Tourismus Messe in Stuttgart: Reiseboom mit Schattenseiten

Auch das sind die Philippinen, das Gastland der CMT in Stuttgart: Wälder und Bergdörfer.
Auch das sind die Philippinen, das Gastland der CMT in Stuttgart: Wälder und Bergdörfer.

Zu Beginn der größten Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit, der CMT in Stuttgart, ist die Stimmung gut. Viele Deutsche haben Lust auf Urlaub und offenbar genug Geld. Andere müssen deutlich knapper kalkulieren.

An diesem Samstag startet mit der CMT in Stuttgart die weltweit größte Publikumsmesse für Tourismus und Freizeit, wie die schwäbischen Veranstalter stolz betonen. Rund 1600 Aussteller präsentieren bis zum 21. Januar ihre Neuheiten und Urlaubsideen, vom Caravaning über Fahrrad-, Wander-, Golf- und Wellnessreisen bis zu Kreuzfahrten. Die Stimmung ist relativ gut – denn nach den trüben Corona-Jahren haben viele Deutsche Lust, verschobene Urlaubspläne zu verwirklichen.

Satte 78 Milliarden Euro Einnahmen und vier Prozent Umsatzwachstum in diesem Jahr erwartet der Deutsche Reiseverband bei Pauschal- und Individualreisen.

Trips nach Amerika und Asien gefragt

Besonders meist hochpreisige Trips gen Amerika und Asien sind derzeit gefragt. Was zeigt, dass es auch bei schwacher Konjunktur und schmerzhafter Kaufkraftverluste eine Klientel gibt, die beim Urlaub nicht sparen will oder muss. Auf der anderen Seite verzichtet laut Umfragen jedes Jahr rund ein Fünftel der Bundesbürger ganz aufs Reisen, häufig aus finanziellen Gründen und mit steigender Tendenz. Denn die Auszeit vom Alltag ist deutlich teurer geworden. Die Preise fürs Fliegen, für Ferienunterkünfte und Pauschalangebote haben nach Corona teils massiv angezogen.

Bei knappen Haushaltsbudgets sowie höheren Lebensmittel- und Energiekosten muss manche Fahrt erst mal abgeblasen werden. 2024 soll es aber keine weiteren Preissprünge beim Reisen geben.

Wenn aus Reiselust Reisefrust wird

Dennoch erwartet die Branche, dass die Anzahl der Kunden eher leicht schrumpft und die Ausgaben häufiger auf einen größeren Urlaub im Sommer konzentrieren werden. Es dürfte noch dauern, bis der Tourismus den tiefen Absturz zu Pandemiezeiten überwunden hat. Über Jahrzehnte bejubelte die Branche einen Rekord nach dem anderen, ihr Erfolg sorgte für Investitionen, Jobs und mehr Wohlstand gerade auch in ärmeren Staaten. Bis 2019 wuchs die Anzahl internationaler Touristen weltweit auf fast 1,5 Milliarden, doch in den Corona-Jahren fielen drei Viertel davon wegen der massiven Reisebeschränkungen weg – mit teils brutalen Folgen für plötzlich arbeitslose Menschen in betroffenen Urlaubsländern.

Die Schattenseiten der Sonnenbranche werden gerne verdrängt. Mit den wieder anschwellenden Touristenströmen kommen auch altbekannte Probleme zurück. Flugverkehr schädigt Klima und Umwelt, beliebte Ziele wie Mallorca, Venedig, Florenz, Barcelona oder Dubrovnik sind oft so überlaufen, dass Einheimische immer lauter gegen die Auswüchse protestieren. Aus Reiselust wird Reisefrust, wenn sich Menschenmassen in Altstadtgassen, vor Sehenswürdigkeiten und Museen stauen.

Touristenströme müssen besser gesteuert werden

Touristenströme müssen besser gesteuert werden, sonst riskiert die Branche den Kollaps überlaufener Destinationen und damit die Grundlage ihres Geschäfts. Die Geschichte des Massentourismus ist seit Beginn auch eine Geschichte zubetonierter Meeresküsten und Alpenregionen, zersiedelter Städte und zerstörter Naturstrände. Oft gab es Appelle zur Besserung, aber es folgten zu selten wirksame Taten.

Etwas Mäßigung und Achtsamkeit jedes Einzelnen könnte schon helfen. Wer nachhaltig unterwegs sein will, versucht umweltschädliche Flüge und Kurzreisen zu reduzieren, bevorzugt die preisgünstige Nebensaison und bleibt dafür länger. Gerade Städtereisen sind im Winter viel entspannter und billiger, die Reisebranche sollte mehr attraktive Paketangebote für Bahn- und Busanreisen schnüren. Kreuzfahrt-Reedereien und Häfen stimmen inzwischen Tourenpläne besser ab, damit nicht 15.000 Passagiere gleichzeitig von mehreren Megalinern in enge Altstädte strömen. Die Politik wiederum sollte die gewerbliche Vermietung knapper Stadtwohnungen an Touristen in großem Stil über Portale wie Airbnb konsequent unterbinden. Die Besteuerung des Flugbenzins ist überfällig. Zudem muss der Ausbau von Airports und Häfen sowie der Bau von noch mehr Hotels viel stärker daran gemessen werden, wie viele Touristen eine Region eigentlich verkraften kann.

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