Rheinpfalz Vom Manager zum Musiker

HEIDELBERG

/MANNHEIM. Beatles oder Stones? In den 60er Jahren die Frage der Fragen. Für Klaus Gassmann gab es damals nur eine Antwort: James Brown. „1968 habe ich Wilson Pickett in der Frankfurter Jahrhunderthalle gesehen. Und kurz danach den ,Godfather of Soul’, James Brown. Das hat mich umgehauen“, sagt Gassmann und lehnt sich zurück. Umrahmt von einem guten Dutzend Gitarren und einer Original-Jukebox sitzt er in Süddeutschlands heimlichem Soul-Hauptquartier: dem Büro der Sweet Soul Music GmbH in Heidelberg. Schwarzes Jackett, dunkelblaue Jeans, extravagante Lederstiefel und eine unaufhaltsame Leidenschaft für Musik. So stellt man sich keinen ehemaligen Top-Manager eines Dax-Konzerns vor. Und doch – Gassmann arbeitete jahrzehntelang in führender Position beim Walldorfer Softwareriesen SAP. Vor einigen Jahren ging der Betriebswirt frühzeitig in Rente und führt seither ein ganz anderes „Unternehmen“: die „Sweet Soul Music Revue“. Damit erfüllte sich der inzwischen 65-Jährige seinen Traum. Mit dem 30 Mann starken Bühnenprojekt ist er in ganz Europa unterwegs. Die Mission: Möglichst viele Menschen mit dem Soul-Virus infizieren. Nachdem Brown und Pickett ihn selbst infiziert hatten, tauschte der gebürtige Weinheimer seine Gitarre gegen ein Saxophon und gründete Anfang der 70er Jahre eine Band. In der Rhein-Neckar-Region waren damals zahlreiche US-Army-Truppen stationiert. Gassmann erinnert sich: „Mit einem alten VW-Bus tourten wir weißen Jungs durch sämtliche amerikanische Clubs der Gegend, in denen hauptsächlich schwarze GIs saßen und spielten Songs der Labels Stax, Atlantic Records und Motown.“ Rauschende Konzertnächte waren das allerdings eher selten. „Wenn es den GIs gefiel, zeigten sie kaum eine Reaktion. Wenn nicht, gingen sie“, erzählt er und lacht laut. Die Soldaten blieben. Das Virus auch. Es hat ihn niemals losgelassen. Auch nicht während seiner erfolgreichen Zeit bei SAP. Gassmann spielte bei Firmenfeiern, sammelte Gitarren, Vinyl – und Erfahrungen. In all den Jahren lernte er, Führungsverantwortung zu übernehmen. Im Entwicklungsbereich führte er teilweise 250 Angestellte. „Entwickler sind Künstler. Darunter waren damals auch einige Diven. Da habe ich gelernt, unterschiedlich besetzte Teams zusammenzuhalten.“ Im Showbusiness sei das ganz ähnlich. Die Erfahrungen helfen ihm heute noch. In dieser Zeit hat sich Gassmann den Traum einer großen Soul-Show finanziert. „Ich kann das heute alles nur tun und in Vorleistung gehen, weil ich finanziell unabhängig bin und nicht von der Musik leben muss.“ Sich selbst zahle er kein Gehalt aus. In seinem Büro steht zwischen den Rickenbacker-, Gretsch- und Fender-Gitarren auch ein Rennrad. Darauf angesprochen, winkt der Musiker ab. Die Zeit für ein zweites Hobby fehlt. Spätestens seit dem Jahr 2009. Da feierte die Revue Premiere im Mannheimer Capitol. Heute feiert die Revue dort ihren fünften Geburtstag – mit einem großen Jubiläumskonzert.„Zu unseren Shows kommen mittlerweile drei Generationen, nicht selten aus einer Familie. In der Musik steckt eine gewisse Aufbruchstimmung. Das spüren auch die jüngeren Leute, die immer mehr zu unseren Konzerten kommen“, sagt Gassmann. Aufbruchstimmung, die mit der Geschichte der Afro-Amerikaner zusammenhänge. Die Soulmusik lieferte den Soundtrack des politischen Um- und Aufbruchs. Das letzte große Kapitel war die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der USA. „Obama hat unsere Version von ,A Change is gonna come’ für eine Weile auf seine Internetseite gestellt. Das macht einen natürlich schon stolz“, erzählt der Wahl-Heidelberger. Die Band hat über 200 Titel im Programm, doch Gassmann muss nicht mal proben: „Ich spiele alles nach Gehör. Schon immer.“ Die probenlose Zeit nutzt er für andere Dinge: „Das ist ein Fulltime-Job. Einerseits bist du der Künstler, andererseits der harte Geschäftsmann. Ich habe immer zwei Hüte auf. Wenn die Musiker auf der Bühne stehen, sind sie nur Musiker. Ich bin da oben mit meinen Gedanken immer schon einen Schritt weiter.“ Der Spagat zwischen Bandleader und Produzent – Gassmann schafft ihn. Der TV-Sender „arte“ strahlte vergangenes Jahr eine mehrteilige Dokumentation zum Thema Soul aus. Darin spielt auch Gassmanns Revue eine Rolle – der Soul-Geschichten-Erzähler aus Heidelberg hat es geschafft, selbst Teil dieser Geschichte zu werden.

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