Rheinpfalz Kühn wie die Männer: Lotte Laserstein in Frankfurt am Main

Homoerotik gehört zum neuen Frauenbild: 1928 malte Lotte Laserstein „In meinem Atelier“.
Homoerotik gehört zum neuen Frauenbild: 1928 malte Lotte Laserstein »In meinem Atelier«.

Eine Frau malt eine Frau, nackt, wie Gott sie schuf. Eigentlich keine große Sache, möchte man meinen. Aber zur Entstehungszeit des Bildes, 1928, noch immer eine Provokation.

Demonstrativ inszeniert sich die Malerin Lotte Laserstein in diesem gar nicht mal so großen, aber doch entscheidenden Gemälde als selbstbewusste Künstlerin, die nicht nur durch ihr eigenes androgynes Erscheinungsbild mit bürgerlichen Konventionen bricht. Lasziv wie Tizians Venus räkelt sich ihr recht sportliches Aktmodell auf dem plastisch modellierten Weiß des Lakens, durch das breite Panoramafenster des Ateliers schweift der Blick hinaus auf ein winterliches Häusermeer: So schnoddrig-modern wie ihre männlichen Kollegen, das wollte und konnte Lotte Laserstein auch sein.

40 Gemälde und Zeichnungen Lasrestein aus den 1920er- und 1930er-Jahren

Die Malerin gehört zu den interessantesten Wiederentdeckungen der letzten Jahre. Nachdem das Frankfurter Städel vor geraumer Zeit Lasersteins „Russisches Mädchen mit Puderdose“ erworben und damit ein überraschend starkes Bild einer bis dato unbekannten neusachlichen Malerin aus dem vermeintlichen Off hervorgezaubert hat, zeigt das Museum aktuell eine ganze Laserstein-Schau: 40 Gemälde und Zeichnungen der Künstlerin aus den 1920er- und 1930er-Jahren hat man zusammengetragen, zum größten Teil aus Privatbesitz. Zweite Station nach dem Städel ist die Berlinische Galerie. Und das mit gutem Grund. Denn ehe die jüdische Künstlerin 1937 vor den Nazis nach Schweden floh, hatte Laserstein in Berlin ihren Lebensmittelpunkt. Hier studierte die 1898 in Ostpreußen Geborene von 1921 bis 1927 an der Kunstakademie, hier hatte sie ihr Atelier, betrieb bis zur Machtergreifung Hitlers eine private Malschule und feierte erste, nicht unbeträchtliche Erfolge, vor allem mit Porträts.

Der Künstlerin der Vergessenheit entreißen

Nach 1945 geriet Laserstein, die in Schweden weitermachte und dort erst 1993 starb, hierzulande gründlich in Vergessenheit, der man sie nun – hoffentlich – ebenso gründlich entreißt. Denn mit ihren Porträts und Figurenbildern bringt Laserstein etwas ganz Spezifisches und Schönes in den Kontext der Neuen Sachlichkeit ein: nämlich eine gleichzeitig kraftvolle und sensible Unmittelbarkeit, die man so bei Otto Dix oder Christian Schad nicht findet. Bei aller Nüchternheit erscheinen Lasersteins Annäherungen an ihr Gegenüber nie kalt, entlarvend oder karikierend, sondern immer emotional beteiligt. Und auch ihr Malstil unterscheidet sich von dem ihrer veristischen Zeitgenossen: Lasersteins sanft modellierender, quasi „architektonischer“ Farbauftrag erinnert eher an deutsche Realisten des 19. Jahrhunderts wie Wilhelm Leibl, Wilhelm Trübner und Carl Schuch.


Info

Lotte Laserstein (1898-1993) – bis 17.3., Frankfurt/Main, Städel-Museum, Schaumainkai 63, geöffnet: Di, Mi, Sa, So 10-18 Uhr, Do, Fr 10-21 Uhr; Katalog: 39,90 Euro; Info: www.staedelmuseum.de.

Frontale Nähe: „Mongole“, um 1927.
Frontale Nähe: »Mongole«, um 1927.
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