Donnersbergkreis Im Alter dem Leben Wert geben

Das evangelische Diakoniewerk zwar mit Sitz in Rockenhausen lädt Interessierte am morgigen Donnerstag von 9 bis 16 Uhr zu einem Symposium mit dem Thema „Leben lebenswert gestalten – trotz Alter und Beeinträchtigung“. Einer der Vortragsredner an diesem Tag ist der Leiter der Geriatrie am Westpfalz-Klinikum in Rockenhausen, Dr. Peter Styp-Rekowsky. Jutta Glaser-Heuser sprach mit ihm über das Thema des Symposiums.

Was kann die Geriatrie dazu beitragen, dass das Leben auch im Alter als lebenswert empfunden wird?

Die Geriatrie befasst sich im Unterschied zu anderen medizinischen Fachrichtungen nicht in erster Linie mit den Krankheiten eines Organsystems, sondern mit einem Lebensabschnitt, dem Alter. Es werden andere Fragen gestellt. Wie zum Beispiel: Wie sieht die Alltagstauglichkeit aus? Kann der alte Mensch noch die Treppen steigen, um ins Schlafzimmer zu kommen? Kann er noch telefonieren, schafft er noch den Weg zum Geschäft, kann er noch Geld vom Geldautomaten abheben? Denn, das vorrangige Ziel der Geriatrie ist es, nach Krankheit eine Rückkehr ins vertraute häusliche Milieu zu ermöglichen. Deshalb bedient man sich in der Geriatrie sogenannter „Assessments“, also allgemeiner Einschätzungen. Hierbei werden alle Dimensionen des Alters beleuchtet, die Alltagsfähigkeit, die kognitiven Fähigkeiten, der psychische Zustand, die sozialen Rahmenbedingungen. Im Vordergrund steht die Aktivierung und Mobilisierung des Patienten, der auch nach Krankheit wieder sein bisheriges Leben fortsetzen soll. Durch die Aktivierung von Ressourcen gelingt es oft, verlorengeglaubte Fähigkeiten wiederzugewinnen und Selbstvertrauen und Zuversicht aufzubauen. Woran leiden alte Menschen am häufigsten? In der Regel ist das Älterwerden dadurch gekennzeichnet, dass alle Organsysteme abhängig von Genetik, Vorerkrankungen und Lebensführung „nachlassen“. Daher ist der alte Mensch und insbesondere der alte Patient gekennzeichnet durch eine sogenannte Multimorbidität, das gleichzeitige Vorhandensein mehrerer Erkrankungen. Die wichtigsten Funktionen zum Erhalt einer selbstständigen Lebensführung sind allerdings das Gehvermögen und die Beweglichkeit der Arme. Allein der Verlust der Mobilität hat gravierende Folgen bezüglich der sozialen Teilhabe und ist oft Ursache für einen depressiven Rückzug mit resultierendem geistigen Abbau. Die Gesellschaft altert drastisch. Wie können wir uns darauf einstellen? Die Politik ist da zunächst in der Verantwortung. Sie hat auch schon darauf geantwortet, beispielsweise mit der Installation der Pflegeversicherung. Ich sehe auch deutlich, dass sich der Markt darauf einstellt, immer mehr mit alten Kunden zu tun zu haben. Hier besteht allerdings noch enormer Nachholbedarf. Die Politik sollte meines Erachtens auch über die Förderung alternativer Wohnformen wie Senioren-WGs oder Mehrgenerationenhäuser verstärkt nachdenken. Die jetzige Generation der Alten ist eher noch fatalistisch geprägt: Sie akzeptieren die Gegebenheiten. Die 68er, die jetzt ins Seniorenalter kommen, haben eher den Anspruch, ihr Alter aktiv zu gestalten und sind auch experimentierfreudiger. Es fehlt auch allenthalben an altersgerechten Freizeitangeboten für Alte. Hier sehe ich sowohl die Sozialeinrichtungen wie auch die Kirchen, aber auch engagierte Bürger in der Pflicht, etwas auf die Beine zu stellen. Zum Beispiel Chöre, Orchester, Tanz, Literatur, Spiele aufzubauen und zu pflegen, weil gerade die musisch-kulturelle Beschäftigung eine Quelle der Lebensfreude ist und erheblich zur Lebensqualität beiträgt. Welche Tipps geben Sie alten Menschen, damit sie ihren Lebensabend genießen können? Bewegung ist ganz wichtig. Ohne Bewegung steht alles still. Sie ist das beste Schmerzmittel und das beste Antidepressivum. Ohne Bewegung werden wir abhängig, träge, isoliert und depressiv. Außerdem brauchen wir eine erfüllende Beschäftigung und Kontaktpflege zu anderen Menschen. Man darf sich auch ruhig etwas trauen als alter Mensch. Was hat man zu verlieren? Man kann nur gewinnen. „Bleiben Sie neugierig und aufgeschlossen“, ist einer meiner Tipps für alte Menschen. Und welche Tipps haben Sie für die Angehörigen parat? Bevormunden Sie die alten Menschen nicht aus Angst, dass ihnen etwas zustoßen könnte. Auch der alte Mensch will seine Freiheit haben. Reden Sie mit den Alten über alte Zeiten, denn die Vergangenheit ist lang und die Zukunft kurz. Opfern Sie sich nicht auf, wenn Sie mit der Pflege überfordert sind. Es nutzt niemandem, wenn Sie selbst krank werden. Und: Man muss im Leben lernen loszulassen.

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