Wirtschaft Wohn-Tipp: Große Freiheit auf Balkonien

Wie frei man bei der Gestaltung des Balkons ist, hängt davon ab, ob man Besitzer einer Eigentumswohnung oder Mieter ist.
Wie frei man bei der Gestaltung des Balkons ist, hängt davon ab, ob man Besitzer einer Eigentumswohnung oder Mieter ist.

«Ludwigshafen». Frühling, Wärme, Sonnenliege: Millionen Bundesbürger haben in diesen Tagen die Freiluftsaison eingeläutet. Da werden Balkon, Terrasse oder Garten bepflanzt, Markisen und Sichtschutz angebracht, Sandkasten, Grill und Gartenmöbel aufgestellt, die Wäsche wieder draußen aufgehängt. Mein Balkon gehört mir: Darauf dürfen Millionen Mieter getrost bauen, wenn sie ihre Freiluft-Quadratmeter nutzen und gestalten wollen.

Das deutsche Mietrecht räumt ihnen überraschend viel Freiheit ein – solange niemand massiv gestört wird. Sogar grillen ist erstmal kein Tabu. Von so viel mediterraner Lebenslust können Besitzer von Eigentumswohnungen nur träumen. Denn ihr Balkon ist Gemeinschaftseigentum und gehört – allen. Selbst für Geranienkästen kann das Okay der Miteigentümer nötig sein. Was Mietern und Eigentümern erlaubt ist – und wann andere definitiv ein Wörtchen mitzureden haben: Das sagt das Mietrecht Mieter haben es gut. Haben sie eine Wohnung oder ein Haus mit Balkon, dürfen sie diesen grundsätzlich so nutzen, wie sie wollen. Er gehört zur vermieteten Bleibe dazu, wie Ulrich Ropertz erläutert, Sprecher des Deutschen Mieterbunds. Das gilt auch für die Terrasse oder den mitgemieteten Garten. Der Bewohner kann dort Gartenstühle, Bänke, Tische, einen Sandkasten oder Sonnenschirme aufstellen. Er darf sein kleines Reich begrünen und bepflanzen, Rankgitter montieren, Sichtschutz und Blumenkästen am Balkongeländer anbringen, auch außen, solange sie richtig befestigt sind. Außerdem im grünen Bereich: am Balkon und im Garten die Wäsche trocknen, Gäste empfangen, mit Freunden zusammensitzen, Kaffee trinken, reden, lachen. Auch Kinder können dort spielen und Freunde mitbringen. Sogar gegen nackt sonnen und im aufblasbaren Mini-Pool planschen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Hier wird es kritisch Die Grenze der freien Verfügung ist immer dann erreicht, wenn Nachbarn massiv gestört oder die Rechte des Hauseigentümers beeinträchtigt werden, wie Ropertz betont. Wer den Balkon im Sommer als Disco nutzt, die Terrasse in einen Schrottplatz verwandelt oder den gemieteten Garten verwildern lässt, muss sich Beschwerden gefallen lassen. Eine vertragsgemäße Nutzung der Mietsache ist dann nicht mehr gegeben. Rücksicht ist wichtig: Schimpft der Nachbar unten über wuchernde Pflanzen, die stark über die Brüstung hinaus wachsen und für Schatten und Dreck von oben sorgen, muss der Blumenfreund die Blütenpracht stutzen. Aber: Fallen von oben ein paar Blätter auf den Balkon darunter oder hat ein Bewohner mal wieder Gießwasser verschüttet, muss der Nachbar das dulden – auch wenn es ihn vielleicht nervt. Das gilt für Eigentumswohnungen Besitzer von Eigentumswohnungen sind in ihrer Gestaltungsfreiheit deutlich stärker beschränkt als Mieter: Ihr mitgekaufter Balkon oder die Terrasse gehören – meist mit Ausnahme des Bodenbelags wie etwa Klinker oder Kacheln – der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG). Also auch allen Miteigentümern. Die Folge: Selbst beim Einrichten und Dekorieren der eigenen Freiluft-Quadratmeter haben alle mitzureden. Das sorge im Sommer für mächtig viel Frust, sagt Gabriele Heinrich, geschäftsführendes Vorstandsmitglied beim Verband „Wohnen im Eigentum“. Ein Blick in Teilungserklärung, Gemeinschafts- sowie Hausordnung macht schnell klar: Der Eigentümer darf in der Regel gerade mal Stühle, Tisch, Sonnenschirm und Blumentöpfe auf Balkonien aufstellen, eventuell noch einen Grill. Bei allem anderen muss er sich fügen oder um Erlaubnis fragen. Will er etwa den Balkon mit Blumenkästen verschönern, die man von außen sehen kann, zählt das meist schon als bauliche Änderung. Und die muss genehmigt sein, wie Heinrich berichtet. Das gilt selbst bei Detailfragen wie „Geranien oder Männertreu?