Donnersbergkreis Von der Banane im Schilderwald

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KIRCHHEIMBOLANDEN. Die Kerchemer Wutz hat Konkurrenz bekommen, die Stadt einen Superlativ gewonnen: die weltgrößte Wandbanane – elf Meter lang, vier Meter hoch – von Thomas Baumgärtel, dem berühmten Kölner „Bananensprayer“, leuchtend gelb auf die Fassade des Art-Hotels Braun gesprüht. Mit diesem Markenzeichen steht die „Kleine Residenz“ in der Reihe von über 4000 Bananenkunstorten zwischen New York und Moskau.

Vor dichtem Besucherandrang präsentierte Projektmanagerin Lydia Thorn Wickert in Anwesenheit des Künstlers das Grafitto von beträchtlichem Show-Effekt, ein Video von „Kibo-Media“ dokumentierte die Entstehung. Locker erzählte Baumgärtel von enormem Spaß bei der dreitägigen Arbeit „bis mitten in die Nacht – das war ganz großes Kino.“ Er dankte dem unterstützenden Team und kam später auf die Besonderheit des Exemplars vor Ort: Durch das Spiel der Rollläden und Fenster erfahre es Veränderbarkeit und Flexibilität. Thorn Wickert bekannte ihren Stolz, den gefragten Street-Artisten im 30. Jubiläumsjahr seines Wirkens für Kibo gewonnen zu haben. Dies sei nicht möglich gewesen ohne die mutige Neuausrichtung des Hotels Braun in Richtung Kunst. „Ich möchte Martin Braun gratulieren zur Neugier und Energie, mit der er sich auf die Kunst und die Künstler einlässt!“ Standort der weltgrößten Spraybanane Baumgärtels zu sein, bedeute ein unverhofftes Geschenk für eine Kommune. Es mache die Stadt um eine Sehenswürdigkeit reicher. In ihrer Hommage an Baumgärtel griff die Laudatorin aus ungezählten Deutungsversuchen vier Ansätze für das Motiv heraus: 1. Die Banane als Kunstwerk mit freiem Zugang, außerhalb von Museen und Galerien. Botschaft: Kunst ist für alle da, ohne Schranken. 2. Die Spraybanane als Etikett, Sinnbild unserer Konsumwelt. „Es birgt schon ein Quäntchen Ironie und Selbstironie, dass Baumgärtel auf dem Schaffensweg selbst zur Marke der Banane und die Banane zur unverkennbaren Marke seiner selbst geworden ist.“ 3. Die Banane als zeitgenössischer Thesenanschlag – hier als Gesellschaftskritik in Bildformat. Baumgärtels Botschaft sei eng verbunden mit dem italienischen Humanisten Pico della Mirandola, der 1486 seine berühmte Rede „Über die Würde des Menschen“ verfasste und zur Gelehrten-Diskussion darüber einlud, um schließlich der Ketzerei bezichtigt zu werden. Und 4. sei die Spraybanane nach 30-jähriger Odyssee an der Hauswand eines großen Bananenexperten gelandet: Der Erbauer des Hotels war neun Jahre lang in Mittelamerika im Bananengeschäft tätig. Damit werde das Markenzeichen zum Symbol seiner Lebensleistung. Alles Banane? Oder etwa banal? In Baumgärtels Verkaufs-Ausstellung „Schilderwald“, eröffnet am Donnerstagabend, im ebenfalls sehr gut besuchten Kunstraum Holzmann, wird das krumme Ding immer wieder zitiert. Aufgehängt an den tragenden Balken und den Wänden des eigenwillig anregenden Raums sind ausrangierte Verkehrs- und Hinweisschilder, denen der Künstler mit Spraylack seine Botschaften auftrug. Ironisch, satirisch, politisch. Credo: „Kunst ist frei!“ Hochaktuell: die Tigerente im absoluten Halteverbot, kommentiert mit „Oh wie schön ist Panama!“ Ähnlich das ausschließlich für VWs bestimmte Parkgebotsschild mit der Klarstellung „Fake“. Oder „Fremdenhass“ als Einbahnstraße. Der ADAC wirbt mit gelben Bengeln. Und neben vielen unbehandelten Blechschildern steht Charlie Brown alias Charlie Hebdo mit spitzem Bleistift für Pressefreiheit. Unter der Colonia-Narrenkappe karikiert er das Einknicken der Kölner Karnevalisten vor Terrordrohungen. Die blutende Friedenstaube auf einem französischen Verbotsschild fordert „Peace for Paris“. Gleich daneben bleckt Einstein die legendäre Zunge – bananengelb. „Bananen“-Tim und Freund Struppi hasten mit „Life is a Running Gag“ davon. Aber: „Nichts ist, wie es scheint“. Ein Kernsatz. Mehrfach werden Herr X oder Herr Y als Sauberkeitsbeauftragte eines Geländes/ einer Firma ausgewiesen. Wie die innovative Kuratorin Thorn Wickert klarstellte, sind sämtliche Schilder rechtmäßig erworben – einzig bei TAXI, weiß auf blau, angebracht an einer Bootsanlegestelle in Venedig, konnte der Aktions-Künstler nicht widerstehen... Für einige Aufregung, so die Organisatorin weiter, sorgte am frühen Morgen ein aus Pappe gebasteltes Ortsschild am Bahnhofskreisel mit der Aufschrift: Bananenrepublik KIBO, versehen mit dem Zusatz: „Dieses Schild ist videoüberwacht.“ Thorn Wickert nannte diese Art Schildbürgerstreich eine „geniale Interaktion“ mit dem Bananenprojekt, das offenbar auf fruchtbaren Boden gefallen sei – amüsiert nahm der Sprayer den Dialogeinwurf als Erinnerungsstück mit. Zuvor thematisierte er die individuelle Wahrnehmung von Kunst, insbesondere erfahrbar, wenn man sich zwei Stunden lang auf ein Bild einlasse: Kunst stelle Erfahrungsprozesse her. „Nur ’ne Banane? Auf einmal eröffnet sich eine Welt.“ Er sei sich dabei im Klaren, dass er mit seiner Kunst polarisiere. Draußen, auf die Fassade des Bestattungsinstituts Holzmann, sprühte Baumgärtel – Schablone auf Schablone – die zweite Kibo-Banane, hier in Miniaturformat. Immer in Interaktion mit dem Publikum, das ihm interessiert folgte. Und so erzählte er, wie er vor 30 Jahren in München bei einer Nacht- und Nebelaktion im Gefängnis landete und in der Folge Strafanzeige um Strafanzeige kassierte. Heute gelte er in Galeristenkreisen eher als „Restaurantkritiker“. Und noch etwas: In Zukunft wird er seinen Bananen den „fair trade“-Stempel verpassen. Schließlich strebt nicht nur Kibo den Titel einer „Fairtrade“-Stadt an. Kurz-Info Die Ausstellung ist bis zum 27. Mai täglich von 16 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet.

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