Rheinpfalz Wie Cashew-Nüsse afrikanische Bauern aus der Armut befreien

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Der weltweite Cashew-Konsum steigt jedes Jahr. In Europa sind die süßen Nüsse teuer. In Afrika können sie Bauern aus der Armut befreien. Das liegt auch an Deutschland. Und an Bill Gates.

Diese Bäume haben mich zu einer glücklichen Frau gemacht“, sagt Victoria Ataa und tätschelt liebevoll die Rinde des Baumes, der ihr in der Mittagshitze Schatten spendet. Die ghanaische Bäuerin sitzt im Dorf Congo unter einem Cashewbaum. Seine Früchte haben sie aus bitterer Armut befreit und sie zu einem Vorbild für Tausende andere Bauern in Afrika gemacht. Deutsche Entwicklungshelfer und die Stiftung von Software-Milliardär Bill Gates wollen dafür sorgen, dass weitere Hundertausende afrikanische Bauern vom weltweiten Cashew-Boom profitieren. Vor 14 Jahren saß Victoria Ataa am Straßenrand und verkaufte in Plastikbeutel abgefülltes Wasser. Ein unwürdiger Job, fand die stolze Frau, doch ihre Felder gaben einfach nicht genug her. Immer häufiger blieb der Regen aus, immer niedriger fielen die Ernten aus. Nur den Bäumen mit den nierenförmigen Kernen schien die Trockenheit nichts anzuhaben. Doch dort, wo schon Victoria Ataas Großvater das Feld mit Yams, Maniok und Mais bestellt hatte, wusste niemand etwas mit den komisch krummen Dingern anzufangen. Nur ein paar „seltsame Inder“ kauften den Kindern die Nüsse für einen Spottpreis ab. Und exportierten sie mit gutem Gewinn in Cashew-Fabriken nach Indien. Als Victoria Ataa am Straßenrand wieder einmal darüber nachdachte, wie sie ihre fünf Kinder satt kriegen konnte, sprach ein Mann sie an. „Eine Frau wie du sollte nicht hier rumsitzen“, sagte der Vorsitzende der Vereinigung der ghanaischen Cashew-Bauern. Er berichtet ihr, dass die weltweite Nachfrage jedes Jahr um rund zehn Prozent steige, die Preise sogar noch schneller. Als Ataa ihm beschrieb, welche Bäume auf ihrem Land wuchsen, sagte er: „Das sind Cashews.“ Seitdem hat Attaa nie wieder mit Wassertüten am Straßenrand gesessen. Vor 14 Jahren gehörte sie in ihrem Land zu den Cashew-Pionierinnen. Die meisten Bauern wussten damals nicht, wie man die Erträge steigert, wie man die Nüsse lagert und an wen man sie verkaufen könnte – kaum jemand setzte auf die krummen Kerne, die noch heute auf dem ghanaischen Speiseplan fehlen. Auch in vielen anderen afrikanischen Staaten vergammelten die Nüsse, während weltweit Nachfrage und Preise explodierten. Um das riesige Potenzial zu nutzen, wurde im Jahr 2009 die Competitive Cashew Initiative (ComCashew) ins Leben gerufen. Im Auftrag des deutschen Entwicklungshilfeministeriums, der Bill & Melinda Gates Stiftung, der SAP sowie mehr als 30 an zuverlässigen Cashew-Lieferketten interessierten Firmen wie dem Lebensmittel-Riesen Kraft Heinz setzt die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) das fast 50 Millionen Euro schwere Programm in Benin, Burkina Faso, der Elfenbeinküste, Mosambik und Ghana um. 2016 ist das Projekt mit einem Innovationspreis der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgezeichnet worden. Es will den Afrikanern helfen, die ganze Wertschöpfungskette selbst zu übernehmen, von der Produktion über die Verarbeitung bis zum Export. „Experten beraten die Bauern unter anderem, wie sie durch verbesserte Anbau-, Ernte- und Lagermethoden ihre Erträge steigern können. Davon haben in den Projektstaaten schon über 400.000 Bauern profitiert. Viele von ihnen konnten ihr Einkommen aus Cashew verdoppeln. Allein in Ghana können heute rund 75.000 Kleinbauern vom Anbau leben“, erklärt Rita Weidinger. Die Passauer Agrarökonomin leitet das Programm in Ghana. Victoria Ataa hat an mehreren