Bad Dürkheim Die Klänge der Stadt

Flucht und Migration ist das Thema des sechstägigen Festivals „Offene Welt“, das von Donnerstag an bis zum 3. März im Theater im Pfalzbau in Ludwigshafen stattfindet. Zur Eröffnung stimmt ein Musikstück auf das Thema ein. Menschen aus drei der 140 Nationen, die in Ludwigshafen leben, wirken darin mit. Die Musiker in „Ludwigshafen Sound Surround“ des Komponisten Volker Staub kommen aus Togo, Korea und der Türkei.

Seit Dezember war der Komponist und Klangperformer Volker Staub an mehreren Tagen in der Ludwigshafener Innenstadt unterwegs. Unter den Hochstraßen und auf der Konrad-Adenauer-Brücke, im Rathaus-Center und in der Rhein-Galerie, im BASF-Besucherzentrum und an anderen Orten nahm er Verkehrslärm und Stimmengewirr auf. Aus vier Lautsprechern werden die Geräusche bei der Festivaleröffnung im Gläsernen Foyer zu hören sein. Sie bilden eine Art Klangteppich für das Musikprojekt, bei dem Mitglieder der Familie Alassani aus Togo, zwei aus Südkorea stammende Trommlerinnen und ein Sänger aus der Türkei live mitwirken. Im schwarzen Anzug und mit Fliege singt Yüksel Sahin zur Begleitung der Kanun, der türkischen Harfe, ein altes, heiliges Lied aus dem 12. Jahrhundert sowie ein Stück von Münir Nurettin Selçuk, einem Komponisten des 20. Jahrhunderts. Dehinetou Alassani aus Togo singt nicht nur, während ihr Mann Atthikou und die Töchter die Trommeln schlagen. Ihre Stimme wie auch die der Tochter Samira ertönt zudem aus den Lautsprechern, wenn beide in ihrer Muttersprache Kortokoli über Klänge sprechen. Sie tragen heimische Trachten, ebenso die beiden mit Deutschen verheirateten Koreanerinnen Kyung-Hee Lee-Schumacher und Haejoo Nawroth. Die Asiatinnen stellen in dem Stück die Pungmul-Buk, die Trommel aus ihrer Heimat, vor. Das Finale des Stücks vereint dann alle Musiker und ihre Instrumente. Volker Staub, ein in der experimentellen Musikszene namhafter und mit etlichen Preisen ausgezeichneter Komponist, hat Mitwirkende aus der Region durch Vermittlung von Migrantenvereinen und anderen Institutionen für sein Projekt gewonnen. Die Familie Alassani lebt in Harthausen und tritt unter dem Namen Dünia auf. Haejoo Nawroth und Kyung-Hee Lee-Schumacher leben in Rheingönheim und in Dossenheim und gehören zu der fünfköpfigen Frauengruppe Danbi, was auf Deutsch „süßer Regen“ bedeutet. Und der Interpret klassischer türkischer Lieder, Yüksel Sahin, lebt in Ludwigshafen. Mit den Geräuschen versucht der Komponist, der als Einflüsse John Cage und Morton Feldman nennt, die Eigenart der Stadt Ludwigshafen einzufangen. Nach dem Eindruck des gebürtigen Frankfurters ist ihr prägendes Merkmal Anonymität, was sie freilich mit vielen anderen Städten gemeinsam hat. „Individuelle Begegnungen muss man suchen“, hat er während seiner Besuchstage festgestellt. Die Live-Musik und die auftretenden Musiker bilden zu dieser Anonymität einen Kontrast. Musik hält der Komponist überhaupt für besonders geeignet, um Menschen zu verbinden. „Wir unterscheiden durch Worte und Bilder“, sagt er. „Musik dagegen schafft am leichtesten eine Verbindung. Beim Musizieren muss man aufeinander hören.“ Durch den Klangteppich, der sich aus den Lautsprechern entrollt, dringen einmal deutlich die Worte „Liebe, Respekt und Toleranz“. Die Worte beziehen sich, wie der Komponist verrät, erläuternd auf das alte mystische Lied aus der Türkei und erinnern daran, dass es im Islam als größte Sünde gilt, einen Menschen zu töten. Volker Staubs Klangperformance eignet sich nicht nur vortrefflich, um das Festival mit seinem völkerverbindenden Anspruch zu eröffnen. Dasselbe Ziel verfolgt der Komponist schon seit einigen Jahren mit seiner Musik. 2012 hat er das One Earth Orchestra gegründet. Das aus sieben Musikern bestehende Orchester, besetzt mit klassischen europäischen Instrumenten wie Flöte, Klarinette, Viola, Cello, Klavier und Akkordeon, sucht die Begegnung mit Musikern aus anderen Kulturkreisen. Der 53-jährige Volker Staub hat eine klassische Musikausbildung erfahren, sich aber schon früh der Avantgardemusik geöffnet. Bereits als Mitdreißiger war er Stipendiat der Villa Massimo in Rom. Seine Werke sind in zahlreichen Ländern aufgeführt worden. Im Mannheimer Nationaltheater und in Schwetzingen war er erst im vergangenen Jahr beim Mozart-Sommer zu erleben. Dort hatte er eine Klanginstallation geschaffen aus bis zu 50 Meter langen Stahlsaiten als „Witterungsinstrument“, das heißt ausschließlich von Wind und anderen natürlichen Einflüssen in Schwingungen versetzten Riesensaiten. Das

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