Rheinland-Pfalz Westpfalz-Klinikum: Keine Kindesmissbrauch-Verdachtsfälle

Am Westpfalz-Klinikum arbeitete der Beschuldigte bis zu seinem Tod 2016.
Am Westpfalz-Klinikum arbeitete der Beschuldigte bis zu seinem Tod 2016.

Nach ersten internen Untersuchungen geht das Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern davon aus, dass es dort nicht zu Kindesmissbrauch durch den später verstorbenen Assistenzarzt kam. Anders als am Uniklinikum in Homburg. Für Minderjährige interessiert hat sich der Mann aber auch am zweiten Arbeitsplatz.

Der unter Verdacht stehende Mann kam aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie vom Universitätsklinikum des Saarlandes (UKS) in Homburg. Dort nutzte er womöglich seine Arbeit in der Spezialambulanz der Psychiatrie dazu aus, unnötige Untersuchungen am Intimbereich von Kindern vorzunehmen. Er behandelte Kinder, überwiegend Jungen, die unkontrolliert ins Bett machen. Auch nach seinem Jobwechsel ans Westpfalz-Klinikum in Kaiserslautern interessierte sich der in der Ausbildung befindliche Arzt für die medizinische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. In Kaiserslautern arbeitete er jedoch in der Neurologie, einem medizinischen Bereich, in dem er nicht mit Kindern oder Jugendlichen in Kontakt gekommen ist. Entsprechend geht das Westpfalz-Klinikum nach internen Untersuchungen davon aus, dass es bedingt durch das andere Arbeitsfeld dort nicht zu Kindesmissbrauch durch den Assistenzarzt gekommen ist. Dazu „liegen weiterhin keine Hinweise vor“, hieß es gestern Abend in einer Presseerklärung auf RHEINPFALZ-Nachfrage. Das hätten erste Ergebnisse der Taskforce ergeben, die eigens zu dem Zweck der internen Prüfung gegründet wurde.

Mediziner soll 34 Kinder missbraucht haben

Dem betreffenden Mediziner wird vorgeworfen, während seiner Tätigkeit im UKS in Homburg von 2010 bis 2014 möglicherweise 34 Kinder – die meisten zwischen fünf und acht Jahre alt – missbraucht zu haben, darunter sollen zehn aus Rheinland-Pfalz sein, einige auch aus der Pfalz. Die ersten Eltern wurden mittlerweile informiert, nachdem der Skandal durch einen Bericht des ARD-Magazins „Monitor“ öffentlich wurde. Unterdessen hat das UKS den Zeitraum seiner Überprüfung deutlich ausgeweitet – und zwar um fünf Jahre. Es werde auch die Zeit in den Blick genommen, in der der Mann den klinischen Abschnitt seines Studiums der Humanmedizin Ende 2005 in Homburg begann, so das UKS gestern. Bei der internen Aufklärungsarbeit hätten sich Hinweise auf weitere mögliche Fälle ergeben. Auch die Universität des Saarlandes sei an der Untersuchung beteiligt. Ende 2014 war dem Beschuldigten wegen des erneuten Verdachts von sexuellem Missbrauch an Kindern in Homburg fristlos gekündigt worden; die Staatsanwaltschaft ermittelte. Mit dem Tod des Mannes wurden die Ermittlungen aber eingestellt. Bereits im Juli 2011 hatte es in Homburg eine erste anonyme Beschwerde gegeben. Das Westpfalz-Klinikum wehrt sich jetzt gegen den Vorwurf, bei der Übernahme des Mannes in 2014 womöglich von den schweren Beschuldigungen gegen ihn gewusst zu haben. Der Assistenzarzt sei, so das Pfälzer Krankenhaus, bereits vor dem Bekanntwerden der neuen Vorwürfe in Homburg von der UKS freigestellt worden, um in Kaiserslautern seine Ausbildung in einer Klinik mit einem anderen fachlichen Schwerpunkt fortzusetzen. Ein insofern normaler Vorgang, als in der medizinischen Ausbildung „Fremdjahre“ in einem anderen Fachgebiet nötig sind.

Arbeitszeugnis einwandfrei  

„Sowohl die Vorfälle an der Uniklinik Homburg als auch die seinerzeit laufenden Ermittlungen gegen den Assistenzarzt waren der Geschäftsleitung des Klinikums weder zum Zeitpunkt der Bewerbung noch während des Beschäftigungsverhältnisses bekannt“, hieß es gestern in der schriftlichen Erklärung des Westpfalz-Klinikums. Dort arbeitete der angehende Mediziner von April 2014 bis zu seinem Tod im Juni 2016. Das Haus bleibt auch bei der Darstellung, dass das vorgelegte Arbeitszeugnis einwandfrei gewesen sei. Ausgestellt habe es das Homburger UKS. Wie ein Zeugnis trotz der Beschuldigung aus 2011 und der damit in Homburg verbundenen Auflage, dass der Mann Untersuchungen nur noch im Beisein Dritter machen durfte, einwandfrei sein konnte – diese Frage beantwortete die Klinik im Saarland trotz mehrfacher Nachfragen der RHEINPFALZ gestern nicht. Das Interesse an der medizinischen Arbeit mit Kindern ließ bei dem Beschuldigten offenbar auch nach seinem Wechsel nach Kaiserslautern nicht nach. Er habe, so das Klinikum, den Wunsch geäußert, eine „Ausscheidungsambulanz“ einzurichten, eine Stelle, die sich mit den Exkrementen der Kinder befassen sollte. Der Stand seiner damaligen Ausbildung habe Entsprechendes nicht zugelassen. Nach RHEINPFALZ-Informationen hatte der Beschuldigte keine besonders guten fachlichen Kenntnisse im Bereich der Neurologie. Sein Gebiet zuvor war die Psychiatrie. Ansonsten war in seinem damaligen Arbeitsumfeld offenbar nichts von den Anschuldigungen aus Homburg bekannt. Der Inhalt seines Klinik-Spinds ist nach seinem Tod von der Polizei gesichtet und freigegeben worden, so das Klinikum. Offensichtlich ist kein belastendes Material gefunden worden. Die Staatsanwaltschaft in Kaiserslautern sah bislang keinen Anlass zu Ermittlungen am Westpfalz-Klinikum. Gegen Tote werde grundsätzlich nicht ermittelt, hieß es. Dass Dritte involviert seien, dazu gebe es „keine Hinweise“, sagte Oberstaatsanwalt Achim Nunenmann. Info

  • Das Westpfalz-Klinikum hat eine Hotline eingerichtet: 0151 / 68 82 57 69 oder per Mail an sybille@jatzko.de
  • Dahin können sich ehemalige Patienten, deren Angehörige sowie Mitarbeiter mit Fragen, aber auch mit möglichen Hinweisen wenden. Auf Wunsch werden die Hinweise auch anonym behandelt.
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