ihm erzeugten künstlichen Menschen: Rocky erscheint, vom Scheitel bis zu den Zehen in Bandagen gehüllt, und entpuppt sich rasch als ansehnliches Jüngelchen, mit dem Furter rasch im Hochzeitsbett verschwindet, nachdem er einen unpassend erscheinenden feisten Motorradfahrer mit dem Eispickel erschlagen hat. Selbig wird alsbald – Gipfelpunkt des guten Geschmacks – in Scheiben aufgeschnitten als Braten serviert. Und Janet und Brad fallen von einer Panik in die nächste. Als dieses eigentlich eher etwas fade parodistische Grusel- und Sci-Fi-Musical von Richard O’Brien und Jim Sharman 1975 in die amerikanischen Kinos kam, dümpelte es eher erfolglos vor sich hin, bis eine kleine, aber treue und vor allem wachsende Gemeinde es zu ihrem Kultobjekt machte. In Deutschland sind die Münchner Museumslichtspiele Kern des Kults. Hier läuft der Film seit 1977 unausgesetzt in einem eigens dafür eingerichteten Saal. Generationen von Schülern auf Klassenfahrt haben hier gelernt, wie man sich, in möglichst transvestitische oder knappe Verkleidungen gehüllt, zu benehmen hat. Denn wie in einem religiösen Ritus gibt es mittlerweile durch Konvention genau festgelegte Aktionen, Rufe, Akklamationen, die das kundige Publikum an der richtigen Stelle des Films mitzuvollziehen hat. Dies ist, wie Oliver Lebert vom Europa-Kino betont, auch ausdrücklich erwünscht ist, wenn der Film mit dem unverwechselbaren Tim Curry in der Hauptrolle gegen 21.15 Uhr auf dem alten Festivalsportplatz anrollt. In der Hochzeitszene wirft man Reis, wenn Rocky aus seinen Bandagen gewickelt wird, Klopapierrollen, und Nebel wird an passender Stelle mit Mehl simuliert. Hier ist zu zischen, da mit Gummihandschuhen zu quietschen, und der „Time Warp“ wird selbstverständlich mit kräftigem Hüftschwung mitgetanzt. Wer den Kult korrekt einüben will, findet auf der deutschen Wikipedia-Seite zum Film die Agenda. Der Verein Rock im Hinterland versorgt die partywütigen Filmfans ab 19 Uhr mit Leckerbissen vom Holzkohlegrill und kalten Getränken. Filmbeginn ist bei entsprechenden Wetterverhältnissen gegen 21.15 Uhr, Ausschank bis 1 Uhr. Das Mitrocken ist ausdrücklich erwünscht. Dieses Kinoprojekt, erläutert Stefanie Oberbeck, sei übrigens ganz schnell geboren worden: Beide Seiten hätten bei der ersten Fühlungsnahme festgestellt, dass sie schon lange Lust auf ein solches Open-Air-Projekt hätten. (hap) Mehr Informationen auf der Seite

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