Donnersbergkreis Der Schnitzer von Obermoschel

Ein Prachtstück! Mehr als ein halbes Jahr hat Erwin Neumayr an diesem Musketier gearbeitet.
Ein Prachtstück! Mehr als ein halbes Jahr hat Erwin Neumayr an diesem Musketier gearbeitet.

«Obermoschel.» Dass kein Pfälzer im Klausengarten 14 wohnt, ist schon am Eingang zum Grundstück zu sehen: Ein bayerischer Löwe mit blau-weißen Rauten begrüßt im Vorgarten alle Gäste. Im Haus selbst wohnt schon mehr als 50 Jahre der 84-jähige Erwin Neumayr mit seiner Ehefrau Karin. Aus der Weltstadt München hat es sie in die kleinste pfälzische Stadt verschlagen. Und noch etwas ist schnell festzustellen: Von Neumayrs bayerischem Dialekt ist nichts verloren. Obwohl er seit einigen Jahren nicht mehr so oft in die alte Heimat fährt und er in Obermoschel viele Kontakte pflegt: Das Pfälzische hat er nie so richtig angenommen. Der fitte und agile Rentner frönt schon lange dem Hobby der Holzschnitzerei. Auch heute noch sitzt er fast jede freie Minute am Lindenholz und fertigt kleine und große Werke. Das macht ihm Spaß und Freude, er pflegt diese Leidenschaft mit Hingabe. Und im Haus ist es auch nicht zu übersehen. Im Flur, an der Wand entlang der Treppe zum Obergeschoss, in der Wohnstube, überall stehen seine kleinen und großen Holzwerke, die er über einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten gefertigt hat. Wieviel Zeit er jeweils braucht, das ist unterschiedlich: Wenn er Lust und Laune hat, bleibt er mal ein paar Stunden dran, macht aber auch ein paar Tage oder sogar Wochen einfach Pause und beginnt in der Zwischenzeit ein anderes Werk. „Bevor es abschließend gebeizt wird, stelle ich jedes Werk erst einmal da hin, wo ich täglich vorbeigehe. Beim ständigen Blick darauf fällt mir dann auf, was ich noch anders machen könnte. Dann wird so lange nachgearbeitet, bis nichts mehr besser gemacht werden kann“, erklärt Neumayr. An der aufwendigen Figur eines Musketiers hat er mehr als ein halbes Jahr gearbeitet. Dass er bei einer Ausstellung in Wöllstein von einem bekannten Fachmann viel Lob für seine Arbeiten bekam, hat ihn sehr gefreut. Für jede Figur hatte er eine eigene Gesichtsform geschnitzt. In Bingen hat er durch Zufall den in Holzschnitzerkreisen bekannten Franz Kellermeier kennengelernt, der ihm ebenfalls großes Können attestierte. Auf der mit einem kleinen Wintergarten überdachten Terrasse liegen seine mehr als 30 unterschiedlichen Schnitzmesser immer bereit. Bei seinem Werkzeug legt Neumayr Wert auf höchste Qualität – was dann auch entsprechend Geld kostet. Doch damit entstehen unter seinen Händen Madonnen, Jesusbilder, Heilige, alle Arten von Tieren – auch als Reliefs – oder auch Berufsbilder. Bei der Darstellung eines Jägers hat Neumayr jedes kleinste Detail, beispielsweise den Abzug am Gewehr, originalgetreu nachgebildet. „Lustige Sachen“ schnitzt Neumayr mit am liebsten, und so sind auch farbige Clowns, eine „lachende Sau“ oder auch ein „Geldschisser“ zu sehen. Seine Arbeiten hat er schon mehrmals in Ausstellungen, auch in Obermoschel, gezeigt. So kamen Kontakte für weitere Auftragsarbeiten zustande. Für eine Frau hat er eine rund 80 Zentimeter hohe Jesusfigur geschnitzt, die in der protestantischen Kirche in Oberhausen an der Nahe ihren Platz fand. Für Feuerwehren hat er schon oft einen Florian gefertigt. „Das sind schon knifflige Arbeiten“, verrät der Schnitzer. Für die neue Leichenhalle in Sitters hat er das Kreuz für den Innenbereich geschnitzt, und als aktives Mitglied des Pfälzerwaldvereins war es für ihn eine Selbstverständlichkeit, den Schriftzug „Landsberghütte“ für das Vereinsheim gegenüber der Freilichtbühne kostenlos zu fertigen. Für die 650-Jahr-Feier der Stadt Obermoschel 1999 schnitzte er als Geschenk ein überdimensionales Stadtwappen, das beim Festumzug an einem Traktor angebracht wurde. Nach den Feierlichkeiten wurde das Wappen von der Stadt gegenüber der früheren Tankstelle direkt an der B 420 aufgestellt, wo es noch heute Werbung für die Stadt macht. Dieses Wappen ist aus Eichenholz, ansonsten verwendet er hauptsächlich Moscheler Lindenholz: Dem Orkan Wibke fiel 1990 ein kräftiger Lindenbaum im Schlosswald zum Opfer, der noch heute die Basis für seine Holzarbeiten ist. Seine handwerklichen Fertigkeiten hat er etwa nicht aus München mitgebracht. Erst als er längst schon in Obermoschel wohnte, belegte er zwei Abendkurse im Schnitzen. Seine erste Arbeit, die er heute noch hat, war eine Blume. Bei dem Kreuznacher Bildhauer und Schnitzer Neuhof hat er dann in weiteren Kursen seine Fertigkeiten vertieft. Am Anfang misslang auch auch das ein oder andere Werk. Nach Obermoschel kam er eigentlich nur durch Zufall: Als Vertreter für Siebdrucktechnik und Lichtwerbung kam er oft beruflich nach Bad Kreuznach, und ein Bruder eines Freundes aus Bayern wohnte damals im benachbarten Hallgarten, wo er dann bei seinen Touren auch gelegentlich übernachtete. Als der Bekannte ein Haus baute, wurde Neumayr über den Architekten auf Obermoschel aufmerksam. Als die Stadt das Neubaugebiet „Im Klausengarten“ auswies, erwarb er dort den ersten Bauplatz. 1963 baute er dann – auch mit den Freunden aus Hallgarten – in Eigenleistung sein Wohnhaus. Von einer insolventen Siebdruckfirma erwarb er die notwendigen Geräte und machte sich 1971/1972 in einer Werkstatt in der Baumgartenstraße mit Siebdruck und Lichtwerbung selbstständig. Das Geschäft betrieb er bis zum Renteneintritt. Nur einmal dachte er kurzfristig wieder an einen Umzug nach München, der Rummel dort stieß ihn aber doch ab, gleichzeitig stellte er fest, dass ihm und seiner Familie Obermoschel doch sehr ans bayerische Herz gewachsen war. „Heute weiß ich, dass die Entscheidung goldrichtig war“, sagt er. Solange die Gesundheit mitmacht, werden sicherlich noch etliche Holzschnitzarbeiten im Klausengarten entstehen, zumal das Obermoscheler Lindenholz noch lange nicht zur Neige geht.

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