Donnersbergkreis Mehr als nur der Einband

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ALSENZ. Wo sonst kommunale Entscheidungen im Obergeschoss gefasst werden, präsentierte die diesjährige Ausstellung zur Kerwe kunstvoll gestaltete Buchdecken – also den Buchblock schützende Einbände – in großer Vielfalt und aus mehreren Ländern. Zusammengetragen wurde die Sammlung vom Ehepaar Sonja und Reinhard Müller.

Erfreut zeigte sich Ortsbürgermeister Klaus Zepp über das große Interesse aus der Bevölkerung bereits bei der Eröffnung der Ausstellung im Alten Rathaus. Sein Dank galt neben den Ausstellern und den Organisatoren auch dem Historischen Verein der Nordpfalz, der diese Präsentation ermöglicht hat – und zugleich drei neue namhafte Personen in seine Nordpfalzgalerie aufnahm. Es sei beachtlich, was hier an unschätzbaren Werten zusammengetragen wurde, lobte VG-Bürgermeister Arno Mohr und würdigte insbesondere den Historischen Verein um dessen ersten Vorsitzenden Eugen Zepp, der das kulturelle Leben in Alsenz belebe und für gesellschaftliche Begegnungen sorge. Was aus einer Buchdecke so alles gestaltet werden kann, beeindruckte auch den Kreisbeigeordneten Michael Ruther, der den Landkreis vertrat. Es sei nicht nur für Alsenz und die VG, sondern für den Donnersbergkreis eine Bereicherung. Besonders lobte er die allgemeinverständlichen Erläuterungen. Kai Müller, Sohn der beiden Organisatoren, erläuterte die familiäre Sammlung, die nun zu dieser Ausstellung geführt habe. Vor 30 Jahren habe sein Vater Reinhold eher durch Zufall mit der Sammlung solcher Buchdecken begonnen und daraus wurde eine umfangreiche und vielsagende Sammlung. Nur ein Teil davon konnte präsentiert werden, die Ausstellung zeige indes einen informativen Querschnitt. Unterschiedlich seien die Maltechniken, die verwendeten Materialien und die Handhabung in den verschiedenen Völker gemäß der jeweiligen Kultur. Teilweise waren die Werke in einem schlechten Zustand und wurden vom Ehepaar Müller in ihrem Atelier wieder restauriert. Im zweitältesten Fachwerkhaus der Pfalz, dem 1578 erbauten Rathaus, erinnerte Eugen Zepp an vier Jahrzehnte Ausstellungen zur Kerwe. Es sei wichtig, solche Exponate einer breiten Bevölkerungsschicht zu präsentieren. Buchdecken aus vier Kontinenten bei einer Ausstellung – das sei eine Besonderheit, so Zepp. Die Künstler haben die vorderen Seiten der Einbände kunstvoll mit Öl-, Tempera-, Aquarell- oder Acrylfarben bemalt beziehungsweise mit Tusche oder Wachs behandelt. Stolz präsentierte der Vereinsvorsitzende auch die Neuerwerbungen für das Museum. Gerätschaften aus dem häuslichen und bäuerlichen sowie dem handwerklichen Umfeld konnten für die Ausstellung gewonnen werden. Dazu gehören – neben einer Dezimalwaage – sechs Bleikugeln, entdeckt im Fachwerkgebälk des historischen Rathauses. Sie könnten aus einer großen Kanone während der schweren kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den französischen Revolutionstruppen und den kaiserlichen wie preußischen Truppen stammen, als im Jahr 1794 im Kampf um Alsenz viele Häuser zerstört wurden. Neu in der Ausstellung ist auch ein Protokollbuch des Alsenzer Pferdeversicherungsvereins, dessen Eintragungen im Jahr 1898 begannen. In die Galerie des historischen Rathauses wurden drei weitere nordpfälzische Persönlichkeiten aufgenommen. Über 70 Personen sind dort bereits vertreten, angefangen bei Hildegard von Bingen über Franz von Sickingen bis hin zum Schinderhannes. Nun wurde die Galerie ergänzt um den Landwirt und Ökonomierat Hermann Kuntz, der auch als Zeichner und Illustrator in Erinnerung geblieben ist, die Lyrikerin Emmy Limbacher-Bohley und den Schriftsteller Hermann Lorch. Bei seiner ersten Besichtigung des Hauses entdeckte Hans Lichtenberger aus Lachen-Speyerdorf in der Galerie seinen Vater. Er selbst ist in Dielkirchen aufgewachsen und 1957 in den Polizeidienst eingetreten. Danach war er nur noch sporadisch Gast in der Nordpfalz. Sein Vater Walter Ritter von Lichtenberger kam im September 1891 in Speyer zur Welt und war neben Gutsbesitzer in Dielkirchen auch ein „stolzer Offizier“, wie er von seinem Sohn bezeichnet wird. 1979 ist er in der Nordpfalz gestorben. Die ritterliche Bezeichnung durfte er aufgrund einer bayrischen Verordnung tragen, die aber nicht auf die Nachkommen übergeht. | llw

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