dieser Trainings teilgenommen. Mit Erfolg. „Früher habe ich fünf bis acht Säcke geerntet, dieses Jahr waren es 16“, erzählt die 66-Jährige. Und von Händlern lässt sie sich jetzt auch nicht mehr über den Tisch ziehen. Sie bekommt umgerechnet bis zu 90 Cent für ein Kilo ungeschälte Nüsse, vor zehn Jahren waren es noch neun Cent. Mit dem Geld konnte Victoria Ataa unter anderem ein bescheidenes Haus bauen, sich mehrere Kühe kaufen und ihren ältesten Sohn auf die Universität in Accra schicken. Mittlerweile lehrt er dort an einer Landwirtschafts-Fachhochschule. So oft es geht, besucht er seine Mutter in ihrem eine Tagesreise entfernten Dorf. Und rät ihr jedes Mal: „Mama, pflanz mehr Cashewbäume.“ Victoria Ataa hörte auf ihren Sohn, pflanzte auch auf dem Land ihres Onkels. Dort empfängt sie mittlerweile oft Bauern, die von ihr lernen wollen. Angst vor Konkurrenz hat sie nicht: „Es gibt mehr Nachfrage als Angebot.“ Die Setzlinge für ihr neues Feld hat sie in der Cashew-Forschungsstation im nahegelegen Wenchi gekauft. Dort experimentieren Arthur Robert und seine 14 Mitarbeiter in Laboren und auf 365 Hektar Versuchsfläche, wie man die Bäume durch Kreuzung ertragreicher und widerstandsfähiger machen kann. Den Wissenschaftlern ist es ganz ohne Einsatz von Gentechnik gelungen, die durchschnittliche Ernte pro Baum von vier bis acht auf mittlerweile 20 bis 35 Kilo zu steigern. Durch den Klimawandel, prophezeit Forschungsdirektor Robert, wird es in Ghana in Zukunft wahrscheinlich weniger regnen. Für den Cashewbaum ist das kein Problem. Er kommt gut mit Trockenheit klar. „Unser Ziel ist es daher, Ghana in den nächsten Jahren zu einem der internationalen Top-Produzenten zu machen.“ Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Weltweit werden derzeit rund drei Millionen Tonnen ungeschälte Cashewnüsse produziert. Ein großer Teil stammt aus Indien, Vietnam und Brasilien. Aus Ghana kommen gerade mal 65.000 Tonnen. In Afrika angebaute und verarbeitete Nüsse galten lange als international nicht konkurrenzfähig. Yoseph Yeung will dazu beitragen, dass Ghana den Abstand zu den drei großen Cashew-Nationen weiter verringert. In den letzten zehn Jahren hat sich die Menge der in Ghana verarbeiteten Nüsse fast verfünffacht, knapp 6000 neue Jobs sind so entstanden. Dazu hat auch Yeung beigetragen. Der in Shanghai geborene Manager leitet den zweitgrößten Cashew-Betrieb in Ghana. Bis zu 1200 Menschen arbeiten für das dänische Unternehmen, das von ComCashew beraten wurde. Cashewnüsse zu verarbeiten, ist kein Zuckerschlecken. In den Hallen ist es stickig und laut, das Arbeitstempo ist hoch. Aber im Vergleich zu anderen Fabriken in Afrika hat Yeung einen Vorzeigebetrieb. Die Arbeiterinnen müssen die Kerne aus ihrer harten Schale befreien und dann die dünne Haut von den Nüssen schälen. Um sich vor dem ätzenden Cashew-Öl zu schützen, tragen die meisten Handschuhe, andere tunken ihre Hände in Speiseöl. Als Yeung 2010 die Leitung des Betriebes übernahm, produzierte er rund 800 Tonnen pro Jahr, mittlerweile sind es knapp 5000. Viele seiner Arbeiter hatten vorher noch nie einen festen Job. 75 Prozent sind Frauen. Ernestina Adu-Gayanfuah, 22, ist eine von ihnen. An einem Tisch sortiert sie Kerne nach Größe, Qualität und Farbe. Knapp einen Zentner schafft sie in einer Acht-Stunden-Schicht. „Die Bezahlung ist okay, das kostenlose Mittagessen sehr gut, außerdem haben wir 15 Tage bezahlten Urlaub pro Jahr und bekommen unseren Lohn auch, wenn wir krank sind. Trotzdem will ich hier nicht ewig Nüsse sortieren.“ Ernestina will Krankenschwester werden. Das Geld für die Ausbildung verdient sie sich hier – Nuss für Nuss.

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