Kultur Pfalztheater Kaiserslautern zeigt „The Rake’s Progress“

Szene aus der Hauptprobe: Heiko Börner als Tom Rakewell und Joanna Moskowicz in der Rolle der Anne Trulove.
Szene aus der Hauptprobe: Heiko Börner als Tom Rakewell und Joanna Moskowicz in der Rolle der Anne Trulove.

Mit Igor Strawinskys 1951 in Florenz uraufgeführter Oper „The Rake’s Progress“ präsentiert das Pfalztheater in Kaiserslautern ein zentrales Werk der Musiktheater-Moderne. Die Premiere am kommenden Samstag ist auch der Anlass für unseren nächsten RHEINPFALZ-Operntreff, bei dem wir in der Pause im oberen Foyer Regisseur Tilman Gersch zu Gast haben werden.

Theodor W. Adorno hatte ja zu so ziemlich jedem Komponisten es 20. Jahrhunderts etwas zu sagen. Streng unterteilte er die Moderne in echte und falsche Avantgarde. Schönberg, Berg, Webern – das waren für ihn die Vertreter des musikalischen Fortschritts, für Igor Strawinsky hatte er dagegen nur Spott übrig. „Musik über Musik“ nannte er dessen Schaffen, und das war bestimmt nicht als Kompliment gemeint. Der Vorwurf trifft vor allem Strawinskys neoklassizistische Schaffensphase, als deren Abschluss auch seine Oper „The Rake’s Progress“ gelten darf. In seinen späten Werken wendet sich Strawinsky dann tatsächlich der Ästhetik und Musiktheorie Schönbergs zu, findet einen eigenen Zugang, um mit dessen Reihen-Technik zu arbeiten. Dem Neoklassizismus voraus gingen Kompositionen, die man vielleicht mit dem Etikett Expressionismus versehen könnte. Die berühmteste davon – das Ballett „Le Sacre du Printemps“ – sorgte bei ihrer Uraufführung für einen der größten Skandale der Musikgeschichte. Die Menschen waren schockiert von dieser rhythmisch gepeitschten, in Dissonanzen grell aufschreienden Musik, es kam zu Tumulten. Das war bei der Premiere von „The Rake’s Progress“ ganz anders, und auch am Samstag sollte es im Kaiserslauterer Pfalztheater zu keinen Ohnmachts-attacken kommen. Diese Oper klingt wie völlig aus der Zeit gestürzt. Das überschaubare Orchester, das sich an der Partitur von Mozarts „Così fan tutte“ orientiert, gibt sich spielerisch gesittet. Alles klingt so, als sei es von einem Mozart-Zeitgenossen beziehungsweise einem Mozart-Vorgänger komponiert. Die Vorlage für das Libretto von Wystan Hugh Auden und Chester Kallmann war ja der Bilderzyklus „The Rake’s Progress“ von William Hogarth, der 1733 bis 1735 erstmals erschienen ist. Strawinskys Musik sollte nun weniger die dargestellten Szenen bebildern beziehungsweise psychologische Porträts der handelnden Personen liefern. Ihm ging es vielmehr um die musikalische Einfühlung in das 18. Jahrhundert in London. Und genau dies ist ihm mit seiner Partitur auch gelungen. Wir hören also eigentlich eine Barockoper – mit den Mitteln der musikalischen Moderne. Denn immer dann, wenn man glaubt, eine Phrase oder eine Melodiewendung schon mal gehört zu haben, lohnt der zweite Blick in die Partitur, um festzustellen, wie geschickt Strawinsky die musikalischen Stilmittel für eine Oper des 20. Jahrhunderts einsetzt. Erzählt wird ein Märchen beziehungsweise eine Parabel. Der Titelheld, Tom Rakewell, geht dem Teufel in die Falle. Der trägt den Namen Nick Shadow und erzählt Tom zu Beginn der Oper von einer großen Erbschaft, die er dank eines unbekannten Onkels gemacht habe. Nick überredet den naiven jungen Mann, mit nach London zu kommen, um seine Erbschaft zu regeln. Tom lässt seine große Liebe Anne zurück, verprasst als Lüstling haufenweise Geld, das er gar nicht besitzt, heiratet die monströse Türken-Baba und würde am Ende im Kartenspiel mit dem Teufel seine Seele verlieren, wenn Anne ihn nicht in letzter Sekunde davor bewahren würde. Doch der Teufel rächt sich und schlägt ihn mit Wahnsinn, Tom endet im Irrenhaus. Diese Geschichte zeigte auch schon der Bilderzyklus Hogarths, dort allerdings mit sozial-kritischer Intention. Hogarth wollte der Londoner Gesellschaft einen Spiegel vor Augen halten. In der Oper ist es vor allem die luftig-flirrende Musik, die seine Sozialkritik abschwächt. Termin Igor Strawinskys Oper „The Rake’s Progress“ hat am Samstag, 24. März, 19.30 Uhr, Premiere im Pfalztheater Kaiserslautern. In der Pause findet im oberen Foyer der RHEINPFALZ-Operntreff mit dem Regisseur Tilmann Gersch statt.

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