Donnersbergkreis Nach der Sintflut
In all dem Chaos, Dreck und der Ungewissheit , wie hoch die Schäden durch die sintflutartigen Regenfälle vom Dienstag sind, waren gestern doch zwei positive Nachrichten auszumachen: Verletzte hat es keine gegeben. Und die Bereitschaft, den vom Unwetter gebeutelten Menschen zu helfen, war extrem hoch. Das gilt nicht nur für die „offiziellen“ Helfer, sondern auch für die Bevölkerung vor Ort. Zwei Beispiele, die der Rockenhausener VG-Wehrleiter Thorsten Schüdzig gestern der RHEINPFALZ erzählt hat: Als noch nicht klar gewesen ist, wie viele Gäste des Campingplatzes über Nacht eine Bleibe benötigen, war zunächst die Turnhalle in Dielkirchen als Domizil auserkoren. Spontan haben sich mehrere Dielkirchener bereit erklärt, 15 Camper – zum Teil mit kleinen Kindern – bei sich zu Hause aufzunehmen. Auch in Gerbach sind Gäste privat untergekommen. Ebenfalls hilfsbereit habe sich die Imsweilerer Firma Steida gezeigt, die spätabends Sand, Maschinen und Personal zum Befüllen von – später nicht mehr benötigten – Sandsäcken zur Verfügung gestellt hat und diese bei Bedarf per Lkw an die Einsatzorte gebracht hätte. Nur zwei von vielen Gesten, die mal wieder gezeigt haben, dass die Nordpfälzer dann, wenn’s drauf ankommt, zusammenhalten. Darüber hinaus hatte Schüdzig aber wenig Erfreuliches zu berichten. Kein Wunder – hinter ihm und rund 200 Feuerwehrleuten haben zu diesem Zeitpunkt rund 14 Stunden gelegen, die vermutlich die meisten von ihnen nicht mal ansatzweise so erlebt hatten. „Die letzten unserer Leute haben wir um 4.30 Uhr ins Bett geschickt, die ersten haben am Morgen gegen 9 Uhr schon wieder mit den Aufräumarbeiten begonnen“, berichtete Schüdzig. 14 der 25 Ortswehren aus der VG waren mit insgesamt rund 175 Personen im Einsatz. Dankbar ist der Wehrleiter auch weiteren rund 20 Feuerwehr-Kollegen aus Kirchheimbolanden, Kriegsfeld und Dannenfels für die Unterstützung. Nicht zuletzt hebt er die Leistung des Katastrophenschutzes hervor, der mit Helfern des DRK für die Unterbringung und Versorgung der Campinggäste in der Donnersberghalle gesorgt hat. Besonders betroffen waren die Orte im Ostteil der VG Rockenhausen, die bereits am Montag in Mitleidenschaft gezogen worden waren: der zu Ruppertsecken gehörende Schwarzengraben, Marienthal, der Campingplatz Gerbach – dazu weitaus stärker als am Montag die Gerbacher Ortslage. Während die VG Winnweiler verschont wurde, war ein zweiter Einsatzschwerpunkt in der VG Alsenz-Obermoschel. Hier wurde besonders Waldgrehweiler vom Unwetter heimgesucht. Nachfolgend ein Überblick. Campingplatz Gerbach: „Als der Regen zu stark wurde, mussten wir die Kinder aus dem Wohnmobil holen.“ Am Tag nach dem „Weltuntergang“ ist Tjeerd van Spijker die Erschöpfung noch deutlich ins Gesicht geschrieben. Wie weitere knapp 180 Gäste des Campingplatzes in Gerbach haben er, seine Ehefrau Debbie und deren drei Kinder im Alter von vier, acht und zehn Jahren die Nacht in der Donnersberghalle verbringen müssen. Das Wohnmobil der aus der Nähe von Groningen/Niederlanden stammenden Familie stand an einem durch den Campingplatz verlaufenden Feldweg, „der sich in einen richtigen Fluss verwandelt hat“. Gegen 20 Uhr, so van Spijker, „erreichte das Wasser unser Gefährt“. Er und seine Frau hätten zwei der Kinder, die bereits geschlafen haben, wecken müssen. Kurzfristig habe die Familie „Unterschlupf“ bei anderen