ERNÄHRUNG UND LANDWIRTSCHAFT Grüne Woche: Nachhaltigkeit das große Thema

Ein Blick vorab in die hier noch unfertige Halle des Landwirtschaftsministeriums der Grünen Woche in Berlin.
Ein Blick vorab in die hier noch unfertige Halle des Landwirtschaftsministeriums der Grünen Woche in Berlin.

Nach zwei Jahren Corona-Pause beginnt am Freitag in Berlin die Grüne Woche. Auf der größten Agrarschau der Welt präsentieren sich weniger Aussteller als vor der Pandemie. Kritiker fordern eine klima- und tierschonendere Lebensmittelproduktion.

Für Dirk Hoffmann ist es ein großer Moment: „Nach 1096 Tagen ist die Internationale Grüne Woche zurück in der Hauptstadt“, sagt der Geschäftsführer der landeseigenen Messe Berlin GmbH erfreut. Zwei Mal musste die größte Landwirtschaftsmesse der Welt wegen Corona ausfallen. Ab Freitag wird die Grüne Woche nun wieder für zehn turbulente Tage zur wichtigsten Bühne der Agrar- und Ernährungswirtschaft. Mehrere 100.000 Besucher werden bis 29. Januar unterm Funkturm erwartet.

Es gibt viel zu sehen und zu probieren. Rund 1400 Aussteller aus 60 Ländern werden ihre Sortimente und Neuheiten präsentieren. Regionale und internationale Unternehmen bieten ihre Erzeugnisse an, von Fleisch-, Wurst-, Milch- und Käseprodukten bis hin zu Wein, Bier und Säften. Auf 115.000 Quadratmetern locken zudem Sonderschauen zur Land- und Forstwirtschaft sowie zum Gartenbau, besonders beliebt sind traditionell die Blumenhalle, die Tierhalle und der „Erlebnis-Bauernhof“. Die Ernährungsindustrie zeigt die Sonderschau „Wie schmeckt die Zukunft“. Die Bundesregierung ist mit drei Sonderschauen des Landwirtschaft-, Entwicklungs- und Umweltministeriums vertreten.

Neustart fällt etwas kleiner aus

Der Neustart fällt allerdings kleiner aus als erhofft. Vor der Pandemie steuerte die Grüne Woche noch auf Rekordkurs. Bei der letzten Veranstaltung vor drei Jahren verzeichnete die Messe mit mehr als 1800 Ausstellern aus 72 Ländern die höchste Beteiligung ihrer inzwischen 97-jährigen Geschichte. Dieses Mal sind rund 400 Teilnehmer weniger dabei und auch die Anzahl der beteiligten Länder ist deutlich geschrumpft.

Das Branchentreffen steht erneut im Zeichen der Klimadebatte und Nachhaltigkeit und wird von mehr als 300 Fachveranstaltungen begleitet. Zum 15. Global Forum for Food and Agriculture werden mehr als 2000 Fachleute aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft erwartet, darunter 80 Agrarministerinnen und -minister. Der deutsche Ressortchef Cem Özdemir (Grüne) appelliert zur Grünen Woche an die Verbraucher, auf Nachhaltigkeit zu achten: „Wie wir uns ernähren, hat erheblichen Einfluss auf das, was die Landwirtschaft produziert und wie sie es produziert wird.“

Von Protesten begleitet

Die Grüne Woche wird von Protestaktionen begleitet. Am Samstag startet wie bereits in vorigen Jahren die Demonstration „Wir haben es satt!“, die sich für eine mehr umwelt-, tier- und klimaschonende Landwirtschaft stark macht und zu der mehrere tausend Teilnehmer erwartet werden. Der Protestzug durch Berlins Mitte und das Regierungsviertel wird wieder bis zum Brandenburger Tor ziehen, wo mittags eine Kundgebung stattfindet.

Ohne eine Agrarwende weg von der Massenproduktion werde „die Überhitzung des Planeten und das dramatische Artensterben weitergehen“, warnt der Umweltverband BUND in seinem Aufruf. Die Politik müsse durch Mehrwertsteuersenkungen mehr Pflanzliches auf die Teller bringen und pestizidfreie Lebensräume für Insekten sichern. Bäuerliche Tierhaltung müsse erhalten bleiben, mit weniger Tieren, die dafür „deutlich besser gehalten werden“.

„Sozial gerechte“ Ernährungswende gefordert

Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert auch mit Blick auf teils drastisch gestiegene Lebensmittelpreise – Gemüse etwa ist 2022 gegenüber dem Vorjahr um 10,7 Prozent teurer geworden – „eine sozial gerechte Ernährungswende“. Als konkrete Schritte müsse unter anderem die an Kinder gerichtete Lebensmittelwerbung strenger reguliert und die Mehrwertsteuer auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte abgeschafft werden, um gesunde Ernährung preiswerter zu machen. „Unser Ernährungssystem ist nicht nachhaltig und geht zu Lasten künftiger Generationen“, kritisiert Verbandschefin Ramona Pop.

Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie betont, die Branche stehe zwischen Inflation und Innovation. „Wir müssen auf steigende Kosten bei Rohstoffen und Energie reagieren und zugleich Kapazitäten für Innovationen und Nachhaltigkeit bereitstellen“, sagt Verbandschef Christian von Boetticher. Ernährungssicherheit sei „keine Selbstverständlichkeit“, sagt der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, mit Blick auf ärmere Regionen in der Welt.

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