Autoabgas-Skandal Dieselbetrug: Keiner muss ins Gefängnis

Wegen Betrugs durch Unterlassungverurteilt: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler.
Wegen Betrugs durch Unterlassungverurteilt: Ex-Audi-Chef Rupert Stadler.

Vor knapp acht Jahren wurde der VW-Dieselskandal aufgedeckt. Nun hat ein deutsches Gericht erste Urteile gefällt. Für die drei Audi-Manager fallen sie angesichts des hohen Schadens, den sie angerichtet haben, recht glimpflich aus.

Die Urteile fielen am 172. Verhandlungstag. Es waren die erwarteten Schuldsprüche, die Richter Stefan Weickert am Landgericht München im Strafprozess um den Diesel-Abgasbetrug im VW-Konzern fällte. Den früheren Audi-Chef Rupert Stadler verurteilte er wegen Betrug durch Unterlassung zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Dazu kommt eine finanzielle Bewährungsauflage von 1,1 Millionen Euro. Zwei Jahre ebenfalls auf Bewährung nebst 400.000 Euro Geldauflage wurden gegen Wolfgang Hatz als einstigem Chef der Audi-Motorenentwicklung verhängt. Ingenieur Giovanni P. als dritter Angeklagter im Bunde kam mit 21 Monaten Bewährung und 50.000 Euro Geldauflage davon. Hatz und P. waren dabei anders als Stadler unmittelbar an den Manipulationen beteiligt.

Das ist das Ergebnis eines zweidreiviertel Jahre dauernden Mammutprozesses, in dessen Verlauf mehr als 190 Zeugen und vier Sachverständige gehört sowie über 1400 Dokumente gesichtet wurden. Gesprochen ist damit auch das erste strafrechtliche Urteil im VW-Dieselskandal vor einem deutschen Gericht. Rechtskräftig ist es noch nicht. Zumindest im Fall von Stadler und P. dürfte das aber nach Ablauf einer einwöchigen Einspruchsfrist soweit sein.

Geständnis ohne erkennbare Reue

Denn dem Spruch Weickerts war eine jüngste Verständigung mit Staatsanwaltschaft und Verteidigung vorangegangen. Die Wahl zwischen Geständnis oder Gefängnis hatte der Richter den bis dahin jede Schuld leugnenden Stadler und Hatz angeboten. Beide gestanden ohne erkennbare Reue oder persönliche Worte. Ihre Schuldeingeständnisse wurden von Rechtsanwälten verlesen. Im Rahmen der getroffenen Verständigung blieben jetzt die Urteile. „Sehr zufrieden“ sei die Staatsanwaltschaft mit dem für Stadler, erklärte eine Sprecherin. Wenn das Urteil in einer Woche rechtskräftig wird, gilt der 60-Jährige dann als vorbestraft.

Bei Hatz sieht es anders aus. „Wir prüfen das Urteil und entscheiden dann über eine Revision“, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die hatte für den 64-Jährigen wegen der Schwere seiner Schuld drei Jahre und zwei Monate Haft gefordert, was auf Bewährung rechtlich nicht mehr möglich ist. Im Falle einer Revision droht Hatz damit immer noch Gefängnis. Der frühere Audi-Chef als hochrangigster Betrüger bleibt auf alle Fälle ein freier Mann. Eine Regung war ihm bei Verkündung des Urteils nicht am Gesicht abzulesen.

Schäden sind immens

Die vom verurteilten Trio verursachten Schäden indessen sind immens. Im Falle von Hatz und P. bezifferte sie Richter Weickert auf gut 2,3 Milliarden Euro. Beide hätten maßgeblich daran mitgewirkt, dass in fast 95.000 Dieselautos eine Abschaltvorrichtung für die Abgasreduzierung verbaut wurde. „Herr Hatz hat erkannt, dass das gesetzlich unzulässig sein könnte, in der Hoffnung nicht entdeckt zu werden“, betonte Weickert. Die Tragweite des Tuns sei ihm bewusst gewesen.

In einem anders gelagerten Tatvorwurf habe Stadler sich des Betrugs durch Unterlassung schuldig gemacht und einen Schaden von gut 41 Millionen Euro mitverursacht, erklärte Weickert. Denn bis 2018 habe der damalige Audi-Chef über 17.000 Diesel-Audis in Deutschland verkaufen lassen, obwohl er zahlreiche Hinweise darauf hatte, dass darin eine illegale Betrugssoftware verbaut war. Stadler sei zwar hinsichtlich dessen immer wieder von Untergebenen belogen worden, hätte es aber spätestens ab Mitte Juli 2016 besser wissen und einen Verkaufsstopp verordnen müssen, stellte Weickert klar.

Weltweit Luft auf Straßen verpestet

„Er hatte einen verlässlichen Überblick mit konkreten Anhaltspunkten über Gesetzesverstöße“, sieht der Richter mit Blick auf Stadler als erwiesen an. Stadler habe ernsthaft die Möglichkeit erkannt, dass Dieselautos verbotene Software enthalten, dennoch nicht einmal Händler oder Käufer darüber informiert und dabei vorsätzlich gehandelt, um den Absatz sicherzustellen.

Staatsanwalt Nico Petzka hatte den Bogen der Verantwortlichkeit bei seinem Plädoyer vor Wochenfrist weiter gespannt. „Das sind nicht die einzigen Schuldigen“, hatte er mit Blick auf das Angeklagtentrio betont. Es gebe eine große Anzahl weiterer Verantwortlicher bei Konzernmutter VW und Tochter Audi. Manager hätten vielfach Druck auf Untergebene erzeugt. Den einen Hauptschuldigen gebe es nicht. VW, Audi und Stadler selbst hatten dagegen lange eine kleine Zahl von Ingenieuren aus der vierten und fünften Hierarchieebene als allein Verantwortliche hingestellt und damit Topmanager aus der Schusslinie genommen. Klar wurde im Prozess auch, dass das Kraftfahrtbundesamt als Aufsichtsbehörde nicht in der Lage oder willens war, wirksam Aufsicht zu führen. Von Behörden aufgedeckt wurde der Abgasskandal auch deshalb nicht zufällig in den USA.

Abgasreinigung auf Straße weitgehend deaktiviert

Technische Gründe wie Motorenschutz hatte der Betrug dabei nie, betonte Weickert. Das sei nur vorgeschoben gewesen. Vielmehr wollten Vertrieb und Management den Verbrauch der zur Abgasreduzierung nötigen Flüssigkeit Adblue willkürlich begrenzen. Gerade einmal 4 Prozent der eigentlich für saubere Abgase nötigen Adblue-Menge habe die Betrugssoftware zugelassen. Auf der Straße sei die Abgasreinigung „weitgehend deaktiviert“, auf dem Prüfstand per Testerkennung dagegen stets aktiv gewesen.

Behörden weltweit seien an der Nase herumgeführt worden, rügte der Richter. Im Prozess, der über weite Strecken Seminaren über Motor- und Abgastechnik ähnelte, hat er sich darin einige Fachexpertise erworben. Rund 30 Milliarden Euro hat der Skandal VW am Ende gekostet und die Luft auf Straßen weltweit verpestet. Ihren Beitrag dazu haben Stadler und Hatz erst auf der Zielgeraden des Prozesses gestanden und zuvor jahrelang gelogen. Daran gemessen darf man ihr Urteil als milde einstufen.

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