Campingplatz-Gästen in einem höher gelegenen Wohnwagen finden können. Da waren der Schwimmteich und der durch den Platz führende Braunbach bereits übergelaufen und hatten zusammen mit den vom Hang herabschießenden Mengen das Wasser auf bis zu 1,60 Meter steigen lassen, Wiese und Wege haben sich in Schlammrutschen verwandelt. Unmengen von Holz – darunter ganze Stämme – sind aus dem Wald auf das Gelände befördert worden. Die Lage wurde zu gefährlich für die Besucher, darunter viele Familien mit Kindern. Christian Rossel, beim Kreis Leiter der Stabstelle Brand- und Katastrophenschutz: „Zelte sind vor den Augen der Gäste weggeschwemmt worden, der Strom ist ausgefallen, das Sanitärgebäude ist zum Teil zerstört worden.“ Gegen 21 Uhr wurde die Räumung angeordnet. Erik Steverink aus der Nähe von Enschede/Niederlanden, der mit Ehefrau, drei Kindern und Hund vor dem Regen aus seinem Wohnmobil ins Sanitätsgebäude geflüchtet war: „Wir hatten fünf Minuten Zeit, um unsere Sachen zu packen.“ Am Mittag danach sitzt der 46-Jährige in T-Shirt und kurzen Hosen in der Donnersberghalle, macht trotz allem einen gelassenen Eindruck. „Wir haben zwar Outdoor gesucht, aber so viel Outdoor dann doch nicht“, schmunzelt der Niederländer. Wie viele lobt Steverink den unermüdlichen Einsatz der Helfer: „Die Organisation ist wirklich sehr gut.“ Nur ein Detail: Damit es auf dem verwaisten Campingplatz nicht zu Diebstählen kommt, hat die Polizei diesen verstärkt überwacht. Nach und nach seien die Gäste in der Nacht von der Feuerwehr nach Rockenhausen gefahren worden, so Steverink. Und wie haben seine drei Kinder die Situation erlebt? „Am Anfang waren sie ziemlich aufgeregt, aber dann hat es ihnen Spaß gemacht. Für sie ist das alles wie ein Abenteuer.“ Für das – den Umständen entsprechende – Wohlbefinden sorgen an die 60 Helfer des Katastrophenschutzes, fast ausnahmslos DRK-Mitarbeiter. Unterstützung haben die Donnersberger aus dem Kreis Alzey-Worms bekommen. Dutzende Feldbetten, Matratzen und Tische sind eilig aufgestellt, Getränke und Speisen bereitgestellt, Frühstück und Mittagessen organisiert worden. Für die zahlreichen Kinder und Jugendlichen hat man Brettspiele, Malsachen und kleine Kuschelteddybären zur Verfügung gestellt. Am Nachmittag organisiert der BBC Fastbreakers spontan ein Basketball-Angebot in der Schulturnhalle. „Hier gibt es fast mehr Animationsangebote als auf dem Campingplatz“, sagt Steverink lachend. Und wie geht’s für die Familie weiter? „Sobald wir können, fahren wir nach Luxemburg.“ Weil ihr Wohnmobil auf einem etwas höher gelegenen Teil des Platzes stand, sei es unbeschädigt. Nicht alle hatten so viel Glück: Zum Teil sind Wohnwagen durch die Wassermassen aufeinandergeschoben worden. Andere sind regelrecht im Wasser und Schlamm versunken. Gestern haben Firmen mit schweren Maschinen begonnen, die Wege frei zu bekommen und den allgegenwärtigen Schlamm zu entfernen. Auch an der Stromversorgung wurde gearbeitet. Doch so viel scheint nach einem Treffen des Besitzers mit VG- und Kreisvertretern klar: „Der Campingplatz wird in dieser Saison wohl keine neuen Gäste mehr aufnehmen“, so VG-Beigeordneter Klaus Gebhardt in Vertretung von Bürgermeister Michael Cullmann, der in Urlaub ist. Zu groß seien die Schäden, die erst nach und nach behoben werden können. Zudem müsse das ganze Holz entfernt werden, so Gebhardt, der hier auch den Forst in der Pflicht sieht. Er weist auf