KUNST DER GEGENWART Biennale für aktuelle Fotografie

Müllwelt Afrika: ein Bild des jungen nigerianischen Fotokünstlers Aàdesokan aus der Serie „Waste Identity“, 2020.
Müllwelt Afrika: ein Bild des jungen nigerianischen Fotokünstlers Aàdesokan aus der Serie »Waste Identity«, 2020.

Klare Kante zeigen, Stellung beziehen – das scheint jetzt das Gebot der Stunde. Das gilt auch für die nunmehr zum neunten Male startende Biennale für aktuelle Fotografie in Mannheim, Ludwigshafen und Heidelberg.

Vorbei die schöne Zeit im Elfenbeinturm der Künste? Dabei war, als die Schau geplant wurde, von Putins Krieg gegen die Ukraine noch nicht mal was zu ahnen.

Aber es gab ja schon davor genügend Risse in unserer „Welt der Sicherheit“, vor denen man nicht die Augen verschließen sollte: die Abholzung der tropischen Regenwälder zum Beispiel. Oder die Verschärfung der Abtreibungsgesetze in Polen, die einem Abtreibungsverbot gleichkommt. „Vor dem Hintergrund des Klimawandels, internationaler Proteste gegen Menschenrechtsverletzungen und der Folgen der digitalen Medien für demokratische Prozesse der Meinungsbildung fungieren die ausgewählten Werke als visuelle Bestandsaufnahmen, die in aktuellen Diskursen Stellung beziehen.“ So umreißt Kuratorin Iris Sikking die Intention dieser Biennale, die schon in ihrem englischen Titel „From Where I Stand“ die Forderung nach einem Standpunkt formuliert.

40 fotografische Positionen

Sikking, die 1968 in Amsterdam geboren wurde und seit 15 Jahren als freie Kuratorin Themenausstellungen konzipiert, hat knapp 40 fotografische Positionen „zwischen Kunst, Journalismus und Aktivismus“ für die Biennale ausgewählt, die sich auf sechs Ausstellungshäuser in der Metropolregion verteilt. Jede der sechs Ausstellungen hat ihren eigenen thematischen Fokus.

Digitale Technologien und der menschliche Körper

Im Wilhelm-Hack-Museum, das mit der Biennale nach langer, brandschutzsanierungsbedingter Schließung am 19. März endlich wieder öffnet, geht es unter der Überschrift „Shaping Data“ darum, wie sich digitale Technologien auf unsere Körper auswirken. Wie sie unsere Meinungen und Schönheitsideale prägen. Und wie sie zwischenmenschliche Beziehungen verändern.

Auch bei „Bodies in (e)motion“ im Kunstverein Ludwigshafen spielt der menschliche Körper die Hauptrolle. Allerdings eine aktivere als im Hack-Museum. Fotografien von Michal Iwanowski, Rafal Milach und Felipe Romero Beltrán reflektieren, wie wir unseren Körper zum Instrument unserer Gedanken und Überzeugungen machen. Wie wir über ihn unsere Haltung zu Freiheit, Feminismus oder Religion ausdrücken.

Umkämpfte Landschaften

Von „Contested Landscapes“, umkämpften Landschaften, kündet die Kunsthalle Mannheim. Hier erzählt, unter anderem, der 1985 in Ecuador geborene Misha Vallejo Prut in einer Fotostory, wie die Kichwa, ein indigenes Volk des Amazonas-Regenwalds, zu Cyber-Aktivisten wurden, um ihren Teil des Dschungels, der ihnen nicht nur Lebensraum, sondern auch ein spirituelles höheres Wesen ist, zu retten.

Um solche „Narrative des Widerstands“ gegen Landraub und Ressourcenausbeutung geht es auch in den Reiss-Engelhorn-Museen. Der Einfluss des Menschen auf Ökosysteme ist des Weiteren im Heidelberger Kunstverein dokumentiert, „Collective Minds“ sind im Port 25 gebündelt.

Biennale für aktuelle Fotografie: »From Where I Stand« – 19.3. bis 22.5. in Ludwigshafen (Kunstverein, Wilhelm-Hack-Museum), Mannheim (Kunsthalle, Port 25, Reiss-Engelhorn-Museen) und Heidelberg (Kunstverein), geöffnet: Di-So 11-18 Uhr; www.biennalefotografie.de

Der Körper als Medium des Protests: Demo gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen, 2020.
Der Körper als Medium des Protests: Demo gegen die Verschärfung des Abtreibungsgesetzes in Polen, 2020.
Aus „Shaping Data“: „Make Me Beautiful“ von Yufan Lu.
Aus »Shaping Data«: »Make Me Beautiful« von Yufan Lu.
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