Rheinpfalz Vier Amtspersonen machen den Anfang

Die Gastgeber des Landkreises Südwestpfalz (v.l.n.r.) Peter Spitzer (erster Beigeordneter), Landrätin Susanne Ganster sowie (gan
Die Gastgeber des Landkreises Südwestpfalz (v.l.n.r.) Peter Spitzer (erster Beigeordneter), Landrätin Susanne Ganster sowie (ganz rechts) Moderator Michael Walle, daneben die dritte Kreisbeigeordnete Martina Wagner und der zweite Kreisbeigeordnete Christof Reichert ehrten die Preisträger des Fotowettbewerbs: Friedrich Herrmann aus Pirmasens (3.v.l.), daneben Katrin Kadel (Pirmasens), Peter Engel (Fischbach), Michael Knoll (Zweibrücken), Marius Antoni (Weselberg) und Frank Theisohn (Zweibrücken).

Seit 18. Februar 1818, also 200 Jahre, acht Monate und zwei Tage, so lange gibt es den heutigen „Landkreis Südwestpfalz“. Am vergangenen Samstag lud Landrätin Susanne Ganster ins Bürgerhaus Münchweiler ein, um das Jubiläum zu feiern.

Die zahlreich erschienenen Gäste aus der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik wurden Zeitzeugen einer hochinteressanten Festrede von Michael Kißener, Professor für Zeitgeschichte der Mainzer Johannes Gutenberg Universität. Kißener streifte nicht nur die geschichtlichen Fakten der vergangenen 200 Jahre, er spannte den Bogen auch auf aktuelle politische Entwicklungen und daraus resultierende Folgen unter den Aspekten Freiheit und Verantwortung. „Wer heute propagiert, Deutschland zuerst, der hat die Geschichte nicht verstanden“, sagte er und bekam langanhaltenden Applaus am Ende. Musikalisch überbrachten der „Südwestpfälzer Kinderchor“ unter Leitung von Christoph Haßler, der Kammerchor Münchweiler unter Bernhard Haßler, das Blasorchester des Landkreises unter der Leitung von Bernd Jörg und Christof Heringer am Flügel Geburtstagsgrüße an den Landkreis mit seinen 84 Ortsgemeinden, in denen rund 96.000 Menschen wohnen. Für die Bewirtung sorgte die Freiwillige Feuerwehr Münchweiler. „Die Chöre sind ein Aushängeschild für unsere Gemeinde“, freute sich der Münchweilerer Ortsbürgermeister Georg Denz. Auch die Landgräfin „Sickingerland“, Sophie Wilhelm, überbrachte Glückwunsche. Aus dem „Amtsblatt der königlichen bayerischen Regierung des Rheinkreises“ vom 18. Februar 1818 zitierte die Landrätin zur Geburtsstunde des Landkreises. „Es waren 200 bewegte Jahre“, stellte sie fest. Über allem stehe „Friede und Freundschaft“, vor allem die zu Frankreich. Vor 200 Jahren verwalteten gerade mal vier Amtspersonen den Landkreis, erwähnte Kißener in seiner Festrede, augenzwinkernd ergänzend: „Ich glaube nicht, dass Frau Landrätin heute mit vier Personen auskommen würde.“ Der Beginn eines modernen, liberalen Staates sei unter französischem Einfluss in der napoleonischen Zeit entstanden. Ab sofort gehörte die bis dahin herrschende Leibeigenschaft der Vergangenheit an, aus Untertanen der alten Zeit wurden moderne Bürger. Schulunterricht und Forstämter wurden staatliche Aufgaben. „Nicht perfekt, aber es war ein Anfang“, erklärte er. Gleichwohl sei seinerzeit die Pfalz keineswegs das Paradies auf Erden gewesen. Die staatliche Ordnung hatte ihren Preis, den die Bürger mit der Einführung von Steuern und deren Durchsetzung zu spüren bekamen. Die Gesetzesflut begann. Bis zu 600 Anordnungen an einem Tag des Jahres 1798 sind erlassen worden, nach dem Motto. „Alles muss seine Ordnung haben“. Nachdem die Pfalz französisch geworden war und die Gebietskörperschaften auch französische Namen bekamen, änderte sich bei der Übernahme der linksrheinischen Pfalz zu Bayern als „Rheinkreis“ 1816 zunächst wenig, bis auf Begrifflichkeiten. „Die Pfalz wurde bayrisch, und keiner wusste so recht, wie ihm geschah.“ Aus Departements entstanden Kreise, in den 1820-er Jahren wurden Gemeinderäte eingeführt, die staatliche Macht wurde von Landräten verkörpert, die „fest im Sattel saßen“, wie es Kißener beschrieb. „Ohne moderne Verwaltung kein moderner Staat“, stellte er fest. Das 20. Jahrhundert sei von einer Wachstumsexplosion gekennzeichnet. Damit verbunden stelle sich aber auch die Frage: Wie viel Staat sollten wir wollen, und wie viel können wir bezahlen? Die Beantwortung dieser Frage stürze viele Politiker in Sinnkrisen. In Bezug auf Freiheit und Verantwortung ging Kißener vor allem auf die deutsch-französische Aussöhnung ein, die einem geschichtlich gewachsenen Völkerhass mit Schlagworten wie „Erbfeindschaft“ die heutige „Erbfreundschaft“ folgen ließ. Auch die Kriege seien in der Grenzregion nicht bejubelt worden. Das Kriegsglück beim Deutsch-französischen Krieg von 1870/71 habe sich beim Ersten Weltkrieg 1914 bis 1918 nicht wiederholt. Als eine Folge des Versailler Vertrages nach dem Ersten Weltkrieg, in dem Deutschland die Schuld am Ausbruch des Krieges gegeben wurde, wurde die Pfalz wirtschaftlich abgeschnitten. Diese Faktoren haben den Separatismus gefördert. Kißener sprach von einer „nationalen Verhetzung“ in diesem Zusammenhang und einem daraus resultierenden Hass auf Frankreich. Die NS-Diktatur sei unter anderem ermöglicht worden, weil damals „zu wenige Demokraten für die junge Demokratie zu kämpfen bereit waren“, stellte der Historiker fest. Den wenigen Widerständlern, Kißener erwähnte den Dahner Pater Ingbert Naab, der einmal Hitler gefragt haben soll: „Wer hat Sie denn gewählt?“, habe man den neuen deutschen Rechtsstaat zu verdanken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs der Wunsch nach friedlicher Völkerverständigung. „Die Menschen haben verstanden“, so Kißener. „Freiheit ist kein selbstverständlicher Zustand. Sie verlange blutige Opfer“, laute eine geschichtliche Lehre. Jeder Einzelne sei in der Verantwortung, für den Erhalt dieser Freiheit, die Väter und Mütter des Grundgesetzes manifestierten, einzutreten. „Ob wir wollen oder nicht, wir sind aufeinander angewiesen“, stellte Kißener fest.

Stieß auf großes Interesse: Die Festrede von Professor Michael Kißener von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Stieß auf großes Interesse: Die Festrede von Professor Michael Kißener von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
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