Kolumnen Kolumne: Wer verändert wen?

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Wer verändert wen? Wir die Welt oder die Welt uns? „Auf der Welt gibt es nichts, was sich nicht verändert, nichts bleibt ewig so, wie es einst war.“ Diese Weisheit stammt einem Kalenderblatt zufolge vom chinesischen Philosophen und Dichter Zhuangzi, der lange vor Christus gelebt hat. Also handelt es sich dabei um eine Weisheit, die nicht nur Jahrhunderte, sondern sogar Jahrtausende lang ihre Gültigkeit behalten hat.

Ja, im ersten Moment, mag es so aussehen, als gäbe es viel Verlässliches. Die Sonne geht jeden Morgen auf. Und selbst, wenn wir sie nicht zu Gesicht bekommen, wissen wir doch: Sie hat sich hinter den Wolken nur „versteckt“, schließlich geht jede Nacht zu Ende. Und so wie Sonne, Mond und Sterne zu lebenslangen treuen Begleitern werden, umgeben uns Menschen, die uns so vertraut sind, dass wir sie und sie uns in- und auswendig kennen. Doch es gibt genug Väter, Mütter, Geschwister und sonstige Verwandte, die aus Leben verschwinden. Keinen Kontakt zu den Eltern? Es gibt viele Menschen, die das über sich sagen können, müssen, wollen. Der Tod, ein Streit, Scheidungen, Umzüge - und da reicht manchmal schon die nächste Stadt - trennen Familien-Mitglieder voneinander. Klar, bleibt die Mutter die Mutter und der Vater der Vater. Aber auch das nur meistens. Denn es gibt ja auch Kuckuckskinder? Ein anderes Thema.

Der Entscheidungsstress fängt schon beim Weckerstellen an

Egal, ob Kopf oder Bauch entscheiden, von morgens bis abends stehen wir vor Fragen. Den Wecker früher stellen und noch zehn Minuten liegen bleiben und sich darüber freuen? Oder doch lieber auf den letzten Drücker aus den Federn springen? Oder im Sommer beim ersten Vogelgezwitscher aufstehen und die frische Morgenluft genießen? Ach so, ja, Wecker hat ja keiner mehr. Heute klingeln und ringen die Mobiltelefone, die Alleskönner.

Morgens schon Theater beim Frühstück 

Und dann das Frühstück. Jahrelang dieses Theater mit den Eiern. Cholesterin und was weiß ich. Plötzlich sind sie doch wieder gesund oder zumindest unbedenklich. Pro Jahr verdrückt jeder Deutsche im Schnitt immerhin 231 pro Jahr. Aber nun leben wir in einer Zeit, in der die männlichen Küken geschreddert werden und die armen Hühner unter tierunwürdigen Bedingungen gehalten werden. Wer war denn da zuerst? Ich, der Verbraucher, der auf den Preis schaut, oder der Lieferant, der so profitabel wie möglich haushält, dass Gesundheit und Wohl der Tiere auf der Strecke bleiben? Noch nie war Essen so kompliziert.

Kinder werden beim Einkaufen zu Dauer-Demonstranten

Für uns Verbraucher wird es langsam schwierig. Der Nachwuchs grätscht an allen Ecken und Enden dazwischen. Es gibt sie immer öfters, diese armen Eltern in Supermärkten, die von den eigenen Kindern durch die Gänge manövriert werden. Das ja. Nein, das nicht. Mama, bist du verrückt? Es gibt mitunter so laut geführte Debatten, dass alle umstehenden Wagenschieber und Körbchenhintersichherzieher volens nolens zu Mithörern werden. Fridays for future? Schön wär’s. Beim Einkaufen werden die Kids zu Dauer-Demonstranten, die ihre an die Öffnungszeiten gekoppelten Auftritte für eine bessere Welt geradezu zelebrieren. Wenigstens haben die Läden sonntags zu. Zhuangzi hätte wahrscheinlich seine helle Freude an den kleinen Weltverbesserern gehabt.

Früher haben wir selbst gekauft, heute "beziehen wir"

Das gesamte Einkaufsverhalten hat sich radikal verändert. Alles wird nur noch bezogen. Getränke, Kleidung, Reisen, Hundefutter. Das haben wir früher mal selbst erstanden, uns im Geschäft von Leuten, die’s besser wissen, beraten lassen und heimgeschleppt. Alles anders, und wie und wann haben wir es gemerkt. Als das Kind schon mit dem Bad ausgeschüttet war. Wie gut, dass alles fließt, und wir die Welt verändern können. Wenn wir wollen.

Die Autorin

Christine Kamm (53) aus Ludwigshafen arbeitet seit 2012 im Sportressort der RHEINPFALZ.

Die Kolumne

Christine Kamm und Sigrid Sebald schreiben abwechselnd in der Online-Kolumne "Ich sehe das ganz anders" über die großen und kleinen Überraschungen sowie Absurditäten des Alltags.

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