Frankenthal Provozierendes Spiel mit Schlagzeilen

Was passiert, wenn man Meldungen willkürlich einander gegenüberstellt? Das ist eine Frage, mit der sich der Grundkurs Darstellen
Was passiert, wenn man Meldungen willkürlich einander gegenüberstellt? Das ist eine Frage, mit der sich der Grundkurs Darstellendes Spiel in seiner Inszenierung auseinandersetzt.

Auf Meldungen und Schlagzeilen der Tagespresse basiert das Theaterstück, das 25 Schüler der Integrierten Gesamtschule Robert Schuman (IGS) gerade proben. Aufgeführt wird es bei einer Veranstaltung der Frankenthaler Bildungsstiftung.

Das Zeitungstheater ist eine Technik, die der brasilianische Theaterpädagoge Augusto Boal entwickelt hat. Er wollte damit soziale Probleme sichtbar machen. Dazu hat er elf Lesetechniken herausgearbeitet, erklärt Ulrike Draper, die den IGS-Grundkurs Darstellendes Spiel leitet. Eine dieser Techniken heißt „gekoppeltes Lesen“. Boal argumentiert, dass Zeitungen in ein- und derselben Ausgabe manchmal Meldungen bringen, die einander widersprechen, sich gegenseitig dementieren oder aufheben. Lese man diese Meldungen nacheinander, würden sie einen neuen Sinn ergeben. Auch die Schüler nutzen diese Lesetechnik und tragen zunächst eine Meldung zum Babymord-Prozess vor: Der mutmaßliche Täter saß zu lange in U-Haft, weil das Landgericht Frankenthal überlastet war. Der Haftbefehl muss aufgehoben werden. Direkt im Anschluss hört der Zuschauer, dass das Münchner Verwaltungsgericht klarstellt: Jedes Geschlecht darf im öffentlichen Raum auf Frauenparkplätzen parken. Geklagt hatte ein 25-jähriger Jurastudent, der sich diskriminiert fühlte. Allein die Gegenüberstellung der Meldungen reiche aus, um ein neues Licht auf die Verhältnisse zu werfen, sagt Draper. Auch das „improvisierende Lesen“ ist Bestandteil des Zeitungstheaters. Dabei werden Meldungen szenisch nachgestellt. Aus aktuellem Anlass haben sich die Schüler der IGS für das Thema „Fridays for Future“ entschieden. Der Clou: Als Demonstranten beziehen sie eine konträre Position zu derjenigen, die bei den Protesten tatsächlich eingenommen wird. Katharina Matthies (17) verliest also die Schlagzeile „Tauen jetzt die sibirischen Dauerfrostböden?“, und Zeinab Hazime (17) stürmt als Demonstrantin in die vorderste Reihe und ruft: „Menschen verursachen nur vier Prozent des Klimawandels, 96 Prozent des CO2-Ausstoßes kommen von der Natur selbst. Die Natur zerstört uns Menschen!“ Man wolle zu einem aktuellen Thema ganz bewusst eine neue Sichtweise bringen, erklärt Draper. Dass dies den Zuschauer durchaus fordere, sei ihr klar. Tatsächlich gebe es keinen Handlungsstrang. „Der Zuschauer erlebt nur einzelne Szenen, die sich um die Zeitung drehen.“ Aber das sei gewollt: „Dieses Theaterstück soll und will provozieren.“

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