Rheinpfalz Von Mainz über Palästina nach Cannes

mainzer.jpg

Zwei Studenten der Mainzer Hochschule für Gestaltung stellen einen Film in Cannes vor: Thomas Toth (geboren 1986 in Mainz) und Michael Schaff (geboren 1989 in Bielefeld). Ihr gemeinsamer sechsminütiger Dokumentarfilm „Qalqiliyas Zoo“ wurde mit Unterstützung der Filmförderungsanstalt und German Films in der Reihe „Next Generation Short Tiger“ im Filmmarkt präsentiert. Er zeigt bewegte Bilder aus der 45.000-Einwohner-Stadt Qalqiliya (gesprochen: Kalkilia) in Palästina, dem „größten Gefängnis der Welt“, wie es im Film heißt, die Stadt ist seit der Intifada 2000 komplett von einer hohen Mauer umgeben. In der Stadt befindet sich der einzige Zoo in Palästina. Die Aufnahmen zeigen die Menschen in der grauen Stadt mit Mauer, Stacheldraht und Wachturm, den Zoo-Arzt und natürlich Tiere hinter Gittern. Die beiden Dokumentarfilmer erzählen in Cannes, wie es zu diesem ungewöhnlichen Film kam.

Wer von Ihnen hatte die Idee?

