Frankenthal Ernstes scheinbar schwer zu ertragen

Mit dem Stück „Herzkeime – zwischen den Welten zweier Frauen“ gastierte das Bewegtbildtheater aus Trier am Donnerstag in der Aula des Albert-Einstein-Gymnasiums (AEG). Im Mittelpunkt standen Gedichte der Jüdinnen Selma Meerbaum-Eisinger und Nelly Sachs.

Gitterstäbe und ein Bahnsteig ins Nirgendwo: Bewegte Bilder auf einer Leinwand in bleiernem graublau, davor agierte Schauspielerin Martina Roth, mit Trenchcoat und Koffer als eine Reisende, Entwurzelte, Gestrandete. Nur mit ihrer Stimme lässt sie die Gedichte von Selma Meerbaum-Eisinger und Nelly Sachs wirken. Lyrik als existenzieller Aufschrei. Die 18-Jährige, in einem SS-Arbeitslager verstorbene Selma Meerbaum-Eisinger hinterließ 57 Gedichte von spröder melancholischer Zartheit. Eine Auswahl davon trug Martina Roth singend vor. Wesentlich umfangreicher ist das Werk der Holocaust-Überlebenden Nelly Sachs, die 1966 als 75-Jährige den Literaturnobelpreis erhielt. Die mehrfachen Parallelen zwischen den Frauen – beide sind Opfer aufgrund ihrer jüdischen Herkunft und Leidende unter einer frühen unerfüllten Liebe – boten die Grundstruktur des szenischen Stücks. Mit dem Ausdruck ihrer Augen und Hände entwickelte die Schauspielerin die Seelen- und Empfindungswelten der beiden an der Liebe und den Zeitläufen verzweifelnden Frauen. Musikalisch begleitet wurde sie dabei von Johannes Conen, der auch für die Filmeinspielungen verantwortlich zeichnete. Sein Gitarrenspiel war keine bloße Vertonung, eher atmosphärische Unterstützung von Sprachfluss und Satzmelodie. Entwurzelung und Trostlosigkeit angesichts der eigenen Situation schimmerten immer wieder durch die Gedichte beider Lyrikerinnen. In Wort und Ton entstanden vielschichtige Bildebenen voll rätselhafter Symbolik und sprachlicher Schönheit. Mit diesem Gastspiel jungen Menschen einen besonderen Zugang zum Thema Nationalsozialismus zu verschaffen, war die Motivation der Veranstalter. Dabei zog das AEG als „Schule ohne Rassismus“ gemeinsam mit dem Förderverein für jüdisches Gedenken in Frankenthal an einem Strang, finanziell unterstützt von der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz. Im Vorfeld konnten Deutschlehrerin Gesa Ibrom (AEG) und Geschichtslehrerin Anneli Langhaus-Glatt (KG) rund 300 Mittel- und Oberstufenschüler für das Thema sensibilisieren. Dennoch: Kultur – zumal mit ernstem Thema – scheint für viele Jugendliche am Vormittag schwer zu ertragen. Im Dunkel der Aula herrschte Bahnhofsatmosphäre: Rund 75 Minuten mussten Martina Roth und Johannes Conen gegen eine anschwellende Geräuschkulisse anspielen. Das konnte auch der kurze und heftige Abschlussapplaus nicht wettmachen. Viele Zuschauer nutzten selbst während des Stücks exzessiv ihre Handys.

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