Rheinland-Pfalz Mordfall Mia: Argumente für und gegen Affekt-Tat

Im abgeschirmten Landauer Gericht: Eine Jugend-Psychiaterin soll beurteilen, ob Abdul D. in Kandel seine Ex-Freundin Mia im Affe
Im abgeschirmten Landauer Gericht: Eine Jugend-Psychiaterin soll beurteilen, ob Abdul D. in Kandel seine Ex-Freundin Mia im Affekt erstochen hat.

Im Mia-Prozess steht am Montag ein entscheidender Verhandlungstag an: Eine Psychiaterin soll sagen, ob Abdul D. für seine Bluttat voll verantwortlich gemacht werden kann. Fragen muss sie sich dafür zum Beispiel, warum der Afghane nach seiner tödlichen Messer-Attacke so irritierend dreinschaute.

Die Stiche in Bauch, Hals und Gesicht lassen die 15-jährige Mia vor dem Kosmetikregal tödlich verwundet zu Boden sinken, während ihr neuer Freund den Angreifer Abdul D. abdrängt. Der lässt sein blutiges Messer fallen, irgendjemand kickt es zur Seite. Nun will der Afghane vom Tatort fliehen. Doch Kunden und Beschäftigte des Kandeler Drogeriemarkts halten ihn fest, bis die Polizei anrückt. Dabei fällt ihnen auf: Der Zuwanderer wirkt teilnahmslos, einige Zeugen bemerken gar ein irritierendes Grinsen in seinem Gesicht. Von entsprechenden Beobachtungen berichteten sie zunächst den Ermittlern, mittlerweile haben sie ihre Aussagen nach RHEINPFALZ-Informationen aber auch im nichtöffentlichen Mordprozess gegen Abdul D. bestätigt. Im streng abgeschirmten Landauer Gerichtssaal sitzt neben dem Angeklagten, Juristen und Sicherheitsbeamten auch eine Pfälzer Jugend-Psychiaterin, für die solche Details besonders wichtig sind. Schließlich soll sie einen Einblick ins Innenleben des Zuwanderers geben – und so Erkenntnisse liefern, die für das Urteil entscheidend sein dürften.

Bei Mord drohen ihm maximal zehn Jahre

Denn dass Abdul D. am 27. Dezember in Kandel seine Ex-Freundin erstochen hat, steht unumstößlich fest. Doch die Richter müssen am Ende sagen, ob sie – so wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklage – die Bluttat als Mord einstufen. Dafür gibt es in Deutschland normalerweise „lebenslänglich“. Doch weil der Afghane zur Tatzeit gerade noch minderjährig gewesen sein könnte, droht ihm eine Höchststrafe von lediglich zehn Jahren. Die gilt auch, wenn er doch nur wegen Totschlags verurteilt wird. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit dann automatisch größer, dass seine Strafe noch geringer ausfällt. Obendrein müssen die Juristen herausfinden, ob sie Abdul D. für seine Tat überhaupt voll verantwortlich machen dürfen. Schließlich könnte er im Affekt zugestochen haben. Das würde bedeuten: Er war bei seinem Angriff derart erregt, dass er ähnlich milde zu beurteilen ist wie ein psychisch kranker Mensch, der im Wahn ein Verbrechen begangen hat. Und im Kandel-Fall soll die Gutachterin in einem Vorab-Gutachten darauf hingewiesen haben, dass sie tatsächlich Anzeichen für so eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung entdeckt hat.

Eine Zeugin hat Argumente für eine Affekt-Tat geliefert

Geliefert hat sie zum Beispiel eine Zeugin, die den Afghanen unmittelbar vor seiner Tat fast überfahren hätte, weil er ihr mit Tunnelblick vors Auto lief. Denn die „Einengung des Wahrnehmungsfelds“ gilt in Anwalts-Leitfäden ebenso als ein Indiz für eine Affekt-Tat wie „fehlende Eigensicherung“. Die lässt sich bei Abdul D. unterstellen, weil er nach seiner tödlichen Attacke zwar weglaufen wollte, aber offenbar keinen echten Fluchtplan hatte. Doch es gibt auch Argumente, die eher dafür sprechen, dass der Zuwanderer durchaus noch Herr seiner selbst war.

Denn ganz und gar spontan kann er nicht zugestochen haben. Zwar scheint er seine Ex-Freundin nur zufällig in Kandel entdeckt zu haben. Doch ehe er auf das Mädchen losging, marschierte er erst noch in einen nahen Netto-Markt, um dort zum Preis von je 2,99 Euro zwei Küchenmesser zu kaufen. Auch sein Grinsen nach der tödlichen Attacke ließe sich entsprechend deuten: als Gesichtsausdruck eines eiskalten Mörders, der mit seiner Untat rundum zufrieden ist. Es könnte aber auch nur die Verwirrung eines verstörten Jugendlichen gezeigt haben, der nicht versteht, was er soeben angerichtet hat.

Abdul D. hat wenig Einblick gewährt

Ob sie eher in die eine oder eher in die andere Richtung neigt, hat die Jugend-Psychiaterin nach RHEINPFALZ-Informationen bislang offengelassen. Das könnte sich nun aber ändern, denn heute soll sie ihr endgültiges Gutachten vorstellen. Der Angeklagte selbst allerdings scheint ihr auch im Prozessverlauf keinen tieferen Einblick in sein Innenleben gewährt haben: Am ersten Verhandlungstag hat er zwar die Tat gestanden, aber dabei scheint er nicht ins Detail gegangen zu sein. Und daran wird sich bis zum Urteil wohl auch nichts mehr ändern. Abdul D.s Rechtsbeistand Maximilian Endler schweigt zwar zu seiner Verteidigungsstrategie. Doch allgemein gilt: Anwälte lassen ihre Schützlinge in solchen Verfahren nur dann auf Fragen antworten, wenn sie davon ausgehen können, dass der Mandant sich nicht um Kopf und Kragen redet. Doch genau damit müsste Endler im Mia-Fall wohl rechnen. Denn ein Experte aus dem Pfalzklinikum Klingenmünster hat nach RHEINPFALZ-Informationen festgestellt, dass der Angeklagte nur unterdurchschnittlich intelligent ist. Außerdem hat Abdul D. eindrücklich gezeigt, dass er schnell die Beherrschung verlieren kann. Denn als Mias Mutter als Zeugin aussagte, wollte er aus dem Saal stürmen. Im Tumult wurden zwei Beamte verletzt. Immerhin: Mit diesem Auftritt dürfte er der Psychiaterin noch einmal neues Material für ihr Gutachten geliefert haben.

x