Frankenthal Kalter Krieg in der U-Bahn

In seinem aktuellen Bühnenprogramm „Lieber Maxi als normal!“ nimmt Maxi Gstettenbauer die menschlichen Gewohnheiten aufs Korn. Am Freitagabend erwies sich der Comedian im Wormser Lincoln-Theater als scharfer Beobachter des Alltags. Mit mitreißender Situationskomik, fein dosierter Gesellschaftskritik und hingebungsvoll vorgetragenen Flachwitzen begeisterte er das Publikum.

Um in Maxi Gstettenbauers Gedankenwelt einzutauchen, sollte man sich als Zuschauer ein wenig Zeit geben. Die zunächst reichlich absurd anmutende Geschichte eines Rabenvogels direkt zu Beginn lässt eher Zweifel daran aufkommen, ob das wirklich witzig wird. Gstettenbauer, auch bekannt aus dem TV-Format „Night-Wash“, beobachtet einen Raben, der auf einem Stromkabel sitzt und einer Radfahrerin eine Kastanie auf den Kopf fallen lässt. Die Frau stürzt und verletzt sich schwer. Eine herannahende Straßenbahn kann erst im allerletzten Moment bremsen, und der Straßenbahnfahrer fragt: Was ist passiert? „Leute, mich hat das so abgefuckt, dass ich lügen musste, damit man mir glaubt“, echauffiert sich Gstettenbauer. Und während noch gelacht wird, weil der 30-jährige Niederbayer den Raben nachmacht, wie er versucht, mit dem Kopf die Kastanie zu öffnen, sagt der Comedian: „Ich hab’ dem Straßenbahnfahrer gesagt, die Flüchtlinge waren es.“ Nur wenig später stellt Gstettenbauer eine philosophische Frage: „Was ist Wahrheit?“ Es gebe ja Tausend Versionen davon. Doch bevor er diesen Gedanken weiterspinnt, ist der Stand-up-Comedian schon beim nächsten Thema: Stromausfall. Seine Schockstarre und das Erkennen der eigenen Abhängigkeit mündet in der verzweifelten Frage: „Hallo? Alexa?“ Dass Heidi Klum eine ganz normal aussehende Frau als Curvymodel ankündigt, so als hätte sie eine neue Dönersorte entdeckt, stört Gstettenbauer ebenso wie Obdachlose mit Sixpackmuskulatur, die in seiner Lieblingsserie „Game of Thrones“ vorkommen. „Wie soll ich Mitleid haben, wenn jemand geiler aussieht als ich?“, fragt der Comedian. Als die Stimmung im Saal immer besser wird, startet Maxi Gstettenbauer ein Gedankenspiel: Was würde ich tun, wenn ich steinreich wäre? Mit beeindruckender Mimik und Gestik vertieft er sich in die Idee, einen Schal zu kaufen, der auch drinnen im Wind wehen kann. Die Physik werde an dieser Stelle nur noch rufen: „Hey, letztlich bin auch ich Dienstleister.“ Auch von einer Pinguinreiterstaffel träumt der Niederbayer. Er sieht seine Pinguine schon am Horizont, den er natürlich auch gekauft habe, entlanglaufen und malt sich dieses Szenario in den buntesten Farben aus. Zu diesem Zeitpunkt geben sich die Zuschauer längst völlig losgelöst der unglaublichen Situationskomik hin, die Gstettenbauer mit seinem Mienenspiel auf die Bühne bringt. Spätestens jetzt begreift man auch die Raffinesse seines Programms: Maxi Gstettenbauer schafft es, die Zuschauer mit vordergründigen Blödeleien und hoher schauspielerischer Qualität bestens zu unterhalten, während er durchaus Botschaften mit Tiefgang vermittelt. Lachsalven ertönen, als der Comedian eine Mutter darstellt, die in die U-Bahn einsteigt, während ihre Tochter auf dem Bahnsteig stehen bleibt. Anstatt der Mutter zu folgen, schmeißt sich das Mädchen kurzerhand auf den Boden. Noch während Gstettenbauer als Ein-Mann-Theater das Stück aufführt, in dem Sheila den Bahnsteig in Ost und West teilt, der Kalte Krieg ausbricht und Mutter Russland die Tochter am Schlafittchen packt und in die Bahn zerrt, wechselt er bereits wieder die Perspektive und fragt: „Wann folgen wir der Horde, wann sind wir Sheila?“

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