Frankenthal Erdnussbutter und stürmische Zeiten

Einen literarisch-musikalischen Abend der Sonderklasse erlebten rund 150 Zuschauer am Sonntag in der Festhalle Dirmstein. Unter dem Titel „Wie ein rollender Stein – Bob Dylan auf Deutsch“ stellten Moritz Stoepel, Christopher Herrmann und Volker Rebell berühmte Songs des Literaturnobelpreisträgers in eigenen Übertragungen vor.

„Wie ein rollender Stein“ – der Titel lässt die Sisyphus-Arbeit erahnen, die die Übertragung poetischer Sprache von einem Idiom ins andere mit sich bringt. Eins vorab: Das Künstler-Trio Stoepel/Herrmann/Rebell hat Dylans literarische Kiesgrube kräftig gebaggert, gesiebt und sortiert, um dessen Sprachbilder auf Deutsch zum Funkeln zu bringen. Mit feinem Sprachgefühl und kritischen Zwischentönen tauchten die Drei in dem zweieinhalbstündigen Konzert in Bob Dylans geistige Welt ein und arbeiteten sich akribisch durch Liedzeilen und Prosapassagen des amerikanischen Song-Poeten. Nachdichtungen und literarische Übertragungen von Klassikern wie „The Times They Are a-Changin’“ („Die Zeiten werden bald anders sein“), „Hurricane“ („Der Sturm geht heute los“) und „Knockin’ on Heaven’s Door“ („Ich klopfe an die Himmelstür“) gaben den Blick frei auf Dylans wortgewaltige Sprache und schöpferische Fantasie. „Songs von der anderen Seite“ – bevorzugt frühe Werke des jungen Dylan – hatte das Trio dabei, darunter Stücke zu aktuellen politischen, gesellschaftskritischen Themen, aber auch Liebeslieder und bittersüße Balladen. Schauspieler und Regisseur Moritz Stoepel erlag nicht der Versuchung, Dylans näselnde Artikulation zu imitieren. Stattdessen ließ er sich raunend Sprachbilder und Silbenklänge auf der Zunge zergehen, interpretierte Songtexte als Rap-artigen Sprechgesang, Spoken-Word-Performance oder mit eigenwilliger Mund-Percussion und schuf so mächtige Monologe von existenzieller Gebrochenheit. Stoepels Rezitationen hatten Hörspiel-Qualität, selbst wenn es um ironische Lebensweisheiten ging wie etwa bei „traue nie einem Bullen im Regenmantel/gehe nie ohne ein Glas Erdnussbutter aus dem Haus“ (aus: „Advice for Geraldine“). Großes Sprach-Kino waren „Die Ballade von Emmet Till“ („The Death of Emmet Till“) über ein Gewaltverbrechen des Ku-Klux-Klans, die Dylan als 22-Jähriger schrieb, und das von der Beat-Lyrik inspirierte Stück „Wenn Hunde streunen“ („When Dogs Run Free“), eine Hymne an die Freiheit, die die Natur gewährt. Auch musikalisch war das Programm überaus abwechslungsreich: Die Vertonungen orientierten sich am frühen Blues und Folkrock der 1960er- und 70er-Jahre im Stil von The Byrds und Peter Paul & Mary, einige wurden auch neu arrangiert. Mit Gitarren, Keyboard, Akkordeon, Flöte und exotischen Klanginstrumenten entstand ein frischer Sound. Ergänzt und abgerundet wurden er von Christopher Herrmanns filigranen Klassik-Elementen und freien Improvisationen auf Cello und Violine. Radiomoderator und Musiker Volker Rebell streute wohldosiert Informationen über das Phänomen Bob Dylan, zwischen Genialität und Widersprüchen, ein: Gegen die Vereinnahmung als Protest-Prophet habe sich der Schöpfer von „Blowin’ in the Wind“ (1962) stets gewehrt und sich nach einer christlich-missionarischen Phase Anfang der 1980er-Jahre wieder weltlicheren Themen zugewandt. Ein Konzert in China habe er zensieren lassen, sich in der deutsch-deutschen Wendezeit jeder Kritik enthalten und keine Probleme gehabt mit der Vereinnahmung seiner Songs für Werbung und Kommerz. Das Manuskript seines berühmtesten Songs, „Like a Rolling Stone“, wurde für zwei Millionen Dollar versteigert.

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