Rheinpfalz Unterricht mit Händen und Füßen

MANNHEIM. Besondere Gäste hatte der Platz der Jugendverkehrsschule in Mannheim am Samstag. Die Kinder, die hier zu einem verkehrsgerechten Verhalten angeleitet wurden, stammen aus Syrien, dem Irak und Serbien und wohnen zurzeit mit ihren Familien in Schriesheim. Es sind Flüchtlingskinder, die erst seit einigen Monaten in Deutschland sind. Und viele von ihnen sprechen nur kaum oder gar nicht Deutsch.

Ein wenig hilflos erscheint Polizeioberkommissar Karl Braun schon ab und an. Aber es ist auch wirklich nicht einfach, rund 15 Kinder im Zaum zu halten. Doch Braun lässt sich nicht aus der Ruhe bringen und keineswegs demotivieren. Auch wenn seine Schützlinge mehr Spaß daran haben, mit den Fahrrädern über den Übungsplatz zu rasen, statt pflichtbewusst auf der richtigen Straßenseite zu fahren, Verkehrszeichen zu beachten und den weiteren Regeln des Straßenverkehrs zu folgen. „Langsamer“, tönt es immer wieder durch Lautsprecher über den Platz. „Abstand halten“, ruft der Polizeioberkommissar durch das Mikrofon und schüttelt lächelnd den Kopf. Es ist schön zu sehen, wieviel Spaß die Kinder beim Radeln haben. Ende Oktober sprach das Deutsche Rote Kreuz (DRK) die Jugendverkehrsschule an, ob sich die Polizeibeamten vorstellen könnten, für die Flüchtlingskinder ein Fahrtraining zu machen. Durch eine Sammelaktion in der Bevölkerung haben die zwischen vier und 13 Jahre alten Kinder Fahrräder bekommen. „Sie freuen sich riesig, aber nicht jeder kann mit dem Rad richtig umgehen“, erklärt Polizeihauptkommissarin Tanja Ambacher, die Leiterin der Jugendverkehrsschule. Manche würden zwar perfekt fahren, andere aber könnten es gar nicht. Vor allem aber hapert es an der Kenntnis der Verkehrsregeln, die überlebenswichtig sein können. „Es gab zwar noch keine Unfälle mit den Flüchtlingskindern. Aber genau das soll ja auch vermieden werden“, so Ambacher. Aus diesem Grund sagten die Beamten auch sofort zu. Sie opfern seitdem ihre Freizeit, um den Kindern das sichere Radfahren beizubringen. Ein erstes Geschicklichkeitstraining mit denselben Kindern wie am Samstag fand bereits im November statt. Initiiert wurde die Aktion von DRK-Kreissozialleiter Bernd Böttinger. „In Schriesheim haben Nachbarn beobachtet, wie drei Kinder auf einem Fahrrad einen Abhang hinuntergefahren sind“, sagte er. Bevor es zu einem schlimmen Unfall kommt, wandte Böttinger sich an die Verkehrsschule. Nach dem Novembertermin seien die Rückmeldungen „großartig“ gewesen, sagt Tanja Ambacher. Fast alle Kinder können nun schon Rad fahren. Der zweite Kurs, an dem sie die grundlegenden Verkehrsregeln kennenlernen sollten, stand da nicht mehr in Frage. Doch wie bringt man jemandem, der kein Deutsch versteht, Verkehrsregeln bei? „Mit Händen und Füßen“, erinnert sich Tanja Ambacher an den November. Diesen Samstag sollte es eigentlich anders laufen. Ein Dolmetscher wurde gefunden, ein Jugendlicher, der Deutsch und Arabisch spricht. Doch der junge Mann traute sich nicht so recht, und so lag es doch wieder bei den Beamten, mit Gesten, ein bisschen Englisch und viel Geduld ihr Wissen weiterzugeben. Dennoch ist der Unterricht keine verlorene Liebesmüh’. Die Flüchtlingskinder verstehen offenbar mehr, als es scheint. Eine kurze theoretische Einführung, bevor sie auf ihre Räder steigen dürfen, beweist: Nicht nur das Stoppschild ist ihnen schon bestens bekannt. Und die Polizisten sind einfallsreich. Sie setzen die 14-jährige Lara Ambacher, die Tochter der Leiterin, als Gehilfin ein. Sie führt als lebendes Beispiel vor, was die Beamten erklären. „Man muss offen sein und flexibel“, erklärt ihre Mutter. „Auch mal Fünfe gerade lassen.“ Und so fallen die polizeilichen Ermahnungen milde aus. „Schön rechts am Rand fahren“, sagt Ambacher zur Kinderschar, die gerade freudestrahlend an ihr vorbeirast. Und siehe da: Sofort wird die Geschwindigkeit reduziert und die Jungen und Mädchen fahren brav hintereinander her. Wenn auch nur kurzfristig. Die Beamten und die DRK-Helfer sind sehr zufrieden. „Sieht doch schon sehr viel besser aus als letztes Mal“, sagt DRK-Leiter Bernd Böttinger. „Vom Fahren her haben sie sich sehr gesteigert“, verrät Tanja Ambacher. Und ihr Kollege Thomas Jenne, Erster Polizeihauptkommissar und Referent Verkehrsprävention, fügt hinzu, dass auch die Jugendverkehrsschule etwas bei diesen besonderen Kursen lernt. Am Ende soll nämlich ein Konzept stehen, das Flüchtlingskindern immer professionelleren Verkehrsunterricht erteilt. Denn allein im Benjamin-Franklin-Village sind augenblicklich fast 40 Kinder untergebracht, die Fahrräder bekommen haben und den richtigen Umgang damit erst noch lernen müssen.

x