Kultur Das große Gurgeln: In Pirmasens werden die Hugo-Ball Preise verliehen

Mahr als „Leitkultur“: Hauptpreisträger Bov Bjerg.
Mahr als »Leitkultur«: Hauptpreisträger Bov Bjerg.

Da wurde gestern geschmatzt und gegurgelt im Pirmasenser Forum Alte Post, dass es dem Dadaisten Hugo Ball vielleicht eine wahre Freude gewesen wäre. So genau lässt sich das bei dem schwer zu verortenden Intellekt Balls nicht sagen. Die gestrige Verleihung der Hugo-Ball-Preise brachte wieder mal einen Hauch von Dada und intellektueller Höhenflüge nach Pirmasens. Eine viel zu seltene Gelegenheit.

Alle drei Jahre richtet sich die Aufmerksamkeit der Literaturwelt auf Pirmasens. Oder zumindest die Aufmerksamkeit eines bestimmten, an höherer Literatur interessierten Kreises, wenn die Hugo-Ball-Preise verliehen werden. Die diesjährige Preisverleihung war eine politische Mahnung und schöngeistiger Exkurs der besonderen Art zugleich. Ohne moralinsauren Zeigefinger betonte der Drehbuchautor Alfred Behrens als Laudator für den Hauptpreisträger Bjerg dessen politische Dada-Tradition, seine Rolle als Schreiber und Vorleser eingreifender Literatur, die heute im Angesicht von NPD, NSU und Rechtsterror so nötig wie damals zu Balls Zeiten sei. „Der historische Augenblick erfordert mehr Erzähler wie Hugo Ball und Bov Bjerg“, so Behrens. Der Geehrte selbst freute sich, dass er nicht nur als Autor sondern auch als Vorleser prämiert wurde. Bjerg ist Initiator mehrerer Lesebühnen in Berlin. Und er freute sich, dass es noch Städte und deren Bewohner gibt, die mit solch einem Preis aus Steuermitteln sich zur Freiheit der Kunst bekennen. Eine Kunst, die Bjerg weiter gefasst sehen will, als es die tun, die heute von „deutscher Leitkultur“ faseln. Ein Begriff, der vom Bundeskanzler-Aspiranten Friedrich Merz, dereinst losgetreten wurde. Der Berliner Bov Bjerg ist so stolz und glücklich über die Preisverleihung, dass er dies sogar auf dem Klappentext seines neusten Buches „Serpentinen“ mit der Erwähnung des Preises kundtut. Viele andere Ball-Preisträger unterschlagen die Pirmasenser Ehrung in ihren Lebensläufen.

Unter Wasser singen mit Hugo Ball und Kinga Tóth

Wie eine heutige Version der Lautgedichte von Hugo Ball klingen kann, brachte die Förderpreisträgerin Kinga Tóth eindrucksvoll zu Gehör. Als Grenzüberschreiterin und lebendiges Fragezeichen wurde sie von dem Wiener Philosophen Thomas Macho angepriesen und er hatte nicht zu viel versprochen. „Hugo Ball hat mich das Gurgeln gelehrt“, erklärte sie dem Publikum, erzählte von ihrer Kindheit in einem kleinen ungarischen Dorf, wo sie aufgefallen sei, da sie immer tanzte, malte und schrieb. Sie solle sich doch besser auf eines konzentrieren, sei ihr empfohlen worden, was ihr aber unmöglich sei, wie sie auf der Bühne der Alten Post betonte und mit ihrer Performance unterstrich, die eine sehr eigene Interpretation von Balls Gedichten „Seepferdchen und Flugfische“ sowie der berühmten „Karawane“ mit eigenen Textfragmenten darstellte. Mit der bei Musikern, Tóth ist auch auf dem Gebiet aktiv, beliebten Looptechnik brachte die gebürtige Ungarin die Ballsche Lyrik auf eine Art zu Gehör, die selbst das mit Lautgedichten erfahrene Pirmasenser Publikum in der überfüllten Alten Post noch verblüffte. „Unter Wasser singen“ nennt Kinga Tóth ihre Art von Performances. Die Gedichte Balls hängen im übrigen seit 20 Jahren in ihrer Wohnung.

Wie hört sich Ball jetzt an? So! Förderpreisträgerin Kinga Tóth.
Wie hört sich Ball jetzt an? So! Förderpreisträgerin Kinga Tóth.
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