Donnersbergkreis „Ich ärgere mich mordsmäßig“

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Die Sonnenschirme waren eigentlich nicht nötig, es gab weder Regen, noch musste man sich vor starker Strahlung schützen. Aber sie markierten mit einem Stehtisch zusammen in Kirchheimbolanden vor dem Hotel Braun und beim Eingang des Edekamarktes zwei Treffpunkte, an denen besorgte Ärzte aus der Region Donnersberg am Samstagvormittag den Kontakt zu Passanten suchten.

Im Mittelpunkt stand eine Sache von Gewicht: die Absicht der Kassenärztlichen Vereinigung, die Bereitschaftsdienstzentrale (BDZ) Kirchheimbolanden mit der in Alzey zusammenzulegen. Wer Genaueres über die Folgen dieser Teilschließung für die medizinische Versorgung der Bevölkerung am Donnersbergkreis wissen wollte, konnte das in einem bereitliegenden Infopapier detailliert nachlesen. Sollte das eintreffen, wird die BDZ in Kirchheimbolanden nur noch in bestimmten Zeitfenstern zuständig und erreichbar sein (wir berichteten mehrfach). Außerhalb dieser Zeiten muss man sich als Patient nach Alzey oder auch nach Meisenheim wenden. Am Samstag ging es darum, mit Betroffenen ins Gespräch zu kommen und Unterschriften zu sammeln. Mit ihrer Aktion wollten die niedergelassenen Ärzte deutlich machen, dass sie das Vorhaben der KV „für einen vor Ort falschen Beschluss“ halten. „Seit 23 Jahren arbeiten wir hier solide und erfolgreich. Ich mag in Zukunft gar nicht an die vielen alten Menschen denken, die nicht mehr mobil sind. Und die dann vielleicht auch noch bei den ,falschen’ Wetterverhältnissen – also zum Beispiel bei Eis und Schnee – gänzlich von der Hilfe abgeschnitten sind“, sagte Guido Jack, der Leiter der BDZ. Unterstützt wurde er von Herbert Esselborn, Arzt in Albisheim, Midheta Jakupovic, Ärztin in Kirchheimbolanden, und Bärbel Rottammer, Ärztin in Göllheim. Alle Mediziner engagieren sich seit langer Zeit in der Bereitschaftsdienstzentrale. Ihre Zustimmung zu dem Protest der Ärzte zeigten auch Hans Leverkus, der Beigeordnete der Verbandsgemeinde Kirchheimbolanden, und Landrat Winfried Werner: „Wir befürworten diese Initiative. Es geht um die Sicherheit der Menschen in unserer Region.“ Und was sagen die Betroffenen? Eine ältere Dame ist wütend: „Ich gebe meine Unterschrift, weil ich mich mordsmäßig ärgere. Warum wird alles kaputt gemacht, was funktioniert?“ Eine junge Frau erzählt, sie habe drei Kinder. „Wir haben die Zentrale schon so oft in Anspruch nehmen müssen. Für mich ist es eine Beruhigung, dass ich eine gute Anlaufstelle habe, die ich auch erreichen kann oder von der aus man mich erreicht. Bei drei Kindern gibt es oft etwas außerhalb der Sprechzeiten.“ Ähnlich äußert sich ein Herr mittleren Alters: „Ich hatte schon drei Herzinfarkte. Da können Sie sich vorstellen, dass Alzey bei meinem labilen Zustand für mich keine gute Adresse ist.“ Ein junger Mann sorgt sich um seine Großmutter aus Breunigweiler, die er schon öfter nach Kirchheimbolanden hat bringen müssen: „Für meine Oma ist das Fahren sowieso schon sehr anstrengend. Wenn der Weg jetzt noch länger wird, schafft sie das vielleicht gar nicht mehr.“ Viele monieren, dass offensichtlich Einsparungen im Vordergrund stehen. „Und das wieder mal an den falschen Stellen“, so der Tenor. Ein Familienvater glaubt, dass Hilfesuchende sich in Zukunft verstärkt und bevorzugt eher an die Ambulanz des nächsten Krankenhauses wenden werden, als weite Wege in Kauf zu nehmen: „Und ob die Ärzte dort das dann bewältigen können oder wollen, bezweifle ich.“ Sein Sohn fragt, ob ein Anrufbeantworter anspringe, wenn man die geschlossene BDZ erreichen will. Und ob der genug Platz habe, um alles zu erzählen, was man über die Öffnungszeiten wissen muss. Die Ärzte lächeln: „Gute Frage.“ Ein Ehepaar berichtet von Freunden, die lange gezögert hätten, bevor sie sich dann doch vor Kurzem ein Haus in Göllheim gekauft haben: „Überzeugt hat sie am Ende vor allen Dingen die ausgezeichnete ärztliche Versorgung. Aber die gibt es ja bald leider nicht mehr.“ Davon gehen auch die am Samstag beteiligten Ärztinnen und Ärzte aus. Sie glauben nicht daran, dass ihr Protest und die 162 Samstagsunterschriften – insgesamt sind es aus den vergangenen Wochen rund 4000 – noch etwas an dem Beschluss der KV ändern werden. Aber ohne ein deutliches Signal wollen sie die Sache nicht hinnehmen. Und der Zuspruch in der Bevölkerung gab ihnen recht. (uhi)

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