Bad Dürkheim Gelehrter mit Zivilcourage

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Schon zweimal hat Schifferstadt den Ernst-Johann-Literaturpreis vergeben. Er soll an den am 23. Dezember 1909 in Schifferstadt geborenen und am 1. April 1980 in Groß-Gerau gestorbenen Publizisten und Schriftsteller Ernst Johann erinnern. Nun dokumentiert ein Buch Leben und Wirken des Namensgebers des Preises und die Preisreden.

Der gebürtige Schifferstadter Ernst Johann hat über die Grenzen seiner Geburtsstadt und der Pfalz hinaus gewirkt. Der 1909 als Sohn eines Metzgers in dem damals noch zu Bayern gehörenden Pfälzer Dorf geborene Ernst Johann war ein Journalist, der sich auch mit Veröffentlichungen zur deutschen Kultur- und Geistesgeschichte einen Namen gemacht hat. Er war der erste Chefredakteur der RHEINPFALZ nach dem Krieg und der erste Fernsehkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Er war Cheflektor beim renommierten S. Fischer Verlag, schrieb die 1958 erschienene erste rororo-Monographie über Georg Büchner und war Verfasser etlicher weiterer Schriften zur Literaturgeschichte sowie Herausgeber von Werken Goethes, Heines und Lichtenbergs, um nur einige Dichter und Denker zu nennen, denen er Veröffentlichungen gewidmet hat. Zum hundertsten Geburtstag des Journalisten und Schriftstellers erinnerte sich Schifferstadt an Ernst Johann und beschloss, alle drei Jahre einen nach ihm benannten Literaturpreis zu vergeben. Der erste Preisträger war 2012 der Journalist und Literaturwissenschaftler Karl Corino, der zweite 2015 der Publizist und ehemalige Chefredakteur des Hessischen Rundfunks Wilhelm von Sternburg. Neuerdings dokumentiert eine Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften Ernst Johanns Leben und Wirken und druckt die während der Preisvergaben gehaltenen Lob- und Dankreden ab. Außerdem enthält das Buch einen Wiederabdruck von Ernst Johanns Schrift „Was ist Demokratie?“ aus dem Jahr 1947. Die in dem Buch wiederabgedruckte erste Biographie Ernst Johanns stammt von dem Schifferstadter Markus Maier. Der Schüler des Speyerer Nikolaus-von-Weis-Gymnasiums hat sie bereits 1986 als Facharbeit im Leistungskurs Deutsch verfasst. Markus Maier hat für seine Arbeit noch die Witwe sprechen und Ernst Johanns Arbeitszimmer in Darmstadt besichtigen können. Ergänzt wird die stark an Daten und Fakten orientierte Lebensgeschichte durch eine Bibliographie sämtlicher Veröffentlichungen von und über Ernst Johann. Dass mit Karl Corino und Wilhelm von Sternburg zwei dem Namensgeber würdige Preisträger ausgezeichnet wurden, machen die Dankreden der Preisträger deutlich. Ernst Johann zeichnete sich nämlich nicht nur durch Gelehrsamkeit, sondern auch durch Zivilcourage aus. Während der Nazidiktatur kein Parteigänger, wurde er von den Alliierten nach dem Krieg daher zum ersten Chefredakteur der neu gegründeten RHEINPFALZ bestimmt. Diese Funktion gab Johann aber bereits zwei Jahre später, im Jahr 1948, wieder auf, als ihm ehemalige Nazis in den Redaktionsstuben aufgezwungen wurden. Der erste Preisträger, der Journalist Karl Corino, hat sich ebenfalls nicht nur einen Namen als Biograph des österreichischen Schriftstellers Robert Musil gemacht. Er ist überdies als unerschrockener Zerstörer der Mythen und Legenden um die DDR-Schriftsteller Hermann Kant und Stephan Hermlin hervorgetreten. Und Wilhelm von Sternburg, spezialisiert auf Exilliteratur, hat als Preisträger 2015 nicht nur Biographien über Lion Feuchtwanger geschrieben und Bücher zu Politik und Geschichte Deutschlands herausgegeben. Er hat auch ein Zeichen für die Unabhängigkeit der Presse gesetzt, indem er aus der SPD austrat, als der damalige hessische Ministerpräsident Holger Börner Einfluss auf die Berichterstattung während der Auseinandersetzungen um die Startbahn West auf dem Frankfurter Flughafen zu nehmen versuchte. Von dem aufrechten Demokraten Ernst Johann zeugt dessen Schrift „Was ist Demokratie?“ Bald nach dem Zusammenbruch der Nazidiktatur und noch vor dem Inkrafttreten der rheinland-pfälzischen Landesverfassung geschrieben, beklagt sie den Untertanengeist der Deutschen und die nach dem Krieg immer noch weit verbreiteten Sympathien für die Nazidiktatur. Dieser Mentalität hält er die englische, amerikanische und französische Demokratietradition entgegen. Nicht alles, etwa Johanns Kritik an Kants Pflichtethik, wird der heutige Leser ohne weiteres unterschreiben. In ihrem leidenschaftlichen Plädoyer gegen politische Gleichgültigkeit kommt ihr derzeit aber wieder eine gewisse Aktualität zu. Bedauerlich sind nur die zahlreichen Kommafehler in dem Wiederabdruck. Bedauerlich ist auch der offenbar fehlerhafte, vom Titel abweichende Aufdruck auf dem Deckblatt „Lust auf Literatur“ statt „Lust an Literatur“. Insgesamt aber ist die Veröffentlichung der Pfälzischen Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften die verdienstvolle Würdigung eines intellektuellen Journalisten und aufrechten Demokraten. Lesezeichen Lenelotte Möller/Martina Kees/Franz Dudenhöffer (Hrsg.): Lust an Literatur – Leidenschaft für die Demokratie. Ernst Johann und der Ernst-Johann-Literaturpreis der Stadt Schifferstadt. Speyer 2017. 132 Seiten.

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