Meinung Lasst die Dicken Probe sitzen

Markus Kipper wollte ein Konzert besuchen, aber er konnte nicht. Wegen seiner Körperfülle. Und wegen des Brandschutzes. Wer ebenfalls einige Kilos mit sich herumträgt, kennt die Angst vor Stühlen mit Armlehnen, vor Flugzeuggurten und vor den Blicken der anderen. So lange die Blicke abwertend sind, ist viel Verständnis und Rücksichtnahme an allen anderen Stellen gefragt.

Markus Kipper wiegt 196 Kilogramm, hatte Konzertkarten und wollte auf Nummer sicher gehen. Also rief er zwei Tage vor der Veranstaltung im BASF-Feierabendhaus an und erkundigte sich, ob sein Gewicht Probleme bereiten könnte. Er solle früh da sein, sagte man ihm am Telefon, man werde schon eine Lösung finden. Doch die Lösung fand man nicht. Und bei der Suche danach fühlte sich Kipper vorgeführt. In der festen Sitzreihe war kein Platz, mit dem eigenen Dreibeinsitz durfte er nicht im Gang sitzen und auch der Bereich für Rollstühle blieb tabu.

Die Frau am Einlass ist nicht das Problem

Natürlich kann auch die netteste Dame am Einlass nichts für die Brandschutz-Vorgaben. Aber der Türsteher des Lebens für Dicke ist auch nicht die eine Frau am Einlass. Es sind die vielen Menschen, die sich sich nicht vorstellen können, wie sich ein dicker Mensch fühlt, wenn man keinen Platz für ihn findet. Die die sich nichts dabei denken, wenn sie laut durchs Flugzeug rufen, wo denn die Frau mit dem Wunsch nach einem Verlängerungsgurt sitzt. Und es sind die, die bei der Restaurant-Bestuhlung keinen Gedanken an die Übergewichtigen verschwenden.

Wir brauchen Fingerspitzengefühl

So lange die Gesellschaft Dicken noch abschätzige Blicke zuwirft und Gnade nur dann walten lässt, wenn die Kindheit schwer war und das Schilddrüsen-Leiden heftig ist, brauchen wir Fingerspitzengefühl von den Menschen am Einlass, von den Menschen mit Gurtverlängerung und Bestuhlungsplan. Begegnet den Dicken mit Respekt. Und wenn euch das Verständnis für ihre Situation fehlt, dann lasst sie wenigstens Probe sitzen, bevor ihr die Stühle mit Armlehne kauft.