Wirtschaft Leitartikel: Bedrohliche Lage

Trotz Staatskredits sind bei der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin bald die ersten Flugausfälle zu befürchten. Die Gläubiger sollten deshalb rasch

entscheiden. Dabei sollten wirtschaftliche Aspekte vorrangig sein. Auch Großaktionär Etihad hat nie die richtige Strategie gefunden, um Air Berlin am Leben erhalten zu können.

Bisher ist nur eines klar: Der Traum von Joachim Hunold ist ausgeträumt. Der Gründer von Air Berlin, der die Fluggesellschaft immerhin zur Nummer zwei in Deutschland aufgebaut hatte, muss nun zu sehen, wie sein Unternehmen auseinander fällt. Dabei ist es nicht nur Hunolds Fehler, dass Air Berlin in die Pleite gerutscht ist. Schließlich haben auch seine Nachfolger als Vorstandschefs und auch der Großaktionär Etihad nie die richtige Strategie gefunden, um das Unternehmen am Leben erhalten zu können. Air Berlin ist nicht die einzige Fluglinie, die gescheitert ist. Das liegt vor allem daran, dass sich die Luftfahrtindustrie in den vergangenen Jahren dramatisch gewandelt hat. Tagsüber bei Aldi einkaufen und abends im Sterne-Restaurant essen gehen – so hat der frühere Lufthansa-Chef Wolfgang Mayrhuber mal die Entwicklung beschrieben. Man hat sich an niedrige Ticketpreise gewöhnt, beklagt sich aber dann auch oft genug über mangelnden Service oder Verspätungen. Billigflieger wie Ryanair oder Easyjet haben hier in Europa die Vorreiter gespielt. Für Traditionsgesellschaften wie die Lufthansa aber ist daraus ein gewagter Spagat geworden, den die Lufthansa durch die Gründung von Eurowings in den Griff bekommen möchte. Air Berlin, diese Kritik muss sich wohl doch der Gründer anrechnen lassen, wollte auf allen Feldern mitspielen: innerdeutsch, europäisch, interkontinental, im Ferien-, wie im Linienverkehr. Spätestens mit dem Einstieg von Etihad hätte sich das Unternehmen darauf konzentrieren müssen, nur noch ein Zubringer für die Langstreckenflüge der Araber zu werden. Wie aber soll es jetzt weitergehen? Air Berlin, Lufthansa und auch die Bundesregierung haben offenbar schon beschlossen, dass eine Fortführung des Unternehmens so nicht mehr möglich ist – was vor allem den ehemaligen Luftfahrtunternehmer Hans-Rudolf Wöhrl erzürnt, der sich die Sanierung als Ganzes zutraut, vorerst aber keinen Blick in die Bücher werfen will. Ryanair-Chef Michael O`Leary warf der Politik diese Woche erneut abgekartetes Spiel vor und will für den irischen Billigflieger nun doch kein Angebot abgeben. In der Tat läuft der Prozess nicht ganz glücklich, vor allem die Politik hat sich sehr schnell auf eine Strategie festgelegt. Natürlich käme es der Lufthansa sehr entgegen, weitere Teile von Air Berlin zu übernehmen, um den Aufbau ihrer „Günstiglinie“ Eurowings forcieren zu können, mit der sie den Spagat besser bewältigen kann. Und natürlich kann man den Luftverkehr auch nicht mit einer nationalen Brille sehen. Die Angst, dass Flüge innerhalb Deutschlands teurer würden, wenn die Lufthansa zusätzliche Marktanteile bekäme ist unbegründet – schon lange muss sich der Kranich damit abfinden, dass nicht nur Air Berlin, sondern auch Easyjet und Ryanair und andere ihr Kunden auch auf deutschen Flughäfen abjagen. Außerhalb der deutschen Grenzen ist der Wettbewerb ohnehin so stark wie nie zuvor. Daher haben sich weltweit mehrere Allianzen gebildet, angefangen mit der Star Alliance von Lufthansa und United Airlines. Entscheidend ist jetzt, dass möglichst schnell eine Lösung gefunden wird. Die Kunden von Air Berlin sind verunsichert, schon bald sind erste Flugausfälle trotz des Staatskredits zu befürchten. Die ersten Konkurrenten buhlen bereits um die Piloten der Berliner, die Lage ist bedrohlich. Allerdings ist das Problem nicht einfach zu lösen. Obwohl die Lufthansa ihr Interesse an dem Charterflieger Niki deutlich gemacht hat, würde dieser Air-Berlin-Ableger objektiv gesehen möglicherweise besser zu Condor, Tui oder Easyjet passen. Aber die Entscheidung liegt bei den Gläubigern. Und hier sollten wirtschaftliche Gesichtspunkte vorrangig sein, durch die die Arbeitsplätze bei Air Berlin weitgehend gesichert werden können – und die Politik sollte sich möglichst heraushalten.

x