Meinung GDL-Chef Weselsky: Streik als Selbstzweck

GDL-Chef Claus Weselsky (hier am 12. August in Dresden) freut sich, wenn es ihm gelingt, den Bahnverkehr lahm zu legen. Wer auf
GDL-Chef Claus Weselsky (hier am 12. August in Dresden) freut sich, wenn es ihm gelingt, den Bahnverkehr lahm zu legen. Wer auf die Bahn angewiesen ist, hat dagegen nichts zu lachen.

Die Lokführergewerkschaft GDL hat fünf Tage lang weite Teile des Bahnverkehrs lahmgelegt. Unter den Streiks leiden vor allem diejenigen, die im Unterschied zu GDL-Chef Claus Weselsky weder auf einen Dienstwagen zurückgreifen noch fliegen können.

Am Dienstag ist der bisher längste Streik im diesjährigen Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn (DB) zu Ende gegangen. Wegen des fünftägigen Streiks der Lokführergewerkschaft GDL wurde die Intendantenwahl beim Deutschlandradio verschoben. Das ist vielleicht noch relativ leicht zu verschmerzen. Es gibt eine ganze Reihe gravierenderer Auswirkungen, etwa bei Paten, die wegen des GDL-Streiks nicht an der Taufe ihres Patenkindes teilnehmen konnten. Viele Arbeitnehmer (gerade auch solche, die viel weniger als Lokführer verdienen) haben große Probleme, an ihren Arbeitsplatz zu kommen. Für sie muss es wie Hohn klingen, wenn Weselsky sich mit aggressiver Rhetorik als Verteidiger der kleinen Leute aufspielt und selbst mit Dienstwagen und Flugzeug durch Deutschland reist. Diese Möglichkeit haben die meisten, die unter dem von ihm angezettelten Streik zu leiden haben, nicht.

Machtkampf mit der EVG

Je länger die GDL-Streiks dauern, desto deutlicher wird, dass der Arbeitskampf für Weselsky offenbar Selbstzweck ist, weil er hofft, dass ihm die Streiks in seinem Machtkampf mit der größeren Eisenbahnergewerkschaft EVG helfen. Das erklärt, warum er auf jedes Entgegenkommen der DB bei den Themen Corona-Prämie und Laufzeit mit immer hysterischer klingenden Absagen reagiert und die Erfüllung aller seiner Forderungen zur Bedingung für weitere Verhandlungen macht.

Dass die Pfalz im Vergleich zu anderen Regionen bei den GDL-Streiks bisher noch relativ glimpflich weggekommen ist und bei der S-Bahn Rhein-Neckar hier immerhin noch stündlich Züge fahren, liegt vor allem daran, dass in der Rhein-Neckar-Region offenbar mehr Lokführer bei der EVG als bei der GDL organisiert sind. Die EVG ist stärker als die GDL dafür sensibilisiert, dass die Gehälter des Bahnpersonals letztlich von den Kunden der DB bezahlt werden und man die Kunden deshalb möglichst nicht verprellen sollte.

EVG verhandelt lieber als zu streiken

Die EVG streikt nur selten und setzt stattdessen auf Verhandlungen, bei denen sie offenbar mindestens so erfolgreich war wie die GDL. Hagen Lesch, Tarifexperte des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), kam in einer am vergangenen Donnerstag veröffentlichten Studie zu dem Ergebnis, dass die EVG ähnlich hohe Löhne wie die GDL erzielte, ohne dabei so aggressiv auf dem Rücken der Bahnkunden aufzutreten wie die GDL. In diesem Zusammenhang nannte er seit 2007 Lohnsteigerungen um 48,1 Prozent für die GDL-Mitglieder und 50,5 Prozent für die EVG-Mitglieder. Lesch meint, die GDL habe sich ohne Not in die Bredouille gebracht, als sie im vergangenen Herbst eine Schlichtung platzen ließ.

Weselsky hofft nun, durch den Streik Mitglieder auch in den Berufsgruppen zu finden, in denen die GDL bisher nicht vertreten war. Der aktuelle Streik zeigt allerdings, dass ihm dies kaum gelungen ist, auch wenn rund 7000 streikende Lokführer ausreichen, um große Teile des deutschen Bahnverkehrs lahm zu legen. Weselsky beansprucht aber, auch die Berufsgruppen zu vertreten, bei denen die GDL kaum Mitglieder hat. Dies ist nun der Kern des aktuellen Tarifkonflikts.

Kaum Verständnis für GDL-Streiks

CDU-Mitglied Weselsky hat einige Fans in (meist linken) Kreisen, denen es im deutschen Arbeitsleben (normalerweise) zu friedlich zugeht. Beim breiten Publikum ist der diesjährige GDL-Streik dagegen ausweislich von Umfragen noch unpopulärer als frühere, und das schon anfangs nicht große Verständnis der Bevölkerung sinkt mit jeder Streikwelle weiter. Das liegt wohl vor allem an zwei Faktoren. Zum einen wirkt der GDL-Streik angesichts der Corona-Pandemie und wachsenden Infektionszahlen skandalös. Hinzu kommt das Thema Klimaschutz, für den der Schienenverkehr dringender denn je gebraucht wird. Auch in dieser Hinsicht sind Weselskys Streiks völlig unverantwortlich. Sympathie und Solidarität haben nicht Weselsky und die GDL verdient, sondern diejenigen Eisenbahner, die während der GDL-Streiks ein Mindestmaß an klimaschonender Mobilität per Bahn ermöglichen.

Zum Hintergrund: Der Kampf um den Bahn-Konzern

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