Donnersbergkreis Eine Pflanzaktion als nachhaltiger Nachklang

„Alles Filz und Fett – oder was?“ ist die Konzertvorlesung über Joseph Beuys betitelt, die am Sonntag , 19 Uhr, im Blauen Haus auf dem Weierhof ein erster Höhepunkt der Kirchheimbolander Friedenstage zu werden verspricht. Mit Norbert Willenbacher aus Kirchheimbolanden, der die Texte schrieb und den Abend moderiert, sprach Barbara Till über das nach dem erfolgreichen Bob-Dylan-Abend neue Projekt ambitionierter Kunstfreunde der Region.

Herr Willenbacher, „alles Filz und Fett“: Damit wird man dem ganzen Beuys, wie der Titel ja bereits suggeriert, natürlich nicht gerecht. Was hat Sie, den Naturwissenschafts-Professor in Karlsruhe, so an ihm gereizt, dass Sie zur Kunstvorlesung schreiten – abgesehen davon, dass Joseph Beuys zu den Mitbegründern der Grünen Partei zählte?

Bis vor ein paar Jahren kannte ich Beuys auch nur so, wie die meisten ihn zu kennen glauben. Dann hat auf einer Autofahrt der Zufall mein Interesse geweckt, ein „Wort in den Tag“ von SWR 2, wo die Beuys-Installation „Zeige deine Wunde“ Gegenstand der Betrachtung war. Ich fing also an, mich näher mit seiner Kunst und mit dem Menschen Beuys zu beschäftigen. Er ist ja zuweilen als Schamane verschrien worden, vor allem wegen seiner starken Hinwendung zur Anthroposophie Rudolf Steiners. Aber er hat auf einem langen, facettenreichen Weg ungeheuer wichtige Impulse zur Kunstentwicklung im 20. Jahrhundert gegeben, gerade auch zur Demokratisierung und öffentlichen Wirkung der Kunst. In dieser Einmaligkeit sehe ich auch Bezüge zu Bob Dylan. Beuys war politisch allerdings auch umstritten... Das stimmt, man hat ihn gelegentlich sogar als „ewigen Hitlerjungen“ verspottet. Was ihm trotz zeitweise konservativer Tendenzen immer wichtig war, war aber die Gewaltlosigkeit. Beuys zu zeigen, heißt den ganzen Menschen zu zeigen, auch in seinen Widersprüchen – und das will ich zumindest versuchen. Das Programm soll eine Mischung aus Texten, Szenen, Videoeinspielungen, aber natürlich auch Musik sein. Welche Musik passt zu Beuys? Erik Satie, klar. Für ihn hatte Beuys ein Faible, auch Satie war ja ein Vordenker mit seinen einfachen, klaren Strukturen. Bei uns soll Satie aber etwas gegen den Strich gebürstet werden, mehr will ich nicht verraten. Dann passt natürlich Rockmusik zu Beuys. „Ton Steine Scherben“ haben ja auf Grünen-Parteitagen gespielt, auf denen auch Beuys gesprochen hat. Also: Es wird bestimmt kein langweiliger Abend, den wir seit Frühsommer vorbereitet haben. Es wurde nach Beuys’ Tod gemutmaßt, seine Kunst ohne seine charismatische Präsenz würde vergessen. Sehen Sie das auch so? Nein. Natürlich fehlt die Aktion, aber seine Kunst bleibt in Museen weltweit präsent. Hier in Karlsruhe gab es im Zentrum für Kunst und Medientechnologie ZKM gerade eine Ausstellung über seine Aktionskunst, die sehr gut besucht war. In Karlsruhe werden wir das Beuys-Programm im Januar auch noch einmal im städtischen Jugendbegegnungszentrum „jubez“ aufführen. In eine Aktion à la Beuys treten, wie man hört, wollen die Veranstalter auch in Kirchheimbolanden... Ja, wir schließen an die 7000 Eichen an, die Beuys 1982 zur Documenta in Kassel pflanzen lassen hat – immer verbunden mit einer Stele. Er gab der Aktion, die er als Skulptur betrachtete, den Titel „Stadtverwaldung statt Stadtverwaltung“. Bei uns werden es allerdings nur 27 Bäume sein, die wir in Kirchheimbolanden verewigen wollen. Vielleicht finden wir die ersten Finanziers dafür schon am Sonntag. Die Standorte der Bäume hat Tatjana Fuchs von der Verwaltung für uns ausgewählt. So sollen beispielsweise Obstbäume an der Skaterbahn auf dem Schillerhain, Kastanien und Birnen an der Stadthalle und Platanen im Schlossgarten gepflanzt werden. Wie beim Beuys-Projekt, wird neben jeden Baum eine Stele gesetzt. Diese Granitstelen gibt’s, ein glücklicher Zufall, schon: Der Bauhof hat sie aus einer Konkursmasse bekommen, und sie ähneln sogar den von Beuys verwendeten Basaltstelen. Der Stelenhaufen soll in den nächsten Tagen an der Stadthalle abgekippt werden. Wir sind gespannt, was sich aus der Aktion ergibt. (bti/Archivfoto: Stepan)

x