Thomas Toth: Die kam von mir. In unserem Auslandssemester in Israel. Da wir oft zusammen arbeiten, haben wir den Film zusammen realisiert. Wie kommt man zu einem Auslandssemester in Israel? Michael Schaff: Als Dokumentarfilmer bietet sich das an, weil es ein Land ist, in dem viele Geschichten liegen. Weltweit einmalig. Es war die Suche nach dem Neuen, dem Unbekannten. Warum haben Sie diesen Zoo in Palästina gefilmt? Thomas Toth: Wir hatten auf der Kunsthochschule Bezalel in Jerusalem studiert und von dort aus sind wir immer mal wieder ins Westjordanland gefahren und haben auch ganz gezielt nach Geschichten gesucht. Dann sind wir auf die Stadt Qalqiliya (Kalkilja) gestoßen, die von der Sicherheitsmauer komplett umzäunt ist und dort auf den Zoo. Als wir dort waren, war schnell klar, dass es ein besonderer Ort ist, wie die Tiere leben und wie man allgemein lebt in Qalqiiliya. Sind die Tiere eine Metapher für die Menschen? Michael Schaff: Auf jeden Fall. Die Menschen sind eingesperrt von der Mauer. Und die Tiere in den Käfigen auch. Thomas Toth: Banal ist das nicht. Aber es geht auch darum. Es hat Symbolcharakter. Wir wollen mit dem Film nicht sagen, was richtig oder falsch ist. Es gibt ja ganz viele Filme über den Palästina-Israel-Konflikt. Wir haben uns nicht anmaßen wollen, da mitzumischen. Wie sind Sie in die Stadt hineinkommen? Michael Schaff: Die Westbank kann man nur an Checkpoints passieren. Die werden kontrolliert von der IDF, der israelischen Defense Force, und als Europäer und deutscher kommt man ohne Probleme rein. Wir brauchten ein Visum, um in Israel ein halbes Jahr zu studieren, aber für Palästina braucht man keins. Thomas Toth: Oft hatte ich meinen Pass vergessen, aber es ist mir gelungen, mir den israelischen Soldaten nett zu reden, so dass man wieder zurückkommt. Die Grenze ist nah. Man fährt eine halbe Stunde mit dem Bus und dann ist man schon im Westjordanland. Deshalb habe ich oft den Pass vergessen. Wie muss man sich die Mauerstadt vorstellen? Michael Schaff: Man steht vor der Mauer, man sieht nicht, was dahinter ist. Man passiert den Checkpoint und ist in einer komplett anderen Welt. Diese arabische Welt und die israelische Welt könnten unterschiedlicher nicht sein. Das ist echt Wahnsinn. Man kommt beispielsweise nach Ramallah. Wir haben den Checkpoint passiert, und dann war ein richtiger Graben. Die Leute werfen ihren Müll in einen großen Graben und der wird angezündet. Thomas Toth: Es gibt schon Mülltonnen, aber oft liegt der Müll am Straßenrand. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich dran. Kommen die Palästinenser auch in den Zoo? Thomas Toth: Für die Menschen dort ist es der einzige Zoo. Für die Menschen dort ist das ein schöner Ort. Es kommt immer drauf an, mit welchen Augen man den Film sieht. Jemand aus Palästina sieht darin vielleicht gar nicht das, was Deutsche hineininterpretieren. Gehen die Israelis auch dahin? Michael Schaff: Die Israelis haben in Tel Aviv einen Zoo und einen in Jerusalem, ob die dahingehen, weiß ich nicht. In Palästina dagegen reisen die Leute von weit an zu dem Zoo. Das ist dann ein Tagesausflug. Tierarzt Dr. Samir, der zugleich der Präparator ist, kümmert sich auch um die Tierwelt im Zoo. Wieso finanzieren dann die Israeli den Zoo? Thomas Toth: Letztlich kümmern die sich um die gesamte Tierwelt in Palästina, hat Dr. Samir uns gesagt. Dem Zoo werden von Israel aus Tiere und Medikamente geschickt. Es gibt zwar viele Differenzen zwischen Israel und Palästina, aber nicht was die Tiere betrifft. Studieren Sie beide nur Dokumentarfilm? Thomas Toth: Ich bin jetzt in Dortmund eingeschrieben für den Master in Film und Sound. Michael Schaff: In Mainz sind wir im Oktober mit dem Bachelor fertiggeworden. Thomas Toth: Unser Abschlussfilm dort war „Ein bisschen Normalität“. Der lief nur bei einem Festival, „Lichter“ in Frankfurt, und hat auch gewonnen. Da geht es um eine junge Mutter in Frankfurt. Michael Schaff: Auch ich studiere jetzt in Dortmund. Unser nächster Film wird wieder von Mauern handeln. Es soll um die europäischen Außengrenzen gehen, die viele Menschen in den Tod treiben. Da kann man schon von Mauern sprechen. Wie haben Sie zueinander gefunden? Michael Schaff: Bevor wir den ersten Film zusammen gemacht haben, hatten wir schon die gleichen Ideen. Wir haben uns im Studium kennengelernt, zusammen einen Osteuropa-Trip gemacht und schnell gemerkt, dass wir ähnlich ticken und ähnliche Vorstellungen von Dokumentarfilm haben. So haben wir auch unseren ersten gemeinsamen Dokumentarfilm gedreht. Da geht es um eine ehemalige Gefängnisinsassin. Thomas Toth: Wir gehen immer zu den Orten, die die anderen meiden. Haben Sie auch in Rheinland-Pfalz gedreht? Thomas Toth: Für meinen ersten Dokumentarfilm über Graffiti hatte ich vor allem Künstler aus Mainz interviewt. Warum haben Sie gerade in Mainz studiert? Thomas Toth: Wir waren ja noch am Anfang damals, jetzt haben wir Referenzen, mit denen wir auch zu richtigen Filmhochschulen gehen können. Michael Schaff: Aber die Frage ist, ob wir überhaupt auf eine Filmhochschule gehen müssen. Das Gute an der Hochschule wie in Mainz ist, man hat alle Freiheiten und kann machen, was man will. An Filmhochschulen ist man eingespannter. Thomas Toth: Wir arbeiten bei Schnitt und Produktion zusammen, in den Filmhochschulen ist das getrennt. Ich kam aus der Ausbildung heraus, Medienkaufmann, und habe dann angefangen zu studieren und ich wollte Mediendesign studieren, dass es letztendlich Film wird, hat sich im Studium ergeben, aber ich hatte schon immer Interesse am Film. Michael Schaff: Ich hatte ein Praktikum in der Filmbranche gemacht und konnte mich nicht festlegen, ob ich Dokumentarfilm oder Animation mache. So habe ich beides im Studium gemacht, auch Animation für die Fernsehsendung „Siebenstein“, die bei ZDF läuft. Jetzt will ich den Fokus auf Dokumentarfilm legen. Thomas Toth: Ich bin auch als Videojournalist tätig. Vom Film kann man nicht leben, man arbeitet und macht nebenbei seine Projekte. Interview: Andrea Dittgen

x