Frankenthal „Unsere Musik ist erwachsen geworden“

Eine der wenigen Bands, die in den letzen Jahren international den Durchbruch geschafft haben, sind The National aus dem New Yorker Stadtteil Brooklyn. Ihre nachdenklich-melancholische Musik trifft offenbar den Nerv der Zeit. Am Sonntag, 1. Juni, wird das Quintett in Mannheim zum Abschluss des Maifeld-Derbys als Hauptband spielen. Ein Gespräch mit Aaron Dessner, dem Keyboarder, Gitarristen und Hauptkomponisten der Band.

Eure Musik wird gerne als dunkel und mysteriös beschrieben. Aus welchen musikalischen Lagern kommt Ihr?

Ich bin mit den klassischen amerikanischen Songwritern wie Bob Dylan oder den kanadischen wie Neil Young und Leonard Cohen aufgewachsen, dazu kommen noch die ganzen Classic-Rockbands. Die haben auf mich einen Haupteinfluss ausgeübt, und dann habe ich auch noch Jazz gespielt. Zu High-School-Zeiten stand ich auf Bands wie Pixies, Nirvana oder The Smiths. Deshalb kommt diese Mixtur aus klassischem amerikanischem Songwriting mit etwas Post-Punk und New Wave-Material wie Joy Division und New Order zustande. Gibt es bei Euch einen Hauptsongschreiber oder arbeitet Ihr immer zusammen? Wir erarbeiten die Musik zusammen als Kollektiv, obwohl ich das meiste schreibe. Matt Berninger, unser Sänger, macht die meisten Texte. Wo bekommst Du Deine Ideen für neue Lieder her? Machst Du Dir das ganze Jahr über Notizen oder legt Ihr einfach im Studio los? Ideen habe ich in den verschiedensten Situationen jedes Mal, wenn ich irgendwelche Instrumente spiele. Ich nehme sie für mich auf und entwickele sie weiter wie jeder Komponist, der eine simple Idee auswalzt. Mein Bruder Bryce und ich spielen viel Klassik zusammen, daher kommen auch aus dieser Richtung Anregungen. Wie kommen die Texte von Matt zustande? Ist er ein Kommentator, ein Beobachter, jemand, der Ereignisse aus seinem Leben erzählt? Ich würde sagen, er sammelt Fragmente aus echten oder fiktiven Unterhaltungen wie in Filmen oder Büchern, und er baut Collagen daraus. Er erzählt eigentlich keine Geschichten. Er ist mehr so etwas wie ein Impressionist. Er webt kleine Vignetten zusammen, die man unterschiedlich interpretieren kann. Ist die getragene Musik, die Ihr heute spielt, eine Frage des Alters, der Reife oder etwa der Resignation? Ich glaube, unsere Musik ist erwachsen geworden. Wir sind jetzt zu dem Punkt gereift, wo wir mit unseren Ideen und Arrangements zufrieden sein können. Wir machen nur Songs, die uns selbst ansprechen. So sorgen wir uns nicht um das Radio, fragen nicht, ob wir trendig sind. Es gibt bei uns ein Vertrauen in die Reife der Musik. Ihr habt einmal Eure Popularität ausgenutzt und den US-Präsidenten Barak Obama aktiv unterstützt. Seid Ihr jetzt desillusioniert, wenn Ihr auf seine armseligen politischen Resultate schaut? Wir sind keine politische Band, aber wir haben als Gruppe versucht, unsere Position zu benutzen, um etwas Gutes zu bewirken. Ich denke, Politik ist generell desillusionierend, obwohl Obama eine Million Mal besser ist als Mitt Romney. Es ist aber ganz klar frustrierend, wie klein die Fortschritte hier sind. Das ist die Art, wie das amerikanische System funktioniert: Niemand kann etwas machen. Wir kriegen nichts hin und niemand anderes auch nicht (lacht). Es ist eine zähe Angelegenheit. Gibt es in den letzten Dekaden überhaupt etwas, was in den USA besser geworden ist? Es gibt schon ein paar positive Veränderungen wie zum Beispiel die Schwulen- und Lesben-Ehe und Fortschritte bei den Schwulenrechten. Obwohl die allgemeine Gesundheitsversorgung in den USA insgesamt ein Schwindel ist, gibt es jetzt wenigstens eine Krankenversicherung für Millionen Menschen, die vorher keine hatten. Und dass wir derzeit einen Präsidenten haben, der sich um unterprivilegierte Menschen kümmert, ist schon etwas Besonderes. Zurück zu Eurer Musik: Was können die Fans bei Eurem Konzert in Mannheim erleben? Da ich die Set-List mache, kann ich sagen, dass ich sie wieder etwas variieren werde. Fünf bis sieben Lieder sind immer anders. Wenn man in der ganzen Karriere so viele Lieder wie wir hat, wollen die Fans auch immer viele alte hören. Wir werden wieder eine Bläser-Sektion dabei haben, und da es ein Outdoor-Festival ist, werden wir uns noch eine besondere Lightshow einfallen lassen. Was kannst Du über St. Vincent erzählen, Euer Support-Act auf der Deutschland-Tournee, der auch in Mannheim vor Euch spielt? Annie Clark ist eine gute Freundin von uns, die auch auf dem aktuellen Album singt. Sie wird deshalb auch zu uns auf die Bühne kommen. Sie ist eine unglaublich gute Gitarristin und Songwriterin und obendrein eine wundervolle Person. Deshalb ist sie als Vorband auch ziemlich aufregend. Das letzte Album „Trouble Will Find Me“ kam 2013 heraus. Plant Ihr in der nächsten Zeit, wieder eine neue Platte veröffentlichen? Das glaube ich nicht. Das wird vielleicht noch einige Jahre dauern. Wir könnten auch einmal eine Pause gebrauchen. Wir haben aber einen Film herausgebracht: „Mistaken For Strangers“ heißt er, der über Matts jüngeren Bruder Tom geht, der die lächerliche Version von Matt darstellt. Während der „High Violet“-Tour war er der Assistent unseres Managers. Er verrichtet einen schrecklichen Job. Er wird gefeuert, hat aber währenddessen alles Mögliche gefilmt. Ist der Film so lustig wie einst die Rockumentary „Spinal Tap“? Zumindest ziemlich komisch. Es ist ein Film über die Beziehung von Tom zu seinem Bruder, der ein Rockstar ist, und über die Band. Ich würde sagen, nicht brüllend komisch, aber schon ziemlich komisch.

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