Donnersbergkreis Die Brücke steht, die Spannung bleibt

ENKENBACH-ALSENBORN. Richard Lutz bangt. Der Blick des LBM-Leiters ist auf den Koloss geheftet, der sich langsam vom Boden hebt. Der letzte Zug ist um 22.03 Uhr pünktlich durch. Jetzt, keine zehn Minuten später, schwebt das 46 Meter lange Stahlteil bereits am Kran in der Luft. „Das wird eng“, murmelt auch Volker Priebe, Lutz’ Stellvertreter beim Landesbetrieb Mobilität (LBM), der neben ihm auf der halbfertigen Rampe steht. Nein, Lutz’ Sorge und Priebes Zweifel gelten nicht dem Erfolg – oder eventuellen Misserfolg – beim Einheben der Brücke; zu genau wurde in den vergangenen Tagen noch mal alles nachgerechnet und Fehler wurden ausgebessert, als dass jetzt noch viel schief gehen könnte. Vielmehr macht Lutz die davonlaufende Zeit zu schaffen. Denn für den 31. Mai hat der passionierte Hobby-Läufer den Einweihungslauf der Umgehung über die Brücke geplant. Und da noch etliche zeitaufwendige Arbeitsschritte nötig sind, die zudem vom Wetter abhängen, kann es durchaus sein, dass sein ambitionierter Plan nicht aufgeht. Aber davon will er an diesem Abend gar nichts wissen. Die Bedenken seines Kollegen wischt er mit einem „Das klappt schon“ hinweg – das ihn aber selbst nicht so wirklich zu überzeugen vermag. Den beiden zu Füßen ziehen derweil in aller Ruhe zwei Männer an den Seilen, die an dem schwebenden Brückenteil befestigt sind, und manövrieren es so Richtung Pfeiler. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, denn alles muss letztlich millimetergenau sitzen. Das hat sich in den vergangenen Wochen deutlich bewiesen. Denn ursprünglich sollte die Brücke schon seit knapp eineinhalb Wochen eingehoben sein. Doch bei der Baustellenbegehung am Nachmittag vor den geplanten Kranarbeiten zeigten sich kleine Fehler, die große Auswirkungen haben. „Die Aufleger dort“, Priebe zeigt auf den Treppenturm auf Enkenbacher Seite, von dem auch eine Rampe hinunterführen soll, „waren um 7,5 Zentimeter seitlich verschoben.“ Der Fehler lag in den Planungsunterlagen, wendet er jegliche Schuld von den Arbeitern ab. Es half nichts, die Aufleger mussten versetzt und neu angeschweißt werden. „Das größere Problem ist aber die Verformung der Brücke, die durch die Hitze beim Zusammenschweißen der beiden Einzelteile entstanden ist“, fährt er fort. Der hohle Stahlkorpus dehnte sich, so dass er jetzt auf dem Mittelpfeiler fünf Zentimeter höher ist als geplant. „Die Brücke fällt nach Alsenborn hin, damit Regenwasser in der Mittelrinne in diese Richtung abfließen kann“, erläutert Priebe. Durch die Überhöhung in der Mitte ist das Gefälle nun auf der oberen Hälfte nicht so stark wie gewünscht. „Um das etwas auszugleichen, werden wir die Rinne wohl an der einen Seite leicht ausgießen“, lautet die Lösung. Die Arbeiter in dieser Nacht stört das wenig. Im grellen Schein der energiefressenden Baustellenleuchten rücken sie dem Stahlkoloss, der sich über die Pfeiler gesenkt hat, näher. Der Hubwagen fährt empor, per Hand wird nun an dem Stahlteil gezogen und geschoben, bis die Verbindungslöcher von Pfeiler und Brückenteil übereinandersitzen. Schraubenschlüssel klappern – die ersten Schrauben halten die Brücke in Position. „Hier am Alsenborner Pfeiler wird sie zuerst fixiert“, erklärt Lutz. Dann wird sie am Lager auf dem Mittelpfeiler verschraubt. „An der anderen Seite wird sie einbetoniert, deswegen müssen nur die Zapfen sitzen.“ Die wollen jedoch nicht so ganz passen. Während die Zeiger der Uhr auf die elf vorrücken, dringt Lärm vom gegenüberliegenden Brückenpfeiler herüber. „Da wird jetzt etwas ausgefräst“, meint Lutz gelassen. Der Arbeiter am mittleren Brückenpfeiler fährt nach prüfendem Blick noch einmal mit dem Hubwagen hoch – bis sein Helm unsanft anstößt. Der Beweis: Die Brücke sitzt schon drauf! Und sie wird einiges mehr aushalten. „500 Kilogramm trägt sie pro Quadratmeter.“ Da muss man die Personen schon sehr hoch stapeln, um die Tragkraft auszuschöpfen. Nicht nur dem Gewicht, auch der Witterung muss sie standhalten: „An den Verbindungen zu den Pfeilern wird eine Übergangskonstruktion, eine Gummilippe, eingebaut“, erläutert der LBM-Leiter. Damit ist gewährleistet, dass sich die Brücke bei steigenden Temperaturen bis zu drei Zentimeter ausdehnen kann. An der Alsenborner Seite haben die Arbeiter die Fräse zur Seite gelegt. Die Brücke sitzt dort nun auf Hydraulikpressen – die per Hand bedient werden! – und harrt ihrer Einbetonierung in den nächsten Tagen. „42 Tonnen trägt der Kran noch“, schallt um 23.45 Uhr ein Ruf herüber. Dann, kurz vor Mitternacht, ist es endlich vollbracht. Die vier Seile vom Kran entspannen sich, bis sie schließlich erschlafft daliegen: Die Brücke sitzt komplett auf. „So, das war’s!“, lautet ein zufriedener Kommentar. Für Richard Lutz nicht ganz. Er wirft einen letzten Blick auf das Bauwerk. Der obere Teil der Rampe muss noch eingehoben, die Geländer montiert, die Übergangskonstruktionen eingelassen und der Korrosionsschutz aufgetragen werden. „Das allein in fünf Schichten mit einer Trocknungszeit von je 24 Stunden“, gibt Priebe zu bedenken. „Den brauchen wir für den Lauf ja nicht ...“, wendet Lutz verschmitzt ein. „Aber dann gibt’s auch keine Geländer.“ Es nützt ja nichts. Er muss sich wohl oder übel gedulden. Aber immerhin machen die Wetterprognosen Hoffnung darauf, dass am 31. Mai über die Brücke gelaufen werden kann. Etwas Spannung muss schon bleiben.

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