Grünstadt Ein Lob für die liebevoll frittierten Pommes

Stammgast an der Theke: der Autor.
Stammgast an der Theke: der Autor.

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die lassen sich nur schwer mit wenigen Worten erklären. Die Frage nach dem Sinn des Lebens. Wie man eine Packungsbeilage wieder richtig zusammenfaltet. Oder was ein Clubwirt eigentlich in seiner Freizeit macht. Richtig: Die Frage nach dem Privatleben eines Clubhauswirts ist eine der großen ungeklärten Fragen unserer Zeit. Allgemein bekannt ist, dass ein Clubwirt alles hat, um eine Horde aufgekratzter, junger Männer ruhig zu stellen: Pay-TV und eine gültige Schanklizenz. Doch um sein Leben außerhalb der Trainingszeiten ranken sich Mythen und Fabelgeschichten. Wann steht er auf? Isst er auch mal etwas anderes als Schnitzel mit Marlboro? Sitzt er während der Sommerpause wochenlang alleine in seinem abgedunkelten Clubhaus? Geht er überhaupt jemals schlafen? Und vor allem: Will man das alles überhaupt wissen? Die Antwort ist klar: Nein, will man nicht! Ein Clubwirt macht Clubwirtsachen. Punkt. Ab und zu erwischt man ihn dabei, wie er in seiner Wirtschaft alleine vor dem Fernseher sitzt und „Raumschiff Enterprise“ schaut. Das war es dann aber auch. Als professioneller Freizeitkicker bevorzugt man es, Dinge nicht zu hinterfragen. Alles soll möglichst seinen gewohnten Gang nehmen – ob vor, während oder nach der Saison. Die Kickschuhe sind immer in der Sporttasche, die Trainingsleibchen sind immer im nassen Ballsack, der Clubhauswirt ist immer am Zapfhahn. So war es schon immer und so soll es bitteschön auch bleiben. Es hat sich schließlich bewährt! Oder auch nicht, aber das ist egal. Fangen die Schuhe an zu gammeln, werden sie mit Panzertape geflickt. Riechen die Trainingsleibchen wie ein nasser Hund, schiebt man die Schuld auf die A-Jugendspieler. Zerfallen die Bälle in ihre Einzelteile, zuckt man mit den Schultern: Ist wohl miese Qualität vom Polenmarkt. Haben vermutlich die A-Jugendspieler angeschleppt. Doch was passiert, wenn der Clubhauswirt von heute auf morgen nicht mehr da ist? Wenn an der Tür plötzlich ein Zettel klebt mit der Aufschrift „Wir machen Urlaub bis zum 14.4.“ (Wer auch immer dieses „Wir“ sein möge). Oder, noch schlimmer, der Clubwirt auf die Idee kommt, sein Lokal zu renovieren, die Speisekarte überarbeitet und neue Sitzgarnituren bestellt? Weil er genug hat von seiner alten Rumpelkammer und in einem Anfall von Sinnkrise ein trendiges Szenelokal erschaffen möchte? Ja, Freunde der Sonne, dann wird plötzlich alles, was bis dato selbstverständlich war, über Nacht in Frage gestellt – und die liebgewonnenen Gepflogenheiten sind auf einen Schlag dahin. Und aus dem verrauchten Schuppen am Ortseingang wird im Handumdrehen ein Hipster-Treff, der irgendeine Abwandlung des Wortes „Nature“, „Health“ oder „Bio“ im Namen trägt. Die Currywurst kommt als „Saucisse de Curry“ zum dreifachen Preis daher, statt Jacky-Stiefel gibt es Berliner Weiße mit Schuss und wer die Gaststube in Fußballschuhen betritt, bekommt Ärger mit den Yuppies an Tisch drei. Deshalb mein Rat an junge Spieler: Seid euch eures Clubwirts nicht zu sicher! Ein versäumter Geburtstag hier, ein vergessenes Trinkgeld dort – und ehe man sich versieht, serviert euer Clubwirt demnächst selbst gemachtes Sushi mit Reisschnaps! Lasst eurem Clubwirt stattdessen hin und wieder mal etwas Anerkennung zukommen. Ein Lob für die liebevoll frittierten Pommes. Ein nettes Wort, weil er euch jeden Sonntagmorgen literweise Filterkaffee in den Magen schüttet. Ein Kompliment, wenn er denn tatsächlich mal beim Friseur war. Das ist alles nicht sonderlich schwer. Und wenn er vor eurem Training gerade einmal „Raumschiff Enterprise“ schaut – gönnt ihm die kurze Freude! Nötigt ihn nicht noch dazu, auf ein Testspiel des VfL Osnabrück umzuschalten. Dann werdet auch ihr an eurem Clubwirt noch lange Freude haben. Die Kolumne Unser Autor kann auf eine lange und erfolglose Karriere in den Niederungen des Amateurfußballs zurückblicken. Hier schreibt er wöchentlich über Schwalbenkönige, Kabinenrituale und Trainingsweltmeister – rein subjektiv natürlich, denn die Wahrheit liegt sowieso auf dem Platz.

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