Wissen Artenvielfalt: Mit den Futterpflanzen verschwinden die Insekten

Das Hornkleewidderchen – hier auf einer Wiesenflockenblume – zählt zu den Verlierern der durch die Vereinheitlichung der Landsch
Das Hornkleewidderchen – hier auf einer Wiesenflockenblume – zählt zu den Verlierern der durch die Vereinheitlichung der Landschaft hervorgerufenen schwindenden Artenvielfalt.

Das Thema Insektensterben beschäftigt Wissenschaftler wie Naturfreunde gleichermaßen, und das nicht erst seit gestern. Im Wesentlichen stehen drei Ursachen im Verdacht, das Sterben zu verursachen: die Zerstörung der Lebensräume, der Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und der Rückgang der Futterpflanzen für Insekten. So haben Forscher der Universitäten Bonn und Zürich sowie der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) im Team nachgewiesen, dass im Kanton Zürich die Diversität der Futterpflanzen für Insekten dramatisch abgenommen hat.

„In den vergangenen rund 100 Jahren ist im Kanton Zürich ein genereller Rückgang an Futterpflanzen für unterschiedliche Insekten zu verzeichnen“, sagt Stefan Abrahamczyk vom Nees-Institut für Biodiversität der Pflanzen an der Universität Bonn. Durch die Vereinheitlichung der ursprünglich vielfältigen Landschaft sind viele Habitate verschwunden – allen voran die Feuchtgebiete, die um rund 90 Prozent schrumpften. Siedlungen breiteten sich auf Kosten der Kulturlandflächen immer mehr aus, und die generelle Intensivierung von Futter- und Ackerbau führten zu einer flächigen Verarmung der Wiesen- und Ackerhabitate. Die Wissenschaftler verglichen die Häufigkeiten von Futterpflanzen verschiedener Insektengruppen, die auf aktuelle Kartierungen der Jahre 2012 bis 2017 basieren, mit datenbasierten Einschätzungen aus den Jahren 1900 bis 1930 im schweizerischen Kanton Zürich (Schweiz).

Spezialisierte Bestäuber besonders betroffen

Insbesondere sind die Futterpflanzen spezialisierter Bestäubergruppen vom Rückgang betroffen. So wird die Scabiosen-Flockenblume (Centaurea scabiosa) von Hummeln, Bienen und Schmetterlingen bestäubt, da ihre Rüssel lang genug sind, um an den Pollen und Nektar heranzukommen. Besonders dramatisch ist der Rückgang bei Pflanzenarten, die nur von einer einzigen Insektengruppe bestäubt werden können. Zum Beispiel gelingt das beim Blauen Eisenhut (Aconitum napellus) nur Hummeln, weil ihnen offenbar das Gift dieser Pflanze nichts anhaben kann.

Insgesamt wurden alle Pflanzengemeinschaften deutlich monotoner, in denen wenige häufige Arten dominieren. „Es ist für uns kaum mehr vorstellbar, wie die Vegetation vor 100 Jahren aussah“, so Michael Kessler vom Institut für Systematische und Evolutionäre Botanik der Universität Zürich. „Aber unsere Daten zeigen, dass etwa die Hälfte aller Arten deutliche Abnahmen in ihrer Häufigkeit erfahren haben; nur zehn Prozent der Arten haben dagegen zugenommen.“

250 Freiwillige halfen bei der Kartierung

Bei der aktuellen Erhebung halfen Bürger mit, die über entsprechende botanische Kenntnisse verfügten. Sie kartierten den ganzen Kanton Zürich, indem sie im Abstand von drei Kilometern jeweils eine ein Quadratkilometer große Fläche erfassten. Im Vordergrund standen dabei die unterschiedlichen Vegetationstypen und die Häufigkeiten der verschiedenen Pflanzen. „Ohne die Mitarbeit von über 250 Freiwilligen, die nicht nur die aktuelle Flora kartiert, sondern auch die historischen Sammlungen aufgearbeitet haben, wäre ein Projekt dieses Umfangs nicht durchführbar gewesen“, sagt Thomas Wohlgemuth von der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL, der das Kartierprojekt vor zehn Jahren mit der Zürcherischen Botanischen Gesellschaft ins Leben gerufen hat.

Ergebnisse auf ganz Mitteleuropa übertragbar

Die wichtigste Quelle zur früheren Flora im Kanton Zürich war das unveröffentlichte Manuskript von Eugen Baumann, eine Sammlung aus rund 1200 handbeschriebenen Seiten. Darin sind exakte und detaillierte Informationen zum Vorkommen und zur Verbreitung von Pflanzenarten vor dem Jahr 1930 enthalten. Abrahamczyk recherchierte, welche der aufgelisteten Arten zu jenen Blütenpflanzen zählen, die von Insekten auf der Suche nach Pollen und Nektar besucht werden. Zur „Kundschaft“ zählen Bienen, Hummeln, Wespen, Schmetterlinge, Schwebfliegen, Fliegen und Käfer. „Die Ergebnisse sind mit kleinen regionalen Einschränkungen auf ganz Mitteleuropa übertragbar“, ist sich Abrahamczyk sicher.

Diese Erdhummel hat eine Filzklette als Landeplatz auserkoren. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge leisten durch den Besuch von B
Diese Erdhummel hat eine Filzklette als Landeplatz auserkoren. Hummeln, Bienen und Schmetterlinge leisten durch den Besuch von Blüten einen unschätzbaren Wert bei der Bestäubung von Pflanzen.
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