Frankenthal Frankenthal: Helmut-Kohl-Platz statt Rathausplatz

Am Ende ist selbst der CDU-Fraktion nicht zum Jubeln zumute. Oberbürgermeister Martin Hebich (CDU), der im Namen des Stadtvorstandes letztlich dem Votum der Christdemokraten folgt, ruft schmucklos den nächsten Tagesordnungspunkt auf. Mit 23 Ja- gegen 19-Nein-Stimmen hat der Stadtrat in seiner ersten Sitzung nach der Sommerpause nach zäher Debatte, zwei Unterbrechungen und einem Kompromissvorschlag des OB also mehrheitlich entschieden, den Rathausplatz dem vor zweieinhalb Monaten verstorbenen Altkanzler und gebürtigen Ludwigshafener Helmut Kohl zu widmen.

Kohl ein "großer Pfälzer"

Der Landtagsabgeordnete und stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Christian Baldauf hatte zu Beginn der Debatte mit einem Abriss der Biografie Kohls für den Vorstoß seiner Partei geworben. Dieser sei „ein großer Pfälzer“, „herausragender Staatsmann“ und „überzeugter Europäer“ gewesen. Baldauf strich die Verdienste um die Wiedervereinigung und die Einigung Europas heraus. Insofern sei es, so Baldauf, „selbstverständlich“, dass Kohl die Wertschätzung erfahren müsse, die ihm gebühre. „Irgendeine Straße, irgendein Platz“ würde diesem Anspruch nicht gerecht. „Uns war schnell klar, dass es im Grunde nur der Rathausplatz sein kann.“ Unterstützt wurde sein Standpunkt von FDP-Mann Günther Serfas. Er habe nicht den geringsten Zweifel, dass die Umbenennung des Rathausplatzes zugunsten Kohls auch bei einem Bürgerentscheid eine breite Mehrheit finden würde.

Umbenennung sei "heikler politischer Akt"

Die grundsätzliche Idee, den „Kanzler der Einheit“ mit der Widmung eines öffentlichen Platzes oder einer Straße zu ehren, war es nicht, die den Widerspruch der anderen Fraktionen weckte. Auch Dieter Schiffmann (SPD) würdigte Helmut Kohls Verdienste. Den Vorgang einer solchen Umbenennung nannte er aber einen „heiklen politischen Akt“, der nicht mit Hilfe aktueller Mehrheiten vollzogen werden sollte. Entscheidungen, die so zustande kämen, seien „hegemoniale Symbole“ – Ausdruck einer Vorherrschaft, die bestimmen wolle, was oder wer ehrwürdig sei. „Dieser Geist durchweht den CDU-Antrag“, sagte Schiffmann. Der Rathausplatz sei in der Stadtgeschichte nie nach einer Person, sondern mit einer Ausnahme kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als er „Platz der Freiheit“ hieß, immer nach seiner Funktion benannt gewesen. Der Sozialdemokrat argumentierte außerdem mit den Kosten, die auf Geschäfte und Privatpersonen für Adressänderungen zukämen. Er plädierte für einen „geordneten Findungsprozess“.

Rathausplatz der richtige Ort?

Dieser Forderung schloss sich auch der Grüne Gerhard Bruder an. Er erinnerte zwar an Kohls aus seiner Sicht unrühmliche Rolle in der CDU-Parteispendenaffäre Ende der 1990er-Jahre, lobte aber dessen entscheidenden Beitrag zur Vollendung der Deutschen Einheit. „Er war im richtigen Moment am richtigen Moment.“ Es sei insofern richtig, durch die Benennung eines Platzes oder einer Straße daran zu erinnern. Auch er wandte sich aber gegen den Rathausplatz und bat um Gespräche über Alternativen. FWG-Sprecherin Ingrid Hezel offenbarte, dass sie und ihre Fraktionskollegen dem CDU-Antrag „sehr reserviert“ gegenüberstünden. Das Rathaus und mit ihm der Platz davor seien Symbole der kommunalen Selbstverwaltung. Die Freien Wähler sähen überdies gerne die Frankenthaler Bürger in die Entscheidung über Kohls Ehrung einbezogen. Der Ältestenrat sei der richtige Ort, um über alles Weitere zu diskutieren. Selbst der Linke Ulrich Pender gestand Kohl zu, „Großes geleistet“ zu haben, lehnte den Rathausplatz allerdings ebenso ab.

Alternativlos

Dass sich die Christdemokraten schlussendlich nicht auf den Weg einer nochmaligen Beratung in welchem Gremium auch immer einlassen wollten, begründete Christian Baldauf: Es seien, nachdem er schon vor einigen Wochen bei den Fraktionen vorgefühlt habe, keine Alternativvorschläge gekommen. Dafür habe es genug Zeit gegeben. Dem widersprach SPD-Fraktionschefin Beate Steeg: „Das war für mich die Abfrage eines Meinungsbildes.“ Sie hätte erwartet, dass dann unter Federführung der CDU ein weiteres Besprechen stattfinde und nicht direkt ein Antrag folge. So würden das Projekt und die Person zerredet.

"Nicht das Gelbe vom Ei"

Während der nun folgenden ersten Sitzungsunterbrechung versuchte Oberbürgermeister Hebich, die Fraktionsvorsitzenden und FDP-Mann Serfas für einen Kompromissvorschlag zu gewinnen. Er hätte vorgesehen, den Rathausplatz zu teilen. Der westliche Teil unmittelbar vor dem Rathaus sollte zum Helmut-Kohl-Platz werden, der östliche Teil seinen bisherigen Namen behalten. Die Variante des OB wäre wohl von der CDU mitgetragen worden, stieß aber beim Rest des Rats auf Ablehnung. „Nicht das Gelbe vom Ei“, kommentierte der Grüne Bruder. „Das wird Kohl nicht gerecht“, sagte FWG-Frau Hezel. SPD-Sprecherin Steeg warnte vor „Schnellschüssen“: Der Linke Pender hielt eine Zerstückelung für ungeeignet.

Öffentliche Gebäude nicht geeignet

Mit dem Beharren auf einer Abstimmung erzwang CDU-Fraktionschefin Gabriele Bindert eine weitere Sitzungsunterbrechung, in der sich der Stadtvorstand, Hebich mit Bürgermeister Andreas Schwarz (SPD) und Beigeordnetem Bernd Knöppel (CDU), über sein Votum beriet. Das anschließende Fazit des Oberbürgermeisters: Auch er sehe letztlich keine Alternative zum Rathausplatz. Öffentliche Gebäude seien nicht geeignet. Plätze an der Peripherie oder solche, bei denen das Erscheinungsbild nicht passe, schieden sowieso aus. Hebich wandte sich auch gegen einen Bürgerentscheid, der „von tagespolitischen Erwägungen und Launen abhängig“ sei. „Da bleibt nicht viel zur Auswahl“, sagte der Oberbürgermeister. Insofern müsse der Rat nun entscheiden.

Entscheidung eine "sensible Angelegenheit"

Am Rande der CDU-Wahlkundgebung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Ludwigshafen gestern Nachmittag hatte Hebichs Vorgänger und Parteifreund, Bezirkstagsvorsitzender Theo Wieder, exakt davor gewarnt: „Eine solche Entscheidung ist wegen der Geschichte des Platzes eine sehr sensible Angelegenheit – auch, weil es die Anschrift des Rathauses ist. Deshalb sollte ein Beschluss im Konsens aller getroffen werden.“ Grundsätzlich halte er es für richtig, dass sich viele Städte Gedanken machten, Kohl zu würdigen: „Speziell in der Pfalz, weil das auch Identität stiftet.“

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