das Angebot des Betreibers hin, dass betroffene Camper – obwohl der Platz offiziell nicht wieder öffnet – vorerst im oberen, weniger beschädigten Bereich bleiben können. Gestern Nachmittag ist laut Katastrophenschutzleiter Rossel mit dem Rücktransport der ersten Camper von der Donnersberghalle nach Gerbach begonnen worden. Viele sind – soweit möglich – abgereist. Wer dies nicht konnte oder wollte, für den stand gestern Abend ein weiteres Mal die Donnersberghalle zur Verfügung: „Wir wissen nicht, ob jemand das annimmt. Aber wir halten das Angebot noch eine weitere Nacht nach aufrecht“, sagte Rossel am Nachmittag. Gerbach: „Das ist eine Katastrophe. Ab der Appeltalhalle abwärts bis zur Mündung des Braunbachs in den Appelbach sind bestimmt 25 Häuser betroffen.“ Ortsbürgermeister Klaus Hofmann war fassungslos ob des Ausmaßes der Zerstörung. Wehrleiter Schüdzig zufolge war in Gerbach weniger der Regen selbst, als vielmehr das von oben aus Richtung Campingplatz herunterschießende Wasser das Problem. Und das Fass im doppelten Wortsinn zum Überlaufen gebracht hat die Baustelle in der Ortsdurchfahrt: Den Teil der Schulstraße, der bislang nur geschottert war, hat’s fast komplett weggerissen. „Da klaffte auf einmal ein Loch von rund 80 Zentimetern“, so Schüdzig. Die Mischung aus Wasser, Schlamm und Geröll hat sich den Weg nach unten in den Ort gebahnt und dort in den Kellern, teils auch in den Wohngeschossen verteilt. „Die Höhe der Schäden ist noch nicht abzusehen“, so Hofmann, der auf Unterstützung von übergeordneten Stellen hofft. „Irgendwie muss den Menschen geholfen werden. Die ersten Gespräche sind auch schon geführt worden.“ Apropos Hilfe: Gestern war laut Hofmann „der ganze Ort“ auf den Beinen, um die Feuerwehr bei der Arbeit zu unterstützen. „Die Leute haben mit angepackt, die Möbel und den ganzen Unrat vor die Häuser zu schaffen – das war große Klasse.“ Er selbst hat bei der Firma Becker Container geordert, damit der Müll möglichst schnell entsorgt werden kann. Ein Lob zollte Hofmann auch der Firma Jung, die ihren Betriebsurlaub unterbrochen habe, um die Schäden an der Ortsdurchfahrt wenigstens notdürftig zu beheben, „damit die Anlieger wieder an ihre Häuser kommen“. Glück im Unglück: Unter großem Einsatz ist es gelungen, die Appeltalhalle weitgehend freizuhalten vom Wasser, das auf dem Außengelände bis zu 75 Zentimeter hoch gestanden hat. Marienthal: „Was mir die Anwohner erzählt haben, so waren das schon hochdramatische Szenen. Leute, die seit Jahrzehnten hier leben, haben gesagt, so etwas hätten sie noch nicht erlebt“, berichtete der Rockenhausener Stadtbürgermeister Karl-Heinz Seebald gestern nach einem Besuch des Ortsteils. Neben dem aus Richtung Bastenhaus kommenden Königsbach, der wie schon am Montag im Bereich der Straße „Am Donnersberg“ für Überflutungen sorgte, hat vor allem der im Bereich der Amtsstraße verrohrte „Kändelgraben“ große Probleme verursacht. „Der Durchlass, der viele Jahre lang ausgereicht hat, war diesen Massen nicht gewachsen. Das Wasser ist regelrecht herausgeschossen“, so Seebald. Anwohner hätten von einer Flutwelle berichtet, die sich dann auch den Weg in die Ortsdurchfahrt gebahnt und dort den Verkehr zum Erliegen gebracht hat. „Ein Anwohner hat einen Gartenzaun von 1,20 Meter Höhe, der habe komplett unter Wasser gestanden.“ Der Spielplatz in der Burgwaldstraße, „den wir einst mit viel Arbeit und Geld hergerichtet haben, ist praktisch weggeschwemmt“, so Seebald. Das Wasser habe Zäune mitgerissen, Türen eingedrückt, Keller und Erdgeschosse überflutet – auch hier ist die Schadenshöhe noch nicht absehbar. Schwarzengraben: Das gilt nicht minder für die gebeutelten Bewohner der zu Ruppertsecken gehörenden Wohnsiedlung. Wie am Montag hat vom Hang herabschießendes Wasser in Verbindung mit dem dort verlaufenden Bach die unteren Geschosse überflutet. Erschwerend kam hinzu, dass der Schlamm vom Vortag gerade auf die Seite geschafft worden war – und direkt wieder in die Häuser gespült wurde. „Hier waren die Wassermassen nicht mehr zu beeinflussen. Wir konnten den Menschen nur noch helfen, ihre Sachen aus dem Erdgeschoss in den ersten Stock zu bringen“, so Wehrleiter Schüdzig. Schäden in noch nicht zu bezifferndem Ausmaß sind auch hier die Folge. Moscheltal: Auch die alteingesessenen „Moscheltaler“ waren sich einig – so etwas hatten sie schon seit vielen Jahren nicht mehr erlebt. Binnen weniger Minuten ergossen sich so heftige Regenfälle über dem mittleren Moscheltal, dass die Kanalisation die Wassermassen nicht mehr aufnehmen konnte und sich dieses auf die Straßen zurückstaute. In kurzer Zeit verwandelten sich Ransen- und Moschelbach in reißende Sturzbäche, mit großen Mengen Treibgut im Gepäck. Besonders Waldgrehweiler hatte es erwischt: Das Wasser schoss aus allen Richtungen in die Ortsmitte. An der noch frischen Abrissstelle „Am Judeneck“ hat das Wasser Balken, Füllmaterial und Sand mitgenommen, vorbei an der Bushaltestelle Richtung „Insel“, wo die beiden Bäche aufeinandertreffen. Hier liefen einige Keller und ehemalige landwirtschaftliche Nebengebäude voll. Auf Nachbarschaftshilfe angewiesen waren zwei Betroffene, die gerade im Urlaub waren. An einem Gebäude hat sich das Mauerwerk gesetzt, in der Ortsdurchfahrt hat das Wasser 75 Zentimeter hoch gestanden. Das Wasser kam so schnell, dass die Anwohner nicht einmal Zeit hatten, Sandsäcke zu platzieren und Vorkehrungen zu treffen. Auch in Ransweiler und Finkenbach-Gersweiler musste die Feuerwehr Anwohnern Hilfe leisten. Die L 379 war zwischen Waldgrehweiler und Schiersfeld mehrere Stunden voll gesperrt. In Niedermoschel, wo die Moschel ebenfalls massiv über die Ufer getreten war, drohte ein Auto von den Fluten mitgerissen zu werden. Kurz bevor es die Feuerwehr abschleppte, konnte es aber umgeparkt werden. Sonstiges: Im Appeltal waren die Ortswehren auch jenseits von Gerbach im Dauereinsatz. So glich die Niederhausener Ortsmitte am Dorfgemeinschaftshaus einer Seenlandschaft. Die Stützpunktwehren Alsenz und Obermoschel hatten bis in die frühen Morgenstunden alle Hände voll zu tun, um die Ortswehren personell und mit Pumpen zu unterstützen. Im Bereich der VG Rockenhausen hat’s weitere Einsätze in Sankt Alban und bei der Untermühle gegeben, in Bisterschied hieß es ebenfalls zeitweise „Land unter“, auch hier mussten Keller ausgepumpt werden. Gleichfalls Schwerstarbeit hatte die Straßenmeisterei zu leisten: Mehrere Straßen waren vorübergehend voll gesperrt, so die L 386 zwischen Bastenhaus und Marienthal wegen eines Erdrutsches. Gestern Morgen hieß es dann zwar überall im Westkreis wieder freie Fahrt. Doch die Folgen – etwa das Herrichten der zahlreichen beschädigten Bankette – wird die Straßenmeisterei-Mitarbeiter noch Wochen beschäftigen. Da geht es ihnen nicht anders wie vielen Westkreis-Bewohnern ... (kra/cnp/tnt)