Kirchheimbolanden Ein sehr besonderes Orgelkonzert

An der Stumm-Orgel der Paulskirche in Kirchheimbolanden gab die Niederländerin Dorien Schout ein denkwürdiges Konzert.
An der Stumm-Orgel der Paulskirche in Kirchheimbolanden gab die Niederländerin Dorien Schout ein denkwürdiges Konzert.

Das fünfte Konzert des Orgelsommers in der Paulskirche Kirchheimbolanden war sehr besonders. Im Rahmen der Orgelwochen im Kultursommer Rheinland-Pfalz war die niederländische Organistin Dorien Schouten zu Gast.

Das von Dorien Schouten für Kirchheimbolanden ausgewählte Repertoire bewies ihre hohe stilistische und spieltechnische Kompetenz in der Aufführungspraxis der sogenannten Alten Musik. Im engeren Sinn erfolgte dies mit dem Repertoire des englischen und niederländischen Barock. Dabei war das Programm so überlegt konzipiert, dass auch die folgenden Kompositionen mit diesen früheren Werken korrespondierten, entweder als Psalmvertonung wie beim zeitgenössischen Komponisten Daan Manneke oder bei der Kirchensonate von Hendrik Andriessen im alten Stil.

Zunächst aber erwies sich die Organistin als Spezialistin für Stil- und Klangfragen des Barock. Sie wirkte bereits bei der Niederländischen Bachgesellschaft und gilt als kompetente Basso-continuo-Spielerin. Zu hören waren barocke Gattungen und Formprinzipien wie etwa zum Auftakt eine Passacaglia von William Byrd mit Variationen über ein Bassthema, bei der sie bravourös die brillanten und rasanten Läufe als virtuoses Rankenwerk zu den harmonisch wiederkehrenden Tonfolgen meisterte.

Es folgte eine reich verzierte Sammlung von Sweelinck, die in erstaunlicher Vielfalt die verschiedensten satztechnischen Finessen präsentiert: sukzessives Hinzuziehen von Stimmen (ähnlich wie beim Ziehen von Registern) und Verlagern von Melodien in unterschiedliche Stimmen.

All diese Charakteristika beherrscht Dorien Schouten in wundervoller kristallener Klarheit. Sie ziseliert feinste melodische Linien heraus, wartet mit absoluter Präzision bis ins kleinste motivische Detail auf und hält trotz dieser Umspielungen und Auszierungen eisern und ruhig fließend am Grundtempo fest.

Filigrane Spielweise korrespondiert hier bei einer kammermusikalisch empfundenen Registrierung, die die Vorzüge der Stumm-Orgeln ins gleißende Licht rückt. Mit der schon von Mozart bei seinem Besuch in der damaligen Residenz gespielten Orgel rückt Kirchheimbolanden mal wieder in den Fokus des Bundeslands.

Schmuckstück unter den Stumm-Instrumenten

Das Jubiläum von 300 Jahren Stumm-Orgeln markiert auch eine Zäsur im historischen Orgelbau. Vom handwerklichen Familienbetrieb im Hunsrück bis zum florierenden Unternehmen entwickelte sich der Name Stumm zu einem Garanten für außergewöhnliche Instrumente barocker Disposition. 370 Orgeln eignen sich für gestochen klare barocke Strukturen und befähigen zugleich zu klanglicher Opulenz bei französischen Sinfonien.

Die Orgel in Kirchheimbolanden gilt nach Auskunft von Bezirkskantor Martin Reitzig als zweitgrößtes und als eins der besterhaltenen, authentischsten Instrumente dieser Dynastie. Trotz umstrittener Maßnahmen wie neuem Spieltisch und Umstellung von mechanischer Traktur auf Elektrifizierung 1936 sieht Reitzig die Orgel als „eine der ursprünglichsten“ an.

Alles andere als ermüdend

Schouten reizte allerdings weniger die bombastische klangliche Seite, die das Instrument viele Organisten in romantischen Programmen auch bot. Sondern sie blieb auch bei den vier Orgelwerken als Weiterführung und Ergänzung zum Barock bei einer sehr durchsichtigen, klaren und in artikulatorischer Feinstruktur aufwartenden Gestaltungsweise und Registrierung. Diese wurde durch die vielen Flötenregister und Prinzipale begünstigt.

Die Konzentration auf diese schlüssige Gegenüberstellung im Sinne einer Weiterentwicklung ist grundsätzlich lobenswert, ebenso die Perfektion von heiklen Sextolenläufen in gestochen klarer Ausführung. Dennoch könnte mit zunehmender Konzertdauer ein solch klingendes Kompendium einer vergleichenden Darstellung in analytischer Spielweise für den Zuhörer etwas ermüdend wirken.

Empathische Zugabe

Diesen zeitweise aufkommenden Eindruck revidierte allerdings Dorien Schouten ausgerechnet bei der empathischen Zugabe. Sie hat in Den Haag und Berlin ihre Studien mit Auszeichnung absolviert und trumpfte zum furiosen Ausklang mit einer sehr lebendig und mitreißend und in großer Spielfreude erklingenden Konzertfantasie auf. Mit dieser erwies sie zugleich auch einem Romantiker zu dessen 200. Geburtstag ihre Reverenz: Jacques Lemmens.

Der finale Schwung im ganz großen Stil blieb nachhaltig haften.

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