“. WEGs können bestimmte Pflanzen verbieten, um eine einheitliche Optik zu sichern. Erst recht keine freie Wahl gibt es für Projekte wie einen Sichtschutz aus Schilfmatten oder Segeltuch, fürs Aufhängen von Lichterketten und Lampions, für die Balkonverglasung oder seitliche Trennwände. Auch die Markise darf nur in der Farbe angeschafft werden, die zum Gesamtbild der Wohnanlage passt. „Dem Einzelnen gehört, salopp gesagt, eigentlich nur die Luft zwischen den Wänden“, sagt Eva Reinhold-Postina, Sprecherin des Verbands privater Bauherrn (VPB). Grenzen für alle Draußen rauchen ist in Mehrfamilienhäusern nicht grenzenlos erlaubt – weder Mietern noch Eigentümern. Fühlt sich ein Nachbar durch aufziehenden Tabakqualm vom Balkon unter ihm stark gestört, kann er einen zeitweisen Rauchstopp respektive „rauchfreie Zeiten“ einfordern, wie der Bundesgerichtshof entschied (BGH V ZR 110/14). Dürfen Mieter in den Garten, können sie ihn auch nutzen und bepflanzen. Aber: Wer auf eigene Kosten Bäume oder Sträucher setzen oder Vorhandenes entfernen will, sollte das immer mit dem Vermieter absprechen. In der Regel ist der Hausbesitzer für Gartenarbeiten wie Vertikutieren, Düngen oder Rasen mähen zuständig. Beauftragt er eine Gartenbaufirma, darf er die Kosten auf die Mieter umlegen. Hat nur ein Bewohner den Garten eines Mehrfamilienhauses gemietet, ist dieser auch zur Gartenarbeit verpflichtet. Stellt ihm der Vermieter keine Geräte wie einen Rasenmäher, muss er einen aus der eigenen Tasche kaufen und instandhalten. Für Eigentümer in WEGs gilt: Wer eine Gartenfläche zur Sondernutzung hat, kann sie trotzdem nicht einfach nach eigenem Geschmack bepflanzen. Auch hier gibt es fast immer Vorgaben. Streitfrage Grillfest Mieter dürfen auf Balkon, Terrasse und im Garten meist nach Herzenslust grillen – solange es nicht ausdrücklich im Mietvertrag verboten ist. Und solange der Rauch vom Holzkohlegrill nicht in Nachbarwohnungen zieht und stört. Bislang entschieden die Gerichte in der nationalen Streitfrage „Grillen: Ja oder nein, und wie oft?“ eher großzügig. Zeitliche Vorgaben, dass man beispielsweise nur ein Grillvergnügen pro Monat haben darf, seien reine Einzelfallentscheidungen von Gerichten und nicht die Regel, betont Ropertz. Rechtlich strittig ist, ob der Vermieter ein Grillverbot als Vorschrift in der Hausordnung durchsetzen darf. Der Mieterbund meint: nein. Der Eigentümerverband Haus und Grund hält es für rechtens. Notfalls muss das Gericht entscheiden. Alexander Wiech, Sprecher von Haus und Grund, empfiehlt, auf Balkonen aus Rücksicht nur Elektrogrills zu verwenden. Auch beim Grillen haben WEG-Eigentümer häufig die schlechteren Karten. Denn: WEGs dürfen ein Verbot fürs Grillen mit offener Flamme verhängen. Das hat das Landgericht München klargestellt (Az.: 36 S 8058/12 WEG). So viel Lärm darf sein Hartnäckig halten sich Gerüchte wie: Jeder Bürger habe ein Recht auf Party und dürfe einmal im Monat oder dreimal im Jahr so richtig auf die Pauke hauen, erst recht im Sommer. „Das gehört ins Reich der Märchen“, winkt Ropertz ab. Was zähle, und zwar ohne Ausnahme, seien die Landesimmissionsschutzgesetze. Sie gelten für alle Bürger. Und sie schreiben klar vor: Ab 22 Uhr muss Schluss sein mit Lärm, lauter Musik und Gelächter im Freien. Dann beginnt die Nachtruhe. Auch im Sommer. Fenster und Türen sind zu schließen. Aber auch drinnen darf nicht mehr lautstark weitergefeiert werden. Da geht die Rücksichtnahme auf die Nachbarn vor, und das freie Nutzungsrecht endet – für Mieter wie für Eigentümer in Wohnanlagen gleichermaßen.

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