Eisenberg Eisenberg: Schule nicht barrierefrei

Viele Barrieren überwinden muss der Kindenheimer Luca Geib, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, wenn er die BBS Eisenberg besu
Viele Barrieren überwinden muss der Kindenheimer Luca Geib, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, wenn er die BBS Eisenberg besuchen will.

Seit zehn Jahren ist es in der Bundesrepublik nach der UN-Behindertenrechtskonvention Gesetz, dass Menschen mit Handicap Regelschulen besuchen können. Doch längst ist Barrierefreiheit noch nicht überall gegeben. Das musste auch Luca Geib, der auf den Rollstuhl angewiesen ist, während seiner ganzen Schullaufbahn immer wieder erfahren. Gerade wieder, als er sich mit einem guten Sekundarabschluss I in der Tasche für das Eisenberger Wirtschaftsgymnasium entschied.

Seine Wahl für die Oberstufe an der Berufsbildenden Schule Donnersbergkreis, an der ihn das Informatikangebot interessiert, hat die Verantwortlichen vor große Herausforderungen gestellt. Denn der Gebäudekomplex mit den vielen Treppen in der Martin-Luther-Straße ist nicht darauf eingerichtet, einen Rollstuhlfahrer aufzunehmen. Für Direktor Matthias Frietsch war es dennoch keine Frage, dem jungen Kindenheimer, der an der unheilbaren Muskeldystrophie Duchenne leidet, Unterricht erteilen zu wollen. Er sieht den Träger, der ihm zunächst davon abriet, den Schüler zu nehmen, in der Pflicht, die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen. „Seit Januar wusste die Kreisverwaltung, dass Luca im Sommer kommt“, erzählt er. Doch einen Aufzug gibt es bis heute nicht, auch keinen Treppenlifter. Lediglich eine Behindertentoilette wurde geschaffen – auf den letzten Drücker: Am ersten Schultag sind die Restarbeiten erledigt worden. Die Sanitäranlage mit Abluft über ein Fenster ist für 10.000 Euro im Werkstattgebäude der BBS eingerichtet worden. „Der Standort wurde im Einvernehmen mit der Schulleitung in Kombination mit einem Umkleideraum festgelegt“, erläutert Kreissprecherin Gundula Nakfour.

"Er kann sich nur im Anbau aufhalten"

Die Werkstatt ist auch der einzig mögliche barrierefreie Zugang für Luca. Dass er die BBS quasi durch den Hintereingang betreten muss, findet der heute 16-Jährige „beschissen“. Für Frietsch ist das menschenunwürdig. Die Mutter des Jugendlichen, Anja Geib, betont: „Er kann sich nur im Anbau aufhalten, das heißt, die Fachsäle und die Aula bleiben ihm versperrt. Mein Sohn kommt nicht mal zum Kiosk.“ Nakfour stellt klar: „Es handelt sich nicht um einen Hintereingang, sondern um den kürzesten Weg vom Behindertenparkplatz zur Schule.“ Luca werde dort umfassend unterrichtet. Wie das? Direktor Frietsch erklärt: „Wir haben den Klassensaal in den Anbau verlegt.“ Anja Geib erinnert sich, dass bei einer Ortsbesichtigung mit Vertretern des Kreises im Januar ein Plattformlift (Treppenlift mit einer Ebene, auf der ein Rollstuhl Platz hat) zugesagt worden sei. Frietsch bestätigt: „Ja, das war damals geplant. Dann wurde ein Angebot eingeholt, das vermutlich zu teuer war.“ Die Kreisverwaltung will einen „etwaigen Termin“ im Januar nicht kommentieren. „Landrat Rainer Guth war mit der Bauabteilung am 13. April an der BBS. Ein Treppenlift wurde dabei definitiv nicht zugesagt“, erläutert Nakfour.

Kosten zwischen 300.000 und 400.000 Euro

Aber: Der jetzige Zustand sei nur ein „temporärer Kompromiss“. Die BBS solle im nächsten Jahr vollständig barrierefrei umgestaltet werden. „Vorgesehen sind unter anderem ein Fahrstuhl im Hauptgebäude, Treppenliftanlagen im Eingangsbereich, Rampen sowie eine weitere Behindertentoilette im Haupthaus“, sagt Nakfour. Die Gesamtkosten für das Projekt, das viel Planung bedürfe, lägen wohl zwischen 300.000 bis 400.000 Euro. Diese Mittel würden im Etat 2019 eingestellt. „Vorbehaltlich der Genehmigung des Haushalts durch die Aufsichtsbehörde erfolgt dann die Umsetzung“, so die Pressesprecherin. Weshalb nicht längst alle Schulen in Kreisträgerschaft barrierefrei sind, erklärt Nakfour mit der angespannten finanziellen Lage, aus der sich ein Investitionsstau in kreiseigenen Schulhäusern von 15 Millionen Euro entwickelt habe. Rechtlich sei es so, dass nach der Landesbauordnung nur Neubauten behindertengerecht zu sein haben. Bestehende Gebäude betreffe die Forderung nur, wenn wesentlich in die Rohbausubstanz eingegriffen werde oder Nutzungsänderungen anstünden. Im Speziellen, so räumt Nakfour auf Nachfrage ein, seien Investitionen an der BBS Eisenberg nach hinten verschoben worden aufgrund eines lange währenden Rechtsstreits mit einem einst für den Schulträger tätigen Architekten. Da aber inzwischen fast alle Schulen mit Aufzügen ausgestattet wurden und die juristische Auseinandersetzung „ohne erkennbaren Ausgangstermin in die Verlängerung geht“, sei entschieden worden, den Fahrstuhl ins Eisenberger BBS-Gebäude „bald möglichst“ einzubauen.

x