Bad Dürkheim „Sei so mutig, wie du kannst“

Den Vorhang vor Fenster und Treppe. Das Bühnenlicht an. Die Welt ist ausgesperrt. Die dritte RHEINPFALZ-Sommertour führt zwei Familien in Anja Kleinhans’ „Theader“-Turm und damit in die Parallelwelt Theater. Die Rettichs und die Kissels proben drei Szenen aus „De kläne Prinz“ – eine Mundartfassung des französischen Klassikers. Die Freinsheimer Schauspielerin schlüpft für ein paar Stunden in die Rolle der Regisseurin.

Dieser kleine Prinz kann einfach nicht böse sein. Julian Rettich ist sieben Jahre alt, trägt die Prinzenkappe, als wäre sie für ihn gemacht, und mit der Angabe im Drehbuch – „gereizt“ – hat er so seine Probleme. Seiner zwölfjährigen Schwester Ronja – sie spielt eine arrogante Rose – soll er so richtig einen mitgeben: „Ja, wo kommt Ihr dann her?“, soll er möglichst unwirsch in Pfälzer Mundart loswerden. „Ich kann das mit dem Bösesein nicht“, sagt er ein wenig zu selbstkritisch und auf Hochdeutsch. Als „kläner Prinz“ mit reiner Seele ist er aber nahezu die Idealbesetzung. Als er zum ersten Mal die Rose sieht, spricht er mit so viel Inbrunst und Reinheit den Satz „Ihr seid awwer schäh“, dass Anja Kleinhans jede kritische Haltung vergisst. „Tschuldigung, du bist so goldig“, stößt sie aus. Schon in der ersten Szene mit den Rettichs aus Bad Dürkheim wird deutlich, wie anstrengend Theater sein kann. Nicht nur für den kleinen Julian, auch für seine Mama. „Du hast so eine warme Stimme, dessen darfst du dir bewusst sein, es gibt nichts zu verstecken“, sagt Kleinhans zu Mutter Renate, nachdem sie die aus der Ecke herauskomplimentiert hat. Dort hatte sie sich verstecken wollen, schließlich müsse sie in ihrer Pilotenrolle nur die Szene als Erzählerin kommentieren, aus dem „Off“. Nicht bei Kleinhans. Renate muss ins Publikum sprechen. „Du bist eine schöne Erscheinung“, sagt Kleinhans. Die beiden kennen sich keine zwanzig Minuten und sind sich schon recht nah. Renates Tochter Ronja hingegen blüht in der Blumenrolle schon richtig auf. Aber auch sie muss noch mehr zeigen. „Sei so mutig, wie du kannst“, sagt Kleinhans. Es könnte das Motto dieses Nachmittags sein. Der zweite kleine Prinz ist eine blonde Prinzessin. Vicky (8) hat große Augen, die schon von Natur aus immer ein bisschen verwundert in die Welt blicken. Sie muss sich vor ihrem großen Bruder Justus (11), der einen überheblichen König ohne Königreich spielt, fürchten. Da passt es gut, dass sie auch wirklich ein bisschen schüchtern ist. Schließlich sitzen ihr die anderen – das „Theader“ ist sehr klein – direkt vor der Nase. Die Grundschülerin aus Herxheim am Berg schaut daher zunächst lieber ihren Bruder an. Der wiederum spricht seine Texte selbst gerne Richtung Ausgang, wo niemand sitzt. „Du darfst dich gerne trauen“, sagt Kleinhans zu Vicky. Und das muss sie dann auch. Den Satz „Isch bin awwer mied“ muss sie nochmal wiederholen. „Lauter“, fordert Kleinhans immer wieder. Und irgendwann kommt er dann auch wirklich recht vernehmlich, der Satz. „Oi, du hast ja eine Stimme“ – Kleinhans ist zufrieden. „Ich weiß, das ist anstrengend“, sagt sie gleich hinterher. Sie will niemanden überfordern, aber natürlich sollen die Familien ja etwas lernen. Rhythmus zum Beispiel: „Spannung entsteht über Pausen.“ Der dritte und letzte kleine Prinz ist die hübsche, großgewachsene 13-jährige Fee, Schwester von Vicky und Justus. Mit ihrer Mutter hat sie die Szene zu Hause schon sicher eingeübt. Nur so wie Kleinhans sich das vorstellt, ist es noch nicht. „Sei mindestens dreimal so schnell, besser zehnmal so schnell“, sagt sie zu Jutta, die eine hektische Geschäftsfrau spielen muss. Laut schreiend, gestikulierend und mit einer viel zu großen Brille macht sie vor, wie es geht, dafür kriegt sie von ihren Schülern spontan Applaus. Und nach der gelungenen Vorstellung lässt auch Jutta sich nicht lumpen, rauft sich die Haare und schreit. Als Kleinhans nach 90 Minuten das Fenster öffnet, ist die andere Welt wieder da. Licht, Luft und das Geräusch eines Rasenmähers dringen in den Raum. Jetzt wird geplaudert. Über die Diskokugel an der Decke. Über Kinder und Kunst. Und bald kommt die Frage, ob Kleinhans das Regie führen nicht häufiger machen wolle. Eine Theater-AG an der Grundschule hat sie schon einmal geleitet. „Ich hätte Lust, mit euch allen weiterzumachen“, sagt sie dann auch. Und dass sie sich die Leitung eine Laientheatergruppe durchaus vorstellen könnte. Die ersten Interessierten gäbe es ja schon ...

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