Bad Dürkheim Da hilft nur ein Wunder

Friedvoll und beschaulich klingt der Titel des Partisanenlieds von Hirsch Glik, um das sich das neue Stück des „Theader Freinsheim“ dreht: „Still, die Nacht ist voller Sterne“. Doch die Hymne jüdischer Partisanen im Zweiten Weltkrieg besingt keine abgeschiedene Idylle, sondern den aktiven, entschlossenen Widerstand gegen Unrecht und Gewalt. Mit ihrer gleichnamigen Bühnenproduktion gestaltet Theaterleiterin Anja Kleinhans eine klare Botschaft: Der Mensch soll aufbegehren – möglichst friedfertig, aber doch entschieden.

1942 verfasste der im Ghetto von Wilna gefangene Hirsch Glik das jiddische Lied „Shtil di Nakht is oysgesternt“, das Anja Kleinhans zu ihrem neuen Stück inspirierte. Der junge Dichter und Komponist nahm mit seinem Text Bezug auf einen Sabotageakt der Untergrundkämpferin Vitka Kempner gegen einen deutschen Waffentransport an die Ostfront. Zwischen Schwermut und Hoffnung besingt Glik ein Mädchen und seine „kleine Pistole“: Die Gegenwehr steht für den Mut und die Stärke eines einzelnen Menschen. Im großen Gefüge der Weltgeschichte mag sich das unbedeutend ausnehmen. Aber darum geht es: Der Einzelne ist wichtig, seine Courage und sein Handeln kann Großes bewirken. Da ist es nur konsequent, dass der Zuschauer während der Aufführung immer wieder unmittelbar angesprochen wird. Im Casinoturm der Freinsheimer Stadtmauer, wo derzeit die Proben laufen, bringt das eine besondere Direktheit zwischen Darstellern und Publikum mit sich. Denn die beiden Schauspieler Anja Kleinhans und Olaf Peters, Theatermacher und Leiter des DBZ-Theaterkellers in Ludwigshafen, agieren in greifbarer Nähe. Der kleine Raum spiegelt im „Theader“ Programm und Idee: Hier geht es um ein intensives Gegenüber statt um abgeklärte Distanz. Autorin Anja Kleinhans, die sich beim Liedvortrag selbst auf dem Akkordeon begleitet, verknüpft die eingespielten Szenen mit nachdenklichen Monologen und Dialogen, in denen sie zusammen mit Spielpartner Peters Stellung bezieht: gegen eingefahrene Lebensmuster, gegen zwanghafte Anpassung und Einschnürung des Menschen, gegen eine Maschinerie von Unterjochung und Gewalt. Natürlich verführen solche Themen zu starkem Pathos und man darf gespannt sein, wie das Schauspieler-Duo und der Berliner Regisseur Uli Hoch diese Gefahr umschiffen. Die einzelnen Szenen verbindet indes ein gemeinsames Motiv: Menschen stehen vor einer wichtigen Entscheidung ihres Lebens und sie brauchen besonderen Mut, wenn sie die eingefahrenen Bahnen verlassen. Da werden Hemmklötze beiseite geräumt, Fesseln abgestreift, da erblühen hoffnungsvolle Visionen, die das bisherige Leben grundlegend umwälzen. Zwischen Ernst und Lachen wird der Zuschauer manches Unerwartete erleben. Es darf auch bemerkenswert utopisch zugehen. Denn was Kanzlerin Merkel auf der Bühne ihrem Innenminister offenbart, wird sicherlich ein Luftschloss bleiben – wünschenswert zwar, aber doch nur ein schönes Märchen. Was nicht heißen soll, dass man nicht an Wunder glauben dürfte.

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