Grünstadt Gemeinde blank, Nerven blank

Es brodelt im Obrigheimer Ortsparlament: Die Gemeinde ist hoch verschuldet und jeder schiebt die Schuld auf den anderen. Ein Gemeinderat ist im Streit wegen eines Gewerbebetriebes. So wurde bei der jüngsten Sitzung heftig diskutiert.

„Die Zahlen sprechen für sich“, sagte Bürgermeister Stefan Muth (SPD), als es um den Nachtragshaushaltsplan für das Jahr 2015 ging, der mehrheitlich verabschiedet wurde. Die Gemeinde hat knapp 8,5 Millionen Euro Schulden – und es werden immer mehr. Für die Jahre 2014 und 2001 muss Obrigheim knapp 1,2 Millionen Euro Gewerbesteuer zurückzahlen. Der Grund: Die Firma Südzucker hat in Neuoffstein zwar hohe Gewinne erzielt, die prinzipiell der Gemeinde hohe Gewerbesteuereinnahmen verschaffen würden. Durch Querverrechnungen mit anderen Betriebszweigen entsteht allerdings ein Minus, und die Firma hat einen Antrag auf Rückzahlung der Vorausbeiträge gestellt. Altbürgermeister Wolfgang Nitzsche (FWG) wollte das nicht so stehen lassen. Die Schulden seien noch nie so hoch gewesen wie momentan. Projekte in seiner Amtszeit hätten viel Geld gekostet und den Ort aufgewertet. Die aktuelle Lage bezeichnete er als „Stillstand – manche nennen es auch Rückschritt.“ Weiterhin sagte er: „Alles auf die Südzucker zu schieben, wäre zu einfach.“ Er rechnete vor, dass nur 22 Prozent der Steuern in der Gemeindekasse landeten. Ingolstadt beispielsweise habe aufgrund der VW-Krise mit sofortiger Wirkung eine Haushaltssperre verhängt. „Wenn ich es so gemacht hätte wie Sie, hätten Sie den Rücktritt gefordert“, so Nitzsche in Richtung Bürgermeister Muth. Dieser nannte das einen „ganz fiesen Zug“. „Sie stellen mich so hin, als ob ich die ganzen Schulden gemacht hätte“, sagte er. Eine Möglichkeit, wieder Geld in die Kasse zu bekommen, ist die Veräußerung von Bauplätzen. Davon gibt’s aktuell 88 Stück. Aufgrund aktueller Bauvorhaben hob der Rat den seit 1964 rechtskräftigen Bebauungsplan „Am unteren Schlittweg, An der Wormser Straße I. und II. Gewanne und Am Wormser Weg, Änderungsplan III“ auf. Beim Thema LED-Umrüstung kochte die Stimmung im Gremium noch einmal hoch. Im April habe die FWG einen Antrag dazu stellen wollen, verzichtete aber, da sie an einer fraktionsübergreifenden Lösung interessiert war, so Tilo Schwarz (FWG). Nun zeigte sie sich überrascht über den Beschlussvorschlag, die Straßenbeleuchtung zu modernisieren und die Verbandsgemeinde Grünstadt-Land zu beauftragen, einen Zuschussantrag zu stellen. Und der Kostenvoranschlag von 590.000 Euro sei vom teuersten Anbieter, am Ende werde es billiger, verteidigte Beigeordneter Achim Mielisch (SPD) den Beschlussvorschlag. Schwarz erinnerte an zwei E-Mails, die er an Mielisch geschrieben habe und die bislang unbeantwortet geblieben seien. Seinem FWG-Kollegen Müsel waren die drei Sätze in den Ratsunterlagen zu wenig. Schwarz beantragte eine Sitzungsunterbrechung. In einem abschließenden Plädoyer sagte Müsel: „Die Freien Wähler werden zustimmen, aber bitte nicht mehr so eine Informationspolitik.“ Eingefügt wurde ein Tagesordnungspunkt zur Grünstadter Straße, die die Gemeinde probeweise zur Anliegerstraße gemacht hat (wir berichteten). Nach der dreimonatigen Testphase hatte der Rat darüber zu entscheiden, wie weiter verfahren wird. Elke Sommerrock und Margit Rampp (beide SPD) haben 50 Unterschriften von Anwohnern gesammelt, die sich dafür aussprechen, dass die Straße Anliegerstraße bleibt. Laut einem älteren Anwohner stand dort schon einmal ein Schild, wonach die Durchfahrt verboten war. Ein Müllauto habe es jedoch abgefahren. Mit Enthaltungen der FWG wurde beschlossen, dass es bei der Anliegerstraße bleiben soll. Daniel Friederich (FWG) befürchtet, dass es zum Präzedenzfall werde. (tbss)

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