Donnersbergkreis Warm im Ton und mit bewundernswerter Transparenz

Virtuos und souverän: Johann Sebastian Sommer.
Virtuos und souverän: Johann Sebastian Sommer.

«Kirchheimbolanden.»Ein Violoncello-Recital – das ist nicht alltäglich. Schon etwas Besonderes im Musikgeschehen. Am Sonntag gastierte der Solist Johann Sebastian (nomen est omen) Sommer in der Protestantischen Peterskirche, Mitglied des Göttinger Symphonieorchesters und unter anderem Gründer des dortigen Kammerorchesters. „Musik für Violoncello durch die Jahrhunderte“ war seine Konzertstunde betitelt, verbunden mit einem „Parlando“ durch die Geschichte des Instruments. Leider waren die Ausführungen Sommers akustisch nicht durchgängig verständlich. Umso schöner blieb die Musik.

Entstanden ist das Violoncello (wörtlich: kleiner Bass) aus der Viola-da-braccio-Familie nach 1535 in Oberitalien. Auf Deutsch wurde es früher auch Bassgeige genannt. Zunächst nur in der Basso-Continuo- Gruppe eingesetzt, entwickelte es sich im Frühbarock allmählich zu einem vollwertigen Solo-Instrument. Einer der Wegbereiter war Domenico Gabrielli im 17. Jahrhundert, und mit zu den frühesten Kompositionen des Genres zählt die hier zum Auftakt vorgestellte „Chiacona à basso solo“ von Giuseppe Colombi aus Modena (1635-1694) – ein Stück, das von einer gewissen archaischen Strenge bestimmt ist. Sommer spielte zupackend und sonor auf seinem Instrument aus dem Jahr 1680. Glanzlicht war danach die sechssätzige Suite Nr. IV in Es-Dur von J. S. Bach, der mit seinen sechs Solo-Suiten WV 1007-1012 die erste wirklich großartige, geniale Musik für das Cello schrieb, so ideenreich sprühend wie mathematisch perfekt. Spieltechnisch hochanspruchsvoll. Virtuos und mit souveräner Überlegenheit meisterte der Künstler schwierigste Doppelgriffe und Saitenwechsel. Die immer wieder neu miteinander dialogisierende Mehrstimmigkeit, die hier ja den eigentlichen Reiz ausmacht, konturierte er mit bewundernswerter Transparenz. Warm im Tonfall und klar differenziert – auffallend waren beispielsweise zahlreiche Echowirkungen. Insgesamt ein Sack echter Perlen: die eingängig beschwingte Allemande, die in unterschiedlichen Rhythmen hüpfende Courante, die feine Melodie der Sarabande, um nur einige zu nennen. Die Wiener Klassik vernachlässigte das Cello als Solo-Instrument. Erst Jean Sibelius (1865- 1957) sollte ihm 1887 – nach mehr als einem Jahrhundert am Übergang von der Spätromantik zur Moderne – eine unverwechselbare Komposition widmen: ein liedhaftes, wehmütiges Thema mit in unterschiedlichsten Farben schimmernden Variationen. Sommer spielte gelöst und emotional eine enorme Bandbreite von Stimmungen und Tönungen aus, von dunkel samtiger Tiefe in ungeahnte (Geigen-)Höhe aufsteigend. Die angehängte Coda klang wie hingetupft im Pizzicato aus. Mit Zoltán Kodály (1882-1967) war man schließlich im 20. Jahrhundert angelangt. Zu Gehör kam aus seiner Solo-Sonate op. 8 der Kopfsatz, „Allegro maestoso ma appassionato“. Kodály entwickelte eine ureigene Tonsprache – schwerblütig, leidenschaftlich und mit unverkennbar ungarischem Akzent. Allerdings weicher als Bartók, dabei immer wieder stark rhythmisiert. Man denkt an einen auftrumpfenden Csárdás, dann schmeichelt sich wieder ein zartes Pianissimo ein, das wie klagend anschwillt. Sommers dezentes Vibrato kam in diesem Wechselbad der Gefühle – vehement bis sinnlich singend – besonders schön zum Tragen. Hauchzart, kaum noch hörbar schien der Satz auszuklingen, umso abrupter wirkte der Schlussakkord. Den langen, warmen Applaus bedankte der Cellist mit der „Vocalise-Étude en forme de Habanera“ von Maurice Ravel (1875-1937), geschrieben 1907 für Singstimme und Klavier in Sommers Cello-Bearbeitung. Ein klingendes Schmankerl.

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