Frankenthal Luther mit Herz und Intellekt

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Licht, Bild, Wort, Musik, Tanz – aus diesen Zutaten besteht Künstler Ingo Brackes Mix aus Musiktheater, Installation und Performance, der am Reformationstag, 31. Oktober, im Innen- und Außenraum der Wormser Dreifaltigkeitskirche zu erleben ist. Der Titel „Lev – Cor – Kardia – Herz“ greift das Wort Herz in Hebräisch, Lateinisch, Griechisch und Deutsch auf und soll den Bezug zu Luthers Herzmetaphern und seiner emotionalen Seite herstellen.

Eine Gegenveranstaltung zu Halloween soll der Abend nicht werden, betont Stadtpfarrer Achim Müller von der Magnusgemeinde, sondern am Reformationstag an das historische Datum und die Hintergründe erinnern. Ingo Bracke verknüpft als Regisseur die verschiedenen Ebenen. Er selbst ist für Licht, Video- und Bildprojektionen, Musik und Textzitate verantwortlich. Auch für andere Lutherstädten habe er Performances oder Installationen entwickelt, aber nicht so komplex wie in Worms, erzählt er. Die im Zweiten Weltkrieg stark zerstörte und dann wiederhergestellte barocke äußere Hülle der Dreifaltigkeitskirche, die seit 1709 am zentralen Marktplatz steht, wird in eine weiße Wort-Klang-Wolke, mit teils statischen, teils bewegten Bildern gehüllt. Den modern gestalteten Innenraum nimmt laut Ingo Bracke „eine komplett durchinszenierte Performance ein“. Links im Altarbereich steht ein weißer Kubus, darauf werden Symbole projiziert wie die Lutherrose mit ihren fünf Blütenblättern, dem roten Herzen und schwarzen Kreuz in der Mitte. Luther bezeichnete sein Siegel selbst als „Markenzeichen meiner Theologie“. Wände und Decke des Kirchenschiffs nimmt die Licht- und Videoprojektion ein. Dabei sollen, so Bracke, „live zur Musik im dynamischen Wechselspiel Licht und Bilder – etwa aus der Schöpfungsgeschichte, der Apokalypse, loderndes Fegefeuer oder funkelndes Sternenzelt – zu einer Einheit verschmelzen“. Je nach Szene ist die Musik leicht, heroisch, aggressiv, versöhnlich. Unter anderem hat der Künstler Martin Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott“ in 30 Stücke geschnitten und neu „zu einem Ritt durch die evangelische Kirchenmusikgeschichte“ zusammengesetzt. „Das Tolle ist, über die Jahrhunderte hinweg haben immer wieder Musiker die Melodie aufgegriffen, variiert, weiterentwickelt, neu besetzt“, sagt Bracke. Vom Choral bis zur sinfonischen Bearbeitung reiche das Spektrum. „Dabei habe ich auch einige Kuriositäten entdeckt“, kündigt der der 43-Jährige an. Im weiteren Verlauf wird der Klangkünstler Bernd Wegener die Raumstruktur mit Glocken, Tischtennisbällen, Metallgegenständen oder Reisigruten klanglich erkunden. Der Tänzer Michael Langeneckert wird die „emotionale Seite darstellen“, Dekanatskantorin Ellen Drolshagen auf der Orgel über „Ein feste Burg ist unser Gott“ improvisieren. Und Stadtpfarrer Achim Müller liest Luther-Texte, die insbesondere Herzpassagen beinhalten. Damit erfüllt der Abend nicht nur das Motto des Lutherdekadenjahrs 2015 „Bild und Bibel“, sondern auch den Leitgedanken der Zehnjahresvorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2015: „Am Anfang war das Wort“. Eine „große Liebeserklärung der Bibel an die geschaffene Welt“ nannte der ehemalige Ratsvorsitzender der EKD zu Beginn der Kampagne dieses Motiv. Den Katholiken Ingo Bracke, der sich selbst als gläubigen Menschen bezeichnet, fasziniert „einerseits der Sprachwissenschaftler, intellektuelle Theologe und Humanist Martin Luther, andererseits der tiefgläubige und emotionale Mensch“. Seiten, die sich in der Bibelübersetzung, die „nahe bei den Menschen ist“, aber auch in vielen Schriften offenbarten. Natürlich gebe es auch eine Dramaturgie und Botschaft des Abends, sagt der Künstler. Dabei habe derjenige, der extrem in der Kunst- und Kirchengeschichte bewandert sei, sicher einen tieferen Zugang. Dennoch könne jeder etwas mitnehmen. Hauptanliegen für ihn sei, zu „entschleunigen, sich selbst wieder zu spüren“. Und mit dem Intellekt und dem Bauchgefühl einen Zugang zu Luther zu finden. (cei) Info Musiktheater-Installation-Performance, Inszenierung Ingo Bracke, Samstag, 31. Oktober, ab 18 Uhr, Live-Performance 20.30 bis 23 Uhr, Dreifaltigkeitskirche Worms. Zutritt ist jederzeit möglich, der Eintritt ist